Zu Besuch bei Amber Verbraeken und Alessia Riner in der Handball-WG

Normalerweise führen wir die Interviews für das SPORTHEILBRONN-Magazin ja in Sporthallen, auf Sportplätzen oder auch mal in einem Café. Der Besuch in der Handballerinnen-Wohngemeinschaft bei Amber Verbraeken und Alessia Riner von der Sport-Union Neckarsulm war deshalb auch für uns mal etwas anderes.

Das Gespräch mit der Holländerin Amber (21) und der Schweizerin Alessia (20) hat unglaublich viel Spaß gemacht. Da teilt sich ein total sympathisches und witziges Dreamteam die Wohnung, das wir unseren Lesern in dieser ganz persönlichen „Homestory“ vorstellen möchten.

Fotos. Seventyfour.studio

Autor: Lara Auchter

14. Februar 2024

Gemütliche Chillout Area im Wohnzimmer von Amber Verbraeken (links) und Alessia Riner.

Alessia und Amber, ihr wohnt hier beide zusammen in der WG. Wie lange teilt ihr euch schon die Wohnung?

Alessia Riner: Ich wohne seit einem halben Jahr hier. Als ich nach Neckarsulm gewechselt bin, wurde ich gefragt, ob ich allein oder lieber in einer WG wohnen möchte. Da Neckarsulm meine erste Station im Ausland ist und ich auch noch sehr jung bin, fand ich eine WG eigentlich ziemlich cool. Der Verein hat dann entschieden, dass ich hier bei Amber einziehe.

Amber Verbraeken: Dieses Jahr ist mein zweites Jahr hier und das mit der WG hat sich damals einfach so ergeben. Ich hatte glaub ich gar keine andere Option (lacht).

 

Habt ihr euch davor schon gekannt?

Amber Verbraeken: Wir hatten nur ein kurzes Kennenlerngespräch in einem Café. Ich wollte schauen, ob wir zusammenpassen.

Alessia Riner: Richtig kennengelernt haben wir uns erst, als ich dann hier angekommen bin. Wir waren auch direkt im Trainingslager, das heißt wir haben uns eigentlich erst als Teil des Teams kennengelernt, bevor wir wirklich als WG zusammengewohnt haben.

Amber Verbraeken: Ja, und wir haben dann einfach angefangen zusammen zu kochen. Und wenn wir nach dem Training heimgekommen sind, sind wir nicht direkt in unsere Zimmer verschwunden, sondern haben eigentlich alles gemeinsam gemacht. Wir sind uns auch sehr ähnlich und haben viele gemeinsame Interessen.

In der Küche sind Alessia (links) und Amber meist gemeinsam aktiv.

Seid ihr auch im Trainingslager oder auswärts Zimmerkolleginnen?

Alessia Riner: Nein. Am Anfang sind wir mit der Person von der jeweils gleichen Position ins Zimmer gegangen und für mich hat das sehr gut gepasst. Deshalb haben wir das so beibehalten.

Amber Verbraeken: Wir haben eine tolle Gemeinschaft im Team und deshalb machen wir auch viel mit anderen, stecken also nicht immer nur zu zweit zusammen.

 

Was wäre eine Aktivität, die ihr nur zu zweit unternehmt?

Alessia Riner: Wir gehen immer vor dem Spiel zusammen Basketballspielen. Unsere Wohnung liegt in der Nähe einer Schule, und deshalb sind wir, bevor wir in die Ballei fahren, immer dort auf dem Sportplatz. Auch sonntags können wir nicht den ganzen Tag in der Wohnung sitzen und gehen deshalb gemeinsam raus, auch wenn es nur für einen Spaziergang ist.

Amber Verbraeken: Wir kochen auch immer zusammen und chillen eigentlich jeden Abend gemeinsam im Wohnzimmer. Das ist echt toll, weil wir immer wieder was Neues übereinander erfahren.

Ihr kommt aus Holland und der Schweiz. Welche Sprache sprecht ihr in dieser internationalen WG?

Alessia Riner: Unsere WG-Sprache ist tatsächlich Englisch. Ich persönlich spreche gerne Englisch, weil mein Deutsch einen starken Akzent hat (lacht).

Amber Verbraeken: Ich kann zwar Deutsch sprechen, aber Englisch ist mir deutlich lieber. Wenn ihr nachher weg seid, werde ich bestimmt Kopfschmerzen haben, da ich mich gerade so konzentrieren muss und in meinem Kopf immer alles übersetze (lacht).

 

Gibt es in eurer WG eine Aufgabenverteilung? Macht ihr einen Plan, wer was erledigen muss, oder macht ihr alles spontan?

Alessia Riner: Eigentlich gibt es keinen Plan. Beim Putzen haben wir uns die Zimmer aufgeteilt, kochen tun wir sowieso gemeinsam und gehen auch immer zusammen einkaufen. In der Küche haben wir keine feste Aufgabenverteilung. Diejenige von uns, die gerade Zeit hat, erledigt den Job. Oder es ist so, dass eine von uns kocht und die andere abwäscht.

Amber Verbraeken: Wir haben auch keine Checkliste oder so. Das meiste erledigen wir tatsächlich gemeinsam, und wenn nicht, stimmen wir uns einfach ab, wer was erledigt. Wir sind da nicht so streng und verstehen uns auch so gut, dass wir keinen Plan brauchen.

Was macht ihr, wenn ihr gerade nicht Handball spielt oder einkaufen geht? Arbeitet oder studiert ihr?

Alessia Riner: Ich gehe noch zur Schule. Meine Schule in der Schweiz kann ich von hier aus beenden und habe dann einen Abschluss, der eurem Abitur entspricht. Ich besuche eine Sportschule und bin eigentlich die erste, die das im Fernstudium macht. Auch meine Prüfungen schreibe ich hier. Meine Schule schickt die Klausuren ans Albert-Schweitzer-Gymnasium und ich schreibe sie dort. Das funktioniert alles sehr gut und ich bin jetzt auch in meinem letzten Schuljahr und schreibe im Sommer die Abschlussprüfungen.

 

Hast du Pläne für danach?

Alessia Riner: Wenn es geht, würde ich gerne einfach mal ein Jahr nur Handball spielen. Danach wahrscheinlich studieren oder vielleicht einen Minijob machen. In welche Richtung es gehen soll, weiß ich aber noch nicht. Ich will erstmal eine Pause von der Schule machen (lacht).

Mini-Basketball-Challenge in der WG. Und nein, die beiden haben natürlich nicht extra für die Fotos Trikots von der Wand abgehängt und die Garderobe umgebaut… 😉

Und wie sieht es bei dir aus, Amber?

Amber Verbraeken: Ich bin seit Ende des Jahres fertig. Ich war auf einer Ernährungsschule und habe dort meinen Abschluss gemacht. Das Schulsystem in Holland ist komplett anders als hier und in der Schweiz, deshalb kann ich gar nicht wirklich sagen, mit welchem Abschluss man meinen vergleichen kann. Das ist sehr kompliziert und wir haben es untereinander auch schon ausdiskutiert (lacht). Jetzt muss ich schauen, was ich zwischen den Trainingseinheiten machen kann – ob ich ein Studium oder einen Minijob beginne. Aber ich möchte auf jeden Fall gerne etwas neben dem Handball machen. Ich bekomme auch immer viel Energie, wenn ich etwas Neues lernen kann. Im Moment FaceTime ich viel und mache Sachen, um mein Gehirn zu aktivieren.

 

Wie war es für euch am Anfang, als ihr zum ersten Mal eure Heimat verlassen habt, um hier in Deutschland Handball zu spielen. Hattet ihr Eingewöhnungsschwierigkeiten oder Heimweh?

Alessia Riner: Also mit der Sprache gab es natürlich keine Probleme. In den ersten beiden Wochen hatte ich schon ein bisschen Heimweh, das hat sich dann aber schnell gelegt. Auch weil es hier so gut passt und ich mich mit Amber in der Wohnung richtig wohl fühle. Meine Eltern kommen auch fast zu jedem Heimspiel hierher. Sie fahren nur drei Stunden von der Schweiz nach Neckarsulm und deshalb sehe ich sie auch oft.

Amber Verbraeken: Ich habe in Holland schon nicht mehr zuhause gewohnt und war auf einer Handballakademie und darum nur am Wochenende zuhause. Deshalb habe ich es schon ein bisschen gekannt. Ich telefoniere sehr viel mit meiner Familie und wir sind immer im Austausch. Auch haben wir noch drei andere Niederländerinnen im Team. Mit ihnen spreche ich auch in meiner Muttersprache, das macht es auch einfacher, vor allem da die Niederlande ja doch noch ein bisschen weiter weg sind als die Schweiz und meine Eltern nicht immer kommen können. Am Anfang hatte ich schon ein bisschen Angst wegen der Sprache. Letztendlich hat aber alles gut gepasst.

Alessia Riner

Amber Verbraeken

Ihr seid noch sehr jung und die Sport-Union Neckarsulm ist eure erste Station im Ausland. Zuvor wart ihr beide auf einer Handballakademie und bei Vereinen in eurer heimischen Liga. Was waren die Gründe für den Schritt in die Bundesliga?

Alessia Riner: Ich war in der Schweiz drei Jahre auf einer Handballakademie und habe danach in der höchsten Schweizer Spielklasse gespielt. Ich hatte Lust auf etwas Neues und eine neue Herausforderung. Mit Neckarsulm konnte ich den richtigen Club für diesen Schritt finden.

Amber Verbraeken: Bei mir war es ähnlich. Ich habe mehrere Saisons in der ersten niederländischen Liga gespielt, bevor ich mich aufgrund meiner sportlichen und persönlichen Weiterentwicklung für einen Wechsel ins Ausland bzw. nach Deutschland entschieden habe. Es ist auch viel professioneller hier.

Wie ist die Stimmung in der WG, wenn ihr von einem schlechten Spiel oder Training nach Hause kommt? Bringt ihr die schlechte Laune mit oder könnt ihr hier abschalten?

Alessia Riner: Wenn eine von uns gerne darüber sprechen will, dann machen wir das. Aber wir können es danach auch gut hinter uns lassen und reden wieder über andere Dinge.

Amber Verbraeken: Wir sind dann wieder zusammen auf der Couch oder in der Küche und denken meist schon gar nicht mehr daran, was eigentlich zuvor im Training oder beim Spiel war. Im Auto reden wir kurz darüber und sagen halt, ja das Training oder Spiel war scheiße, aber das wars dann auch.

 

Ihr seht euch jeden Tag zuhause, im Training, auf Auswärtsreisen… Wird es manchmal zu viel? Hattet ihr schon den Fall, dass ihr euch einfach nicht mehr sehen konntet?

Alessia Riner: Nein, das war bei mir eigentlich noch nicht der Fall. Inzwischen kennen wir uns schon so gut, dass wir wissen, wenn die andere einfach mal ruhig sein und nichts machen möchte.

Amber Verbraeken: Daher, dass wir Handball und Privatleben komplett trennen, gab es das noch nie, dass wir uns nicht mehr sehen konnten. Da wir im Training auch nicht alles zu zweit machen und auch sonst mit anderen Mannschaftskolleginnen essen gehen, gehen wir uns nicht auf die Nerven.

Sportlich hat das Jahr 2024 mit zwei Siegen richtig gut für euer Team begonnen, bis zum Jahreswechsel standet ihr aber sieglos am Tabellenende. Was hat sich geändert?

Alessia Riner: Wir haben während der WM-Pause sehr gut gearbeitet und auch im Training ein bisschen etwas geändert. Wir sind schon zum Ende der Hinrunde immer stärker und besser geworden – leider hat es da noch zu keinem Sieg gereicht. Den Spaß haben wir eigentlich immer gehabt. Unser Trainer hat uns auch gut auf die Spiele nach der WM-Pause vorbereitet, da er uns vermittelt hat, dass unsere Saison erst danach richtig los geht, wenn wir uns alle besser kennen und uns auf dem Platz eingespielt haben. Das zahlt sich jetzt aus und wir sind sehr happy.

Amber Verbraeken: Wir sind inzwischen richtig als Team zusammengewachsen, unser Coach Thomas Zeitz macht da auch einen guten Job. Natürlich ist es nie toll als Sportler, wenn man nur verliert. Aber wir haben zum Anfang der Saison neun neue Mädels dazubekommen und einfach Zeit gebraucht. Wir haben aber darauf vertraut, dass es besser wird und wir unsere Siege nach der Winterpause noch holen. Letztendlich haben wir noch die komplette Rückrunde Zeit.

Amber und Alessia im Gespräch mit unseren Redakteuren Lara Auchter und Ralf Scherlinzky.

Euer Team hatte auch viel mit Verletzungen zu kämpfen. War das auch ausschlaggebend für die Niederlagenserie?

Amber Verbraeken: Ja klar, aber wir wissen alle, dass das leider auch dazugehört. Die Verletzten geben ihr Bestes, um uns von der Seitenlinie zu unterstützen, und wir Spielerinnen auf der Platte probieren, unser Bestes auf dem Feld herauszuholen.

 

Was sind eure sportlichen Ziele in naher, aber auch in ferner Zukunft?

Amber Verbraeken: Mein Vertrag läuft am Ende der Saison aus, deshalb weiß ich noch nicht genau, was passiert. Ich fühle mich aber sehr wohl hier. Im Team sowie auch hier in der WG mit Alessia ist es richtig toll. Das Ziel ist jetzt erstmal, die Liga zu halten und nicht abzusteigen. Das ist bei unserem Team und der Leistung der letzten Spiele in jedem Fall auch möglich. Persönlich möchte ich immer die bestmögliche Leistung bringen – und dies mit Leidenschaft für den Handball.

Alessia Riner: Erstmal möchte ich spielen, mich weiterentwickeln, und einfach immer mein Bestes geben. Dazu konzentriere ich mich jetzt stark auf diese Saison und das Hier und Jetzt. Was danach kommt, kann keiner sagen. Zur fernen Zukunft rede ich lieber von Träumen statt von Zielen. Ein Traum von mir ist es, mal in Dänemark oder Norwegen und auch in der Champions League zu spielen. Aber das ist alles noch weit weg.