Thomas Zeitz – Neuer Cheftrainer bei der Sport-Union

Seit dieser Saison ist Thomas Zeitz der neue Headcoach bei den Frauen des Handball-Bundesligisten Sport-Union Neckarsulm. Der 49-Jährige stand in der letzten Saison noch bei den Waiblingen Tigers an der Seitenlinie, mit denen er zur Saison 2021/22 in die erste Bundesliga aufgestiegen war. Nach dem Fast-Abstieg der SUN-Mädels im vergangenen Jahr geht der gebürtige Frankfurter mit einer neuen, talentierten Mannschaft in die Saison, auf deren jungen Schultern eine Menge Verantwortung lastet.

Wir haben uns mit dem sympatischen Übungsleiter nach Beginn der Saison getroffen und erfahren, wie er das Team zusammenschweißen möchte, eine neue Hierarchie aufbaut, mit dem Druck umgeht und was ihn überhaupt bewegt hat, nach Neckarsulm zu wechseln.

Autor: Lara Auchter

13. November 2023

Thomas Zeitz gibt bei den Handball-Frauen der Sport-Union Neckarsulm den Ton an. Fotos: SUN

Thomas, du bist nun schon einige Wochen in Neckarsulm, wie war die Anfangszeit? Der Saisonstart verlief ja nicht wirklich erfolgreich. War das für dich abzusehen?

Thomas Zeitz: Wenn du im Sommer den Spielplan bekommst und siehst, dass du zu Beginn gleich gegen vier Top-5 Mannschaften ran musst, bekommst du schon ein ungefähres Gefühl, wie es wohl laufen wird. Ich hatte ja recht spät meinen Vertrag unterschrieben, und auch die Mannschaft konnte erst sehr spät zusammengestellt werden, da wir lange nicht wussten, in welcher Liga wir spielen werden. Wir haben jetzt neun neue Leute, die wir integrieren müssen. In einem Sport, in dem du 16 Spielerinnen im Kader hast, sind neun Neuzugänge ein fast neues Team. Das braucht einfach Zeit. Ich hatte bei der Teamzusammenstellung freie Hand und habe viele junge, talentierte Leute geholt. Dazu kamen auch Spielerinnen, die schon eine Führungsrolle übernehmen können, aber trotzdem noch nicht die größte Erfahrung haben. Daher war uns intern klar, das wir dieses Jahr vermutlich wieder gegen den Abstieg spielen werden. Ich habe schon von Anfang an gesagt, dass unsere Saison erst nach der WM-Pause im Dezember richtig losgehen wird, weil man mit einem neu zusammengewürfelten Team einfach drei Monate einrechnen muss, bis gewisse Automatismen erarbeitet werden und eine Routine auf dem Platz entsteht.

Dann ist das vermutlich nicht nur ein handballerisches, sondern vor allem auch erstmal ein zwischenmenschliches Thema…

Thomas Zeitz: Ja, wir wollten auch die Sprachbarriere ein bisschen runterschrauben, was schon sehr gut funktioniert hat. Das Training und die Ansagen kann ich bis auf wenige Einzelfälle auf Deutsch machen. Die Gruppe ist ziemlich schnell zusammengewachsen, was das Zwischenmenschliche angeht. Sie verstehen sich persönlich sehr gut und halten zusammen. Jetzt muss sich diese Chemie nur noch auf dem Feld entwickeln. Es muss handballerisch noch so ineinander greifen, wie es dies persönlich schon tut. Dafür braucht es viel Training und Spielpraxis.

Gab es in der Saisonvorbereitung Teambuilding-Maßnahmen, um diesen Prozess zu beschleunigen?

Thomas Zeitz: Für mich ist die beste Teambuilding-Maßnahme schon mal ein Ort, an dem man zusammen ist und nicht weg kann, wo die Mannschaft zusammenarbeiten muss und sich gegenseitig pushen kann. Also ist ein Trainingslager allein schon eine Teambuilding-Maßnahme. Natürlich haben wir auch andere Dinge gemacht, wie zum Beispiel Kanufahren, ein spezielles Athletiktraining am Strand von St. Peter-Ording, eine Schnitzeljagd oder ein Grillabend. Manchmal genügt es aber tatsächlich schon, wenn man ein paar Tage wegfährt, die Mädels dort einen freien Abend gemeinsam gestalten und man so einfach etwas entstehen lässt.

Durch die Niederlagen zum Beginn der Saison ist aber schon Einiges an Druck von außen entstanden…

Thomas Zeitz: Das lässt sich nicht vermeiden. Die Sport-Union ist immer unter den besten Fünf in der Zuschauertabelle, auch wenn es wie letztes Jahr sportlich nicht so läuft. Auch sind hier ganz viele Menschen, die als Helfer engagiert sind – das ist schon krass und es sind weit mehr, als ich es bei anderen Vereinen vorgefunden habe. Da ist es dann auch normal, dass so viele Menschen vom Team auch etwas zurück bekommen wollen und einen anderen Anspruch haben. Ich sage den Mädels immer, seid doch froh, dass die Zuschauer und Helfer da sind. Natürlich versuche ich, den Druck von der Mannschaft fernzuhalten – was nicht immer gelingt. Ich selbst kann mit Druck umgehen, das kommt mit der Stellenbeschreibung in solch einem Beruf (lacht). Bei den Spielerinnen muss ich aber aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Die Leute vergessen oft, dass der Großteil des Teams gerade mal 20 bis 22 Jahre alt ist. Die sind alle noch so blutjung, da muss man ihnen gewisse Fehler zugestehen. Daher ist es meine Aufgabe, mein breites Kreuz vor sie zu stellen und die Mädels zu schützen, sodass sie ungestört ihre Leistungen abrufen können.

Wie kristallisieren sich die Leitfiguren in solch einer jungen und neu zusammengestellten Truppe heraus?

Thomas Zeitz: Wenn man eine neue Mannschaft hat, entwickelt sich natürlich auch eine neue Hierarchie. Es gibt einige Mädels wie Nina Engel, die mit 19 Jahren schon eine tragende Rolle im Team spielen. Dann gibt es aber auch eine Valentyna Salamakha, die mit ihren 38 Jahren Unglaubliches leistet und fitter ist als die meisten Zwanzigjährigen. Dann haben wir Fatos Kücükyildiz, die eine der wenigen Älteren im Team ist und an der sich die Jungen definitiv orientieren können, auch wenn sie gerade erst aus einer langen Verletzungspause herauskommt. So entwickelt sich eben eine neue Struktur. Sharon Nooitmeer ist dabei eine wichtige Spielerin, deshalb ist sie mit ihren 24 Jahren auch schon Kapitänin, weil sie eine Spielerin ist, die auf und auch neben dem Platz mit ihrer Ausstrahlung und Einstellung vorangeht. Sie ist selber noch sehr jung, steht aber eben repräsentativ für das Alter des Teams sowie dafür, wie sich auch die jungen Mädels in Führungsrollen wiederfinden können.

Was hat dich letzten Februar dazu bewogen, den Vertrag zu unterschreiben und nach Neckarsulm zu wechseln?

Thomas Zeitz: Ich wollte eigentlich aufhören. Meine feste Lebensplanung hatte vorgesehen, zumindest mal in diesem Jahr kein Trainer zu sein. Im Januar rief dann aber der Neckarsulmer Vorstand Rolf Härdtner an und teilte mir mit, dass sie auf Trainersuche sind. Wir haben uns dann ein paar Mal getroffen, auch weil feststand, dass ich Waiblingen verlasse. Letztendlich war es glaube ich einfach zu verlockend. Ich bin seit 21 Jahren Trainer und habe immer in Vereinen gearbeitet, die begrenzte Mittel hatten und bei denen ich nicht nur Trainer war, sondern auch Organisatorisches lösen musste. Dabei bin ich sechsmal aufgestiegen, von der Landesliga bis in die erste Bundesliga, und hatte immer Mannschaften, die mit mir den nächsten Schritt gemacht haben. Bei den Gesprächen mit der Neckarsulmer Vorstandschaft hat „es“ dann einfach gepasst. Ich wollte mich schon lange mal bei einem Verein wie der Sport-Union versuchen, um zu sehen, ob unter anderen Bedingungen das funktioniert, was ich jahrelang auf einem niedrigeren Niveau gemacht hatte, bzw. ob wir uns in drei Jahren – so lange brauchst du um etwas Vernünftiges aufzubauen – so entwickeln können, dass wir uns im oberen Tabellendrittel wiederfinden. Das Potenzial dazu ist auf jeden Fall da. Die Aufgabe und die Möglichkeiten waren einfach zu reizvoll, um es nicht zu machen. Die Situation wie hier, dass ich wirklich 100 Prozent Trainer bin und mich um nichts anderes kümmern muss, hatte ich so noch nie, und das ist richtig toll.

Du machst das hauptberuflich, oder? Was ist dein beruflicher Background und wo kommst du her?

Thomas Zeitz: Ich komme ursprünglich aus Hessen und habe Reiseverkehrskaufmann gelernt. Als Spieler war ich bis zur zweiten Liga aktiv, habe mich aber mit 28 Jahren für die Trainerlaufbahn entschieden. Dann habe ich noch eine Ausbildung als Bankkaufmann obendrauf gepackt und zwölf Jahre lang bei der Sparkasse gearbeitet – davon lange Zeit in der Personalabteilung, wo ich sehr viel gelernt habe, was Umgang, Kommunikation und allgemein Coaching angeht. Nachdem ich als Trainer immer weiter aufgestiegen und auf einem höheren Level angekommen bin, war es zeitlich nicht mehr möglich, den Trainerjob nur nebenberuflich zu machen. Also bin ich 2016 das Risiko eingegangen und wurde Profitrainer, was in einer Nicht-Fußball-Sportart wirklich ein Risiko ist (lacht). Es hat aber gottseidank funktioniert, und es gibt deutlich schlechtere Jobs.