Stille Heldin des Sports: Caroline Scheffler (SU Neckarsulm)

Caroline Scheffler leidet seit ihrem ersten Lebensjahr an einer seltenen Gefäßerkrankung, die schmerzhafte Fehlbildungen an verschiedensten Körperstellen mit sich zieht. Ihre Nerven und Muskeln sind so stark beeinträchtigt, dass sie bei längeren Strecken auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Die 19-Jährige ist aber auch Schwimmerin – und das ziemlich erfolgreich: fünffache baden-württembergische Jugendmeisterin, fünffache sächsische Jugendmeisterin, amtierende BW-Meisterin im 50 m, 100 m und 200 m Brustschwimmen sowie Viertplatzierte bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften 2019.

Ihre Vita kann sich sehen lassen, und das, obwohl sie fast jedes Jahr eine Operation über sich ergehen lassen muss, die sie immer wieder aufs Neue zurückwirft. Wir haben die bemerkenswerte Hohenloherin zuhause besucht – nicht nur, um auf ihre inspirierende Geschichte aufmerksam zu machen und sie als „Stille Heldin“ zu würdigen, sondern auch um ganz offen über ihre gesundheitlichen Themen und die Isolierung zu sprechen, die Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen oft erfahren. Dabei haben wir auch von den ambitionierten sportlichen Zielen der jungen Schwimmerin erfahren, die viel Aufklärungsarbeit in ihren Social Media-Kanälen betreibt.

Autor: Lara Auchter

26. Juli 2023

Caroline Scheffler betreibt in ihren Social Media Kanälen @_carosjourney_ ausführliche Aufklärungsarbeit. Foto: privat

Du bist Schwimmerin, warst aber in letzter Zeit weniger im Wasser. Wann geht es wieder los?

Caroline Scheffler: Im September steige ich wieder ins Training ein. Da ist dann erst einmal Aufbau angesagt bis hin zu Intensiv-Training für die Deutschen Kurzbahnmeisterschaften im November, wo ich wahrscheinlich neu klassifiziert werde. Gerade starte ich in der Kategorie „Allgemein Behindert“. Durch meine jährlichen Operationen muss ich quasi jedes Mal wieder neu anfangen.

Wie wirkt sich deine Krankheit aus? Was genau passiert in deinem Körper?

Caroline Scheffler: Ich habe verschiedene Gefäßmissbildungen im Körper, also Venen, die miteinander verwachsen. Das fällt unter die Kategorie gutartige Tumore, obwohl es eigentlich keine Tumore sind. Diese Missbildungen beeinträchtigen meine Nerven und Muskeln stark und in meinem Oberschenkel sind dadurch sogar schon zwei von vier Muskelsträngen irreparabel abgestorben, weshalb ich auch so gut wie immer im Rollstuhl sitze. Auch benötige ich zurzeit jedes Jahr eine Operation, um diese „Tumore“ zu verkleinern. Dafür muss ich aber nach Berlin, da es nur wenige Forschungszentren zu dieser Art Gefäßerkrankung gibt.

Was wird bei dieser Operation gemacht?

Caroline Scheffler: Es wird praktisch eine künstliche Thrombose in die Venen gelegt, die dafür sorgt, dass die Blutzufuhr zu den Knoten gestoppt wird. Bei der OP wird dann auch die Missbildung verkleinert. Normalerweise hält dieser Zustand für ca. ein dreiviertel Jahr an, während dem ich auch kaum Schmerzen sowie viel mehr Bewegungsmöglichkeiten habe.

Du machst gerade deine Ausbildung. Wie geht dein Arbeitgeber mit deiner Erkrankung um?

Caroline Scheffler: Ich habe das Glück, dass mein Arbeitgeber mich unterstützt und es auch trotz meiner Fehlzeiten gut funktioniert. Ich mache meine Ausbildung auch in Teilzeit, arbeite also 26,5 Stunden die Woche und nur vormittags. Meine Ausbildung geht deswegen sechs Monate länger, also noch bis August 2024. Mit der Berufsschule bin ich bereits fertig.

Wie hast du mit dem Schwimmen angefangen und gemerkt, dass du darin wirklich gut bist?

Caroline Scheffler: Ich habe, als ich auf die weiterführende Schule kam, zur Schmerzlinderung Schwimmtherapie verschrieben bekommen. Das hat mir sehr geholfen. Ich hatte erst mit elf Jahren, also kurz zuvor, Schwimmen gelernt, trotzdem hat es gleich Spaß gemacht. Meine Schule hatte ein Schwimmteam. Start ist dort eigentlich erst ab der siebten Klasse. Ich habe aber so lange genervt, bis ich schon früher aufgenommen wurde (lacht). Ich habe dann auch direkt bei meinen ersten Schulmeisterschaften die Silbermedaille über 100 Meter Brust gewonnen. So hat alles angefangen.

Caro Scheffler in Aktion

Caro Scheffler in Aktion. Foto: Volker Schröer

Später bist du dann nach Stuttgart und nach der Pandemie bei der Sport-Union Neckarsulm gelandet…

Caroline Scheffler: Ja genau, ich war beim SV Cannstatt, der eine ziemlich große Behindertensport-Abteilung hat. Durch Corona und den Lockdown konnte ich dann aber nicht trainieren und so hat meine Mama rumtelefoniert, und durch Zufall bin ich dann nach Neckarsulm gekommen. Dort durfte ich während der Pandemie trainieren. Es war eigentlich der perfekte Zeitpunkt, da die Sport-Union gerade dabei war, eine paralympische Schwimmabteilung aufzubauen. Seit Sommer 2022 bin ich deshalb offiziell Mitglied der SUN-Abteilung, die momentan noch nur aus mir und einer weiteren Schwimmerin besteht.

Du hast eine große Followeranzahl auf den Sozialen Medien. Wie kam das zustande?

Caroline Scheffler: Ich habe auf Instagram gerade 32.000 Follower und auf TikTok sogar 34.000. Das alles hat eigentlich mit Livestreams dazu angefangen, wie ich mir meine Infusionen herrichte und einfach über meine gesundheitlichen Probleme rede sowie meine Geschichte erzähle. Ich denke, den Leuten gefiel einfach meine offene und authentische Art, und so hat sich das immer weiterentwickelt. Mein Beitrag in der Doku-Serie „Weil du ein Wunder bist“, die auf VOX ausgestrahlt wurde und noch auf RTL+ verfügbar ist, hat mir auch sehr viele Follower und Reichweite gebracht.

Du hast vor kurzem auf Instagram einen langen Beitrag zum Thema Isolierung von chronisch Kranken bzw. Menschen mit Behinderung gepostet. Hast du das selbst schon erlebt?

Caroline Scheffler: Ja, man wird schon teilweise ausgeschlossen und du merkst es auch sofort, wenn anderen Leuten dein Zustand peinlich ist oder er zu viele Umstände bereitet. Natürlich ist man vor allem im Rollstuhl eingeschränkt und es ist ein Aufwand, wenn man mit uns ins Kino oder ins Freibad möchte, aber es ist trotzdem möglich. Mein Freundeskreis hat überhaupt kein Problem damit, und wenn wir mit dem Auto unterwegs sind, kommt der Rollstuhl halt mit. Viele „Normalos“ wollen nicht aus ihrer Komfortzone heraus, um uns evtl. mal zu helfen oder schaffen es einfach nicht geduldig und verständnisvoll zu bleiben.

Wie ist das Verhältnis zu „normalen“ Schwimmern? Sind deine Erfahrungen mit anderen Sportlern durchweg positiv?

Caroline Scheffler: Eigentlich schon. Die Reaktionen sind so gut wie immer positiv. Wir trainieren zusammen und haben sogar Wettkämpfe, bei denen sogenannte „Normalos“ und behinderte Athleten gemeinsam schwimmen. Dort werden wir auch immer lautstark angefeuert. Mir wurde auch schon oft gesagt, dass sie es krass finden, was ich mache, und es selbst niemals schaffen würden, unter meinen Herausforderungen Leistungssport zu betreiben. Ich denke, unter Sportlern herrscht von Anfang an ein respektvolles und auch anerkennendes Verhältnis zueinander, weil jeder letztendlich das tut, was er liebt, und weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt. Gerade über Social Media habe ich viel Kontakt zu nicht-behinderten Schwimmern und es sind darüber schon einige Freundschaften entstanden.

Hast du Ziele, die du als Sportlerin erreichen möchtest, bzw. einen Wettkampf, bei dem du unbedingt schwimmen möchtest?

Caroline Scheffler: Also ein großes Ziel, ob realistisch oder nicht, sind auf jeden Fall die Paralympischen Spiele in Los Angeles 2028. Dafür muss natürlich sehr viel passieren, aber es sieht aufgrund einer neuen Forschungsmethode gerade sehr gut aus, dass ich nicht mehr jedes Jahr eine OP brauche. Dann werde ich auch längere Zeiträume haben, um mein Training aufzubauen und zu schwimmen. Solange das nicht der Fall ist, hoffe ich einfach, bei nationalen und vielleicht auch irgendwann internationalen Meisterschaften jedes Jahr so gut es geht meine beste Leistung zu zeigen.