Olympia-Zweiter Ulrich Lind: Heilbronns Silber-Schütze von 1976 wird 80

Es war bei den Olympischen Spielen 1976 in Montréal, als sich Ulrich Lind für immer einen Platz in den Annalen der Unterländer Sportgeschichte sicherte. Der aus Heilbronn-Böckingen stammende Sportschütze war der erste Unterländer überhaupt, der eine olympische Medaille mit nach Hause brachte. Er gewann seine Silbermedaille exakt vier Tage, bevor Turner Eberhard Gienger am Reck Bronze holte. Auch heute lebt der bodenständige dreifache Olympia-Teilnehmer, zurückgezogen und gesundheitlich angeschlagen, noch mit seiner Frau in seinem Elternhaus in Böckingen. Im November wird „Uli“ Lind nun 80 Jahre alt. Wir haben uns mit seinem langjährigen Weggefährten Siegfried Eckstein von der Schützengilde Heilbronn getroffen, der für uns tief in sein Archiv gegriffen hat…

Großer Empfang für den Silbermedaillen-Gewinner am Frankfurter Flughafen.
Fotos: privat

Autor: Lara Auchter

2. November 2022

Ulrich Lind trat 1957 in die Heilbronner Schützengilde ein und fasste in den Folgejahren als Kleinkaliberschütze bei Kreis-, Bezirks- und Landesmeisterschaften Fuß. Ab 1965 studierte Lind intensiv Schießtechniken, testete jeden Gewehrlauf und jede Patrone bis auf das kleinste Detail auf deren Zuverlässigkeit und Präzision und trainierte mehrere Stunden täglich. Zusammen mit einem Team aus Sportschützen dominierte er jahrelang die nationalen und internationalen Wettkämpfe und wurde 1971 zum ersten Mal Deutscher Meister. Im Laufe seiner Karriere sammelte er noch 22 weitere nationale Titel. Aufgrund dieser Leistungen und einem perfekten Qualifikationswettkampf konnte „Uli“ an den Olympischen Spielen 1976 in Montréal teilnehmen.

Dort zeigte der sonst so gelassene und in sich ruhende Lind zum ersten Mal ein wenig Nerven, traf 597 von 600 Ringen und gewann „nur“ die Silbermedaille. Der Olympiasieg ging an seinen deutschen Teamkameraden Karlheinz Smieszek. Für diese Leistung wurde dem Böckinger das Silberne Lorbeerblatt als höchste Auszeichnung im deutschen Sport verliehen.

Die Europameisterschaften in Bukarest ein Jahr später verliefen ähnlich erfolgreich: Gold im Dreistellungskampf, einer Kombination, bei der man aus liegender, stehender und kniender Position schießen muss, Silber im Liegendschießen sowie einmal Gold und einmal Bronze in der Mannschaftswertung. Bei Weltmeisterschaften gewann Lind insgesamt fünf Silber- und zwei Bronze-Medaillen in Einzel- und Mannschaftswertungen.

Darüber hinaus stellte er 1982 einen neuen deutschen Rekord im Kleinkaliber-Liegendschießen auf – mit 600 von 600 Ringen. Ulrich Lind qualifizierte sich auch für die folgenden Olympischen Spiele 1980 in Moskau, bei denen er durch den Boykott aber nicht teilnehmen durfte. Bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles und 1988 in Seoul trat er wieder in der KK-Liegendklasse an, belegte dort dann die Plätze acht und 28.

Nach seinem sensationellen Triumph bei den Olympischen Spielen 1976 wurde Lind von vielen Wegbegleitern am Flughafen in Frankfurt begrüßt und bei seiner Rückkehr nach Heilbronn von Oberbürgermeister Dr. Hans Hoffmann auf der Rathaustreppe geehrt. Die damit einhergehende Kutschfahrt durch die Stadt hat sich bis heute in den Köpfen so mancher Heilbronner verankert.

Die Leistungen des Sportschützen sind nicht hoch genug einzuschätzen. Auch die Vereinsleitung der Schützengilde Heilbronn e.V. erkannte, das solche Schießleistungen nicht alltäglich sind und Sportler wie Uli Lind, mit all seinem Ehrgeiz, seiner Präzision und seinem Streben nach Perfektion, auch in Zukunft selten sein werden.

Uli Lind im Jahr 1993