Nick Bangert: Deutscher U19-Meister am Berg

Klammheimlich und meist unter dem Radar der Öffentlichkeit hat sich ein junger Horkheimer an die Spitze der deutschen Nachwuchsfahrer im Straßenradsport vorgearbeitet. Nick Bangert von der RSG Heilbronn wurde im Sommer 2022 für viele überraschend in Diensten des rheinland-pfälzischen Teams Wipotec Deutscher U19-Meister am Berg – und das, obwohl er in den letzten Jahren eher als heranwachsender Zeitfahrspezialist gesehen wurde. Im Interview hat uns der 18-Jährige berichtet, wie es zum Titelgewinn kam und wie seine Zukunftspläne im Profi-Radsport aussehen.

Fotos: Seventyfour.studio

Autor: Lara Auchter

26. Oktober 2022

Herzlichen Glückwunsch zum Titelgewinn. Deutscher Meister am Berg, wie fühlt sich das an?
Nick Bangert: Danke. Das ist mein bisher größter Erfolg und es fühlt sich schon anders an, wenn man plötzlich ganz oben steht. Mit der Mannschaft waren wir mal im Zeitfahren auf dem dritten Platz, das war damals schon ein großes Erlebnis. Aber jetzt Deutscher Meister zu sein, ist schon ein ziemlich geiles Gefühl.

Du hast immer im Zeitfahren deine Erfolge gefeiert und bist jetzt plötzlich Deutscher Meister am Berg. Wie kommt es dazu? Das sind ja zwei völlig verschiedene Schwerpunkte…
Nick Bangert: Ich bin noch nicht so lange im Radsport und bin 2019 meine erste Saison gefahren. Davor hatte ich über zehn Jahre lang Triathlon gemacht. Dort fährt man komplett allein auf dem Rad, weil Windschattenfahren verboten ist. Daher kommt es, dass ich am Berg lange hohe Wattwerte drücken und meinen beim Zeitfahren gelernten Vorteil abrufen konnte, wobei mir auch die Strecke zugute kam. Wir mussten achtmal einen Rundkurs von zwölf Kilometern fahren. Es ging einen langen Anstieg den Berg hoch und danach wurde es ziemlich wellig. Ich bin dann in Runde drei, bei 38 von 98 Kilometern weggefahren und somit war es für mich im Endeffekt ein Einzelzeitfahren gegen ein komplettes Feld.

War das von Anfang an deine Taktik?
Nick Bangert: Nein. Der eigentliche Plan war, dass ich ca. 30 Kilometer vor Schluss attackiere, also ungefähr bei der 60 km Marke. Das Rennen war auf den flacheren Passagen aber ziemlich langsam und so bin ich dann immer vorne gefahren und habe alles gegeben, um einen gewissen Abstand zum Feld zu bekommen. Dass ich dann nach 38 km schon mit zwei anderen Fahrern vor dem Feld bin und mehrere Sekunden Vorsprung habe, war so nicht geplant. Die verbleibenden 60 km musste ich dann schon ziemlich kämpfen.

Machst du das auch in flachen Rennen so? Reihst du dich eher hinten ein oder bist du einer der vorangeht und mitpusht?
Nick Bangert: Ich habe letzten Winter hart trainiert, so dass ich in der Lage war, ziemlich weit vorne mitzufahren. Unser Feld umfasst bis zu 200 Fahrer, und je weiter hinten man ist, desto höher ist die Sturzgefahr. Zum Glück bin ich dieses Jahr nicht gestürzt, wogegen ich in der letzten Saison durchaus ein paarmal getackert und genäht wurde. Deshalb war mein Ziel von Anfang an, mich zwischen den Plätzen acht und fünfzehn einzureihen. So bin ich vorne dabei, fahre aber nicht direkt im Wind. Manchmal hat es dann auch für einen Schlussspurt gereicht, das kommt immer auf die Situation an, welche Linie man fährt und wie die Taktik der Fahrer vor und hinter einem ist. Im letzten Bundesligarennen, welches ich gewonnen habe, konnte ich durch einen Schlusssprint im Flachen gewinnen, da hatte ich eine gute Linie und war den anderen Fahrern leistungsmäßig einfach ein bisschen überlegen.

In der Rad-Bundesliga gibt es ja verschiedene Altersklassen. Erklär bitte mal die Zusammenhänge…
Nick Bangert: Die RSG Heilbronn als Verein hat ein eigenes Team in der Bundesliga, das ist wie im Fußball einfach die höchste Klasse im deutschen Radsport, in der sich die besten deutschen Teams und Fahrer messen können. Diese Bundesliga ist aber für eine höhere Altersklasse. In der U19 fährt man deswegen im eigenen Landesverband oder in einem Team eines anderen Landesverbands, so wie ich diese Saison für Wipotec in Rheinland-Pfalz gefahren bin. In der U23 gibt es eine eigene Bundesliga. Dort fahre ich in der nächsten Saison mit. Dieses Jahr fand das Meisterschaftsrennen der U19 aufgrund fehlender finanzieller Mittel und Austragungsorte innerhalb des letzten Bundesligarennens statt. Da gab es dann zwei Felder, einmal die deutschen U19-Fahrer und einmal die Fahrer der Bundesligateams. Deswegen durften auch die Niederländer starten, die mit mir vorne gefahren sind. So hätte ich theoretisch in dem Rennen auch Dritter hinter den Niederländern werden können und wäre trotzdem Deutscher Meister geworden, hätte aber das Bundesligarennen nicht gewonnen.

Für welches Team fährst du dann nächstes Jahr?
Nick Bangert: Ich werde nächstes Jahr für P+S Benotti fahren, ein U23-Continentalteam aus Chemnitz. Das ist nochmal eine Stufe höher und geht schon in den Profibereich. Wir nehmen die Bundesliga zwar mit, fahren aber auch viel international wie in Italien, Tschechien, Polen oder Frankreich mit einigen Rundfahrten. Da fährt man bei UCI-Rennen dann schonmal gegen Größen wie den zweimaligen Tour de France-Gewinner Tadej Pogacar, da es letztendlich keine extra Rennen gibt, sondern wie bei der Tour de France eine U23-Wertung innerhalb der Gesamtwertung.

Wie setzt sich dein Team zusammen? Seid ihr nur starke Nachwuchsfahrer? Und mit welchem Ziel geht man da in die Saison?
Nick Bangert: Das Team hat jetzt zwei neue Nachwuchsfahrer aus dem 2004er-Jahrgang geholt, also mich und noch einen anderen 18-Jährigen. Es gibt noch einen Fahrer, der 2003 geboren ist, sonst sind alle aus den Jahrgängen zwischen 1995 und 2002. Das Team versucht uns junge Fahrer in die Mannschaft und den Wettbewerb zu integrieren – das ist dann wie eine Ausbildung im Radsport. Wir sind bis jetzt maximal Drei-Tages-Rennen gefahren und nächstes Jahr werden es Rundfahrten, die sieben Tage gehen oder bei denen man sogar zwei Wochen durchfährt. Da werden wir einfach Erfahrung sammeln. Letztendlich ist das nochmal ein anderes Level. Die Umfänge werden größer und die Leistungsdichte höher. Die Radrennen sind jetzt bis zu 250 Kilometer lang und man fährt gegen die größten Namen im Radsport, da ist dann eine komplett andere Einstellung gefordert. Mein persönliches Ziel ist es mich die nächsten Jahre gut zu entwickeln und mich an das Leistungspensum zu gewöhnen, um dann in die World-Tour zu kommen.

 

Wie sieht eine Trainingswoche aus?
Nick Bangert: Seit August kann ich mich ja voll und ganz auf meinen Sport konzentrieren und sitze so gut wie jeden Tag mehrere Stunden auf dem Rad. Manchmal mache ich morgens noch vor dem Frühstück eine kleine Einheit, da gehe ich dann ein paar Kilometer Joggen. Je nach Trainingsplan variiert die Stundenzahl, die ich letztendlich auf dem Fahrrad sitze. Manchmal sind es drei Stunden, manchmal aber auch sechs. Ich versuche am Wochenende immer mehr zu fahren als unter der Woche, einfach um den Berufsverkehr zu vermeiden und ein bisschen leerere Straßen zu haben. Bei kürzeren Radeinheiten geht man danach ins Fitnessstudio oder macht zuhause noch seine Kraft-, Dehn-, und Stabilitätsübungen. Während der Saison, von März bis Oktober, ist es natürlich auch ein ganz anderes Training als im Winter.

Radsport ist ja mit vielen Reisen und vermutlich hohem finanziellen Aufwand verbunden. Wie finanzierst du dich als Nachwuchsfahrer?
Nick Bangert: Bisher haben meine Eltern und Großeltern alles gezahlt. Reisekosten, Trainingslager, Räder, Ausstattung, Versicherung etc., da kommt schon eine ganze Menge zusammen. Von meinem neuen Team bekomme ich jetzt immerhin die Räder gestellt, das sind ja auch mehrere, die man da braucht. Sie übernehmen auch die Kosten für das Teamtrainingslager oder die Wettkampfanreise. Den größten Teil müssen aber trotzdem noch meine Eltern stemmen. Da wird dann schon in jungen Jahren aussortiert, wer sich überhaupt Radsport leisten kann. Man braucht schon den kompletten Rückhalt der Familie. Im Endeffekt muss man mehr bezahlen als man verdient (lacht).

Du bist ja dann fast schon zum Erfolg verdammt, wenn du Profi wirst. Denn es ist im Radsport ähnlich wie in vielen anderen Sportarten, dass nur die vermeintlich „Großen“ so viel Geld verdienen, um gut davon leben zu können…
Nick Bangert: Der Leistungsdruck kann schon brutal werden, vor allem wenn man schon in jungen Jahren in der World Tour oder der Tour de France fährt. Da sind schon viele mit Anfang 20 mental kaputtgegangen, weil sie einfach mit dem Druck konstant Leistung bringen zu müssen nicht mehr klargekommen sind. Da habe ich lieber eine lange Karriere als zu früh erfolgreich zu sein und dann mit Mitte 20 meine Karriere zu beenden. Ich setze zwar jetzt auch alles auf die eine Karte Profiradsport, aber wenn es nach meinen U23-Jahren nicht klappt, wird es schwer noch in die Weltspitze zu kommen. Für diesen Fall muss ich mir einen Plan B überlegen. Bis dahin ist aber noch Zeit.