Die Heilbronner Falken in der Oberliga

Der Schock war groß, als die Eishockeyprofis der Heilbronner Falken am Ostermontag 2023 komplett unerwartet als Absteiger aus der DEL2 feststanden. Mit dem Saisonziel Platz sechs und direkte Playoff-Qualifikation gestartet, kamen die Falken in der vergangenen Saison nie so richtig in Tritt. Der Trainerwechsel von Jason Morgan zu Martin Jiranek verbesserte zwar einige grundsätzliche Dinge, doch auch der Deutsch-Kanadier konnte den Abstieg nicht verhindern. Jetzt bringt der 53-Jährige seine Expertise als Sportdirektor der Falken ein. In Abstimmung mit dem neuen Headcoach Frank Petrozza stellte er ein Team zusammen, das sich in der stark besetzten drittklassigen Oberliga Süd möglichst schnell etablieren und die Playoffs erreichen soll. Wir haben uns mit Martin Jiranek und dem erfahrenen Falken-Mittelstürmer Frédérik Cabana (37) getroffen, um die Gründe für den Abstieg aufzuarbeiten, vor allem aber, um einmal einen Blick auf die Vorgehensweise bei der Kaderzusammenstellung zu werfen und über die Ziele für die neue Saison zu sprechen.

Autor: Lara Auchter

9. August 2023

Freddy Cabana wird in der kommenden Saison der verlängerte Arm des Trainerteams auf dem Eis sein. 

Fotos: Seventyfour.studio

Der Abstieg liegt nun über ein Vierteljahr zurück. Konntet ihr die Gründe dafür inzwischen aufarbeiten?

Martin Jiranek: Ja, natürlich. Da sind viele Gründe zusammengekommen. Der größte Faktor war das Mentale. Zum Ende der Hauptrunde hatten wir deutlich 8:1 in Kaufbeuren und 6:1 zuhause gegen Bad Nauheim gewonnen. Das hat unglaubliches Selbstvertrauen für die Playdowns gebracht, hat es doch vermeintlich unsere wahre Qualität gezeigt. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, wenn wir diese beiden Spiele hoch verloren hätten. Doch so waren sich alle sicher, dass wir in der ersten Playdown-Runde gegen Selb den Klassenerhalt eintüten würden. Nachdem das nicht geklappt hat, war allen klar, dass wir es dann eben gegen Bayreuth recht leicht schaffen. Die Stimmung im Team und im Umfeld war gut – vielleicht zu gut. Keiner hatte Angst vor dem Abstieg, weil dieser eigentlich nicht passieren konnte. Und genau so haben wir auch gespielt. Nachdem wir Spiel fünf zuhause verloren hatten und plötzlich eine Niederlage vom Abstieg entfernt waren, schlug die Stimmung um und die Abstiegsangst kam mit Macht. Als wir im sechsten Spiel in Bayreuth dann nach dem ersten Drittel mit 0:4 zurück lagen, kehrte die Schockstarre ein.

Frédérik Cabana: Ich habe ja im Vorjahr selbst noch für Bayreuth gespielt, und auch da waren wir im Playdown-Finale – daher war ich so ziemlich der Einzige im Team, der wusste, wie Playdowns funktionieren. Wenn du in den Playoffs nicht gut spielst, hast du eben früher Sommerferien. Spielst du aber in den Playdowns schlecht, geht es um mehr als das – da geht es um die Existenz. Die Bayreuther hatten in dem Fall einfach mehr Erfahrung, und außerdem war bei ihnen schon seit Weihnachten klar, dass sie voraussichtlich in die Playdowns müssen. Also konnten sie sich lange darauf vorbereiten.

Welche Rolle hat der Kooperationspartner Adler Mannheim beim sportlichen Abstieg gespielt?

Martin Jiranek: Die Tatsache, dass Luca Tosto, Simon Thiel, Arno Tiefensee und Arkadiusz Dziambor als Förderlizenzspieler der Adler in der Hauptrunde nur wenige Spiele für die Falken absolviert hatten und deshalb in den Playdowns nicht spielen durften, hat eine große Rolle gespielt. Dabei geht aber kein Vorwurf an die Adler, sondern an die Kaderplanung in Heilbronn. Du darfst keine Spieler eines Kooperationspartners fest in den Kader einplanen, denn so können dich die Verletzungen von gleich zwei Teams treffen. Genau das war der Fall. Wir hatten Verletzte, konnten aber die eigentlich eingeplanten Mannheimer Spieler nicht bekommen, weil sie aufgrund von Verletzungen bei den Adlern benötigt wurden. Normalerweise musst du dir zuerst ein starkes Team bauen und erst dann Förderlizenzspieler integrieren, wenn du Ausfälle hast oder mal ein Leistungsträger nicht in Form ist.

Dann verlassen wir mal die letzte Saison und werfen einen Blick auf 2023/24. Wo soll die Reise für die Falken hingehen?

Martin Jiranek: Wir haben eine gute Mannschaft zusammengestellt und ich denke, wir spielen oben mit. Ob wir jetzt Zweiter, Dritter oder Fünfter werden, hängt dann wieder von vielen Faktoren ab. Unser Hauptziel sind erstmal die Oberliga-Playoffs und ideal wäre es, wenn wir uns das Heimrecht holen könnten. Man muss aber beachten, dass wir jetzt mit 18 neuen Spielern in einer neuen Liga starten und uns erst finden müssen. Auch die Zusammenstellung des Kaders war nicht einfach, weil wir ja erst im April anfangen konnten. Die ursprünglich geschlossenen Verträge waren alle ungültig, weil sie nur für die DEL2 gegolten hatten. Als wir mit dem Kader begonnen haben, hatten die anderen Teams ihre Leistungsträger schon unter Vertrag. Sehr wichtig für uns war, dass Freddy sofort auch für die Oberliga zugesagt hat und wir mit ihm einen Leistungsträger und Leader im Team haben.

Freddy, du hast die letzten 14 Jahre ausnahmslos DEL2 oder DEL gespielt. Was hat den Ausschlag gegeben, dass du auch in der Oberliga bei den Falken bleibst?

Frédérik Cabana: Ich bin einfach glücklich, dass ich nach 13 Jahren wieder zu den Falken zurückkehren konnte. Seit ich 2009 nach Deutschland gekommen bin und eine Saison für die Falken gespielt habe, wohne ich in Obersulm. Inzwischen haben meine Frau und ich vier Kinder und ein Haus. Ich bin lange genug wegen dem Eishockey gependelt. Diesen Stress möchte ich nicht mehr haben. Ich bin hier zuhause und werde nicht mehr weggehen.

Hast du mit deiner Unterschrift vielleicht auch ein Zeichen für andere Spieler gesetzt und diese motiviert, sich den Falken anzuschließen?

Frédérik Cabana: Ja, ich habe einige Anrufe bekommen und habe auch Spieler angesprochen, von denen ich weiß, dass sie zu uns passen – nicht nur von der Spielweise, sondern auch vom Charakter her. So kam beispielsweise auch der Wechsel von Robin Just zustande. Mit ihm habe ich lange in Bietigheim zusammen gespielt und weiß, dass er uns als Führungspersönlichkeit helfen kann.

Im Sport wird oft von Spielern mit Charakter gesprochen. Wie definierst du den Begriff Charakter in diesem Zusammenhang bzw. wie findest du vor einer Verpflichtung heraus, ob jemand Charakter hat?

Martin Jiranek: Es gibt hier zwei Aspekte. Zum einen der Off-Ice-Charakter – wie intensiv arbeitet der Spieler in der Sommerpause, wie verhält er sich in der Kabine, solche Dinge. Das ist für mich ein ganz wichtiger Part. Und dann gibt es den Charakter auf dem Eis. Wenn ich an einem Spieler Interesse habe, sehe ich mir ein paar Spiele von ihm auf Video an. Wenn er gute Statistiken mit vielen Scorerpunkten hat, aber nur Kreise in der neutralen Zone fährt statt in die Zweikämpfe zu gehen, brauche ich nicht weiter zu schauen. Das sind die Spieler die bei einem 6:1-Sieg vier Punkte machen, bei der 3:4-Niederlage aber komplett abtauchen. Wenn ich mir dann dagegen einen Niklas Jentsch anschaue, der jetzt aus Hamburg zu uns kommt, sehe ich einen Spieler mit Charakter. Er ist ein junger Kerl, der letzte Saison seine 25 Tore gemacht hat und nicht die anderen für sich laufen lässt, sondern in die Ecken geht und in allen Situationen versucht, die Scheibe zu gewinnen. Ähnlich ist es bei den schwedischen Zwillingen Linus und Pontus Wernersson Lindbäck, die in stinknormalen Hauptrundenspielen fernab der Playoffs bei hoher Führung jeden Check zu Ende fahren. Das ist Charakter!

Wie gehst du bei der Zusammenstellung des Kaders generell vor? Machst du eine Liste der verschiedenen Rollen im Team und stellst dazu Namen von Wunschkandidaten zusammen?

Martin Jiranek: Nicht ganz. Zuerst schaue ich, welche Topspieler am Markt verfügbar sind. Die brauchst du als erstes. Dann überlegst du, welche Ausrichtung das Team haben soll. Wilst du schnell und offensiv spielen oder eher körperbetont und defensiv? Letztendlich musst du diese Ausrichtung an das anpassen, was auf dem Spielermarkt verfügbar ist. Dann kommen die Unterstützungsspieler – junge, hungrige, talentierte Leute, die alle mindestens eine besondere Fähigkeit in das Team einbringen müssen. Darüber identifizieren wir dann ihre Rolle auf dem Eis. Es ist ein Mannschaftskiller, wenn du eine untere Gruppe hast, die nicht weiß, was sie tun soll. Denn dann werden sie von Spiel zu Spiel unsicherer und unzufriedener. Deshalb möchte ich, dass jeder Spieler von vornherein weiß, was er auf dem Eis zu tun hat.

Wie gehst du vor, um deine Wunschkandidaten zu bekommen?

Martin Jiranek: Ich bin hier alle Wege gegangen, die man sich nur vorstellen kann. Direktanrufe bei den Spielern, Anfragen bei ihren Agenten, über Freddys Connections oder über Spieler, die ich irgendwann mal trainiert habe. Man kommt letztlich ganz gut an die Jungs ran, aber viele träumen noch von DEL- oder DEL2-Verträgen und vertrösten dich. Dann gehst du zum Nächsten und verpflichtest den und bekommst zwei Tage später einen Anruf vom Ersten, dass er jetzt bereit wäre zu unterschreiben. So haben wir einige Spieler verloren. Aber wie lange willst bzw. kannst du als Kaderplaner warten? Ich möchte nicht zocken, ob im August plötzlich noch ein Kracher verfügbar wird. Denn auch dann sind da 30 Oberliga-Vereine, die zum Teil einen volleren Geldbeutel haben als wir, die diesen Kracher auch haben wollen. Deshalb steht unser Kader schon lange und ich bin mir sicher, dass wir mit diesen Spielern eine gute Rolle in der Oberliga Süd spielen werden.