Warum machst du das eigentlich? – Gastautorin Ulla Kurtz über das Ehrenamt

Seit 2022 ist Ulla Kurtz Abteilungsleiterin des SV Heilbronn am Leinbach sowie stellvertretende Leiterin der HSG Heilbronn, der Spielgemeinschaft aus SV und TSG Heilbronn. Im „Interview mit mir selbst“ beleuchtet die Studienrätin anhand ihrer eigenen Erfahrungen das Pro und Contra des Ehrenamtes und gibt Einblicke in das Gefühlsleben einer ehrenamtlichen Verantwortungsträgerin – ein Beitrag, der zum Nachdenken anregen und Mitglieder dazu motivieren soll, sich mehr in ihre Vereine einzubringen. Sehr lesenswert!

 

Die erste Reaktion aus meinem Umfeld auf mein Ehrenamt ist immer: Warum machst du das eigentlich?

Diese Frage begleitet mich, seitdem ich mich für den Abteilungsleitungsposten aufstellen ließ und auch gewählt wurde. Warum engagierst du dich ehrenamtlich und warum lässt du dich dann auch noch in ein Amt wählen? Und das auch noch in einem Verein, in dem du kaum jemanden kennst. Diese Fragen habe ich mir oft gestellt und stelle sie mir teilweise noch immer.

Es gibt mehrere Antworten auf diese Fragen. Zum einen bin ich mein Leben lang schon im Verein aktiv gewesen und besonders Handballvereine haben für mich immer Anschluss bedeutet. Ich habe immer durch die Vereine Leute kennengelernt, war immer Teil einer Mannschaft und habe dann über viele Jahre hinweg verschiedene Rollen in einem Verein ausgeübt. Sei es Trainerin, Spielerin, Eventplanerin oder Schiedsrichterin. Doch ich habe immer einen Grund oder eher eine Ausrede gefunden, warum ich mich nicht in ein Amt wählen lasse: Ich geh bald weg zum Studieren, ich bin noch nicht lang genug in dem Verein, ich gehe bald ins Ausland, ich mache jetzt Examen, ich starte mein Referendariat oder ganz einfach ich bin neu hier.

Irgendwie hat mich Vorstandsarbeit schon immer interessiert, aber ich hatte nie den Mut dazu. Ich habe mich nicht vorbereitet gefühlt, nicht alt genug, nicht kompetent genug. An den Gefühlen hat sich eigentlich nichts verändert, doch irgendwann war der Zeitpunkt da – ich hatte den Mut und vielleicht auch keine Ausrede mehr. Es waren möglicherweise nicht die besten Voraussetzungen, aber ich machte es.

Ich habe jahrelang davon profitiert, dass andere diesen Job gemacht haben. Ich habe als Kind davon profitiert, dass Erwachsene ihn machen. Ich habe als Heranwachsende sehr davon profitiert, dass Vereine existieren und dass Leute sich hingestellt haben, damit ich eine Vereinsstruktur hatte und meinen Lieblingssport ausüben konnte. Ich möchte, dass das so bleibt und dass vielleicht auch mal meine Kinder in den Genuss eines Vereines kommen können, weil andere ehrenamtlich arbeiten. Ich sehe regelmäßig, wie wichtig es für die Entwicklung von Kindern ist, dass sie auch in Vereinen lernen dürfen, denn diese Art Lernort unterscheidet sich in sehr vielen Dingen von Schule und Elternhaus. Daher halte ich Vereine für essenziell. Leider ist unsere Vereinsstruktur in Deutschland darauf aufgebaut, dass wir auf Ehrenamtliche angewiesen sind. Ohne sie funktioniert es nicht.

Ich glaube, dass ein Mensch unterschiedliche Lebensphasen hat, in denen man sich unterschiedlich intensiv für die Gesellschaft engagieren und sich einbringen kann. Ich befinde mich aktuell in einer Phase, in der ich mich einbringen kann. Ich habe die Zeit und auch die Kraft, mich für andere zu engagieren. Das ist ein für mich wichtiger Punkt, denn diese Lebensphase kann sich auch wieder wandeln.

Grundsätzlich muss ich aber auch zugeben, dass ich die Arbeit interessant finde und schon immer wissen wollte, wie ein Verein funktioniert. Allgemein sind Vereine in vielem gleich, doch unterscheiden sie sich natürlich auch in vielen Punkten. Entscheidend sind die Rahmenbedingungen, wie z.B. ob man in einem Dorf oder einer Stadt ist, in welchen Ligen man spielt und wie viele Leute bereit sind, ihre Zeit für den Verein herzugeben. Aber die Grundthematiken, wie Sponsoren oder Trainer*innen finden oder Hallenzeiten koordinieren, sind überall gleich.

Manchmal denke ich mir, es wäre besser gewesen, es hätte jemand gemacht, der schon länger im Verein ist. Denn Vereinsarbeit, Ehrenamt beruht nun einmal auf der Zusammenarbeit mit Menschen, die sich auch kennen. Und das macht die Arbeit für mich ganz oft schwer, da ich nicht weiß, was die Leute gerne oder beruflich machen, wer vielleicht schon mal etwas gemacht hat und jetzt wieder einsteigen könnte. Dieses ganze Hintergrundwissen fehlt mir, daher kann ich oft nicht einschätzen, wer den Verein auf welche Art unterstützen könnte. Daher bin ich auf die Hilfe anderer angewiesen.

Anderseits war ich vorher schon in vier anderen Vereinen und bringe daher Eindrücke und Ideen mit, die hilfreich sein können, auch wenn die Bedingungen in diesem Verein jetzt anders sind.

Zugegebenermaßen wusste ich nicht bis ins Detail, wie viel Aufwand und Arbeit noch dahintersteckt, aber auch wie vielseitig es sein kann. Diese Vielseitigkeit beantwortet oft auch die Frage, die direkt an die erste Frage Warum machst du das eigentlich? folgt: Macht es dir Spaß? Das Amt hört sich oft nach viel Arbeit an, mit vielen Sitzungen und Emails, vielen Diskussionen und teilweise auch Streitereien. Also, Macht es eigentlich Spaß?

Jein. Es gibt sehr viel, was Spaß macht und Spaß machen kann. Es gibt sehr viel, was einen persönlich weiterbringt. Ich habe sehr viel in diesem ersten Jahr im Amt gelernt. Ich habe einige Fehler gemacht, die ich hoffentlich nicht nochmals machen werde, aber ich habe immer etwas für mich mitgenommen. Ich konnte mich einbringen und so Selbstwirksamkeit erleben. Durch das Amt durfte ich viele Leute kennenlernen und es gibt ab und zu Momente, in denen ich das Gefühl hatte, dass ich etwas verändern, teilweise sogar verbessern konnte. Und dieses Gefühl ist schön.

Aber leider gibt es natürlich auch viele negative Seiten, was das Ehrenamt allgemein angeht. Überraschend war für mich, wie viel Gegenwind und Negativität man doch abbekommt, mit welcher Selbstverständlichkeit die Arbeit gesehen wird und wie schnell kritisiert, sich beschwert und gemotzt wird und wie schwer es Menschen fällt, sich zu bedanken oder gar zu loben.

Persönlich habe ich festgestellt, dass ich Schwierigkeiten habe, wenn Leute nicht ehrlich zu mir sind oder mir Dinge verheimlichen. An diesem Punkt musste ich wachsen und mir Strategien überlegen, wie ich damit umgehen kann. Doch auch in Sachen Kommunikationsfähigkeit, Gesprächsstrategien und Kritikfähigkeit konnte ich viel dazulernen. Von daher: JA, es macht mir Spaß, wenn ich was verändern kann, und NEIN, es macht mir keinen Spaß, wenn alles negativ zu sein scheint.
Abschließend werde ich oft gefragt Würdest du es wieder tun? bzw. Würdest du es weiter machen?

Diese Frage habe ich mir diesen Sommer oft gestellt. Die erste Teilfrage ist schnell beantwortet: Ja, ich würde es wieder tun, da ich all das, was ich lernen durfte, nicht missen will. Doch da ich mir nun bewusst bin, was dieses Amt bedeutet, weiß ich aktuell nicht, ob ich es weiter tun würde. Ich bin auf zwei Jahre gewählt und habe nun im zweiten Jahr die Möglichkeit, Dinge nochmal zu erleben und mir zu überlegen, ob ich mich wieder zur Wahl stelle.

Dennoch stellt sich mir weiterhin die Frage, ob ich die Richtige für dieses Amt bin. Ob nicht jemand, der den Verein besser kennt, geeigneter dafür wäre. Entscheidend ist für mich auch, wie sich die Lage im nächsten Jahr entwickelt. Sind die Mitglieder bereit, sich auch einzubringen? Muss man als Vorstand weiterhin darum betteln, dass Leute freiwillig etwas für den Verein tun? Wird uns ständig gesagt, was nicht gut ist, ohne bereit zu sein, sich für die Lösung zu engagieren? Wird die Arbeit weiterhin von den wenigen Ehrenamtlichen gemacht oder verteilt sich die Arbeit im nächsten Jahr auf mehr Schultern, sodass Einzelne entlastet werden? Überwiegt das Gefühl, auf dem Posten richtig zu sein, oder überwiegt der Stress und die Negativität?

Daher mein Appell zum Abschluss: Denkt darüber nach, wie ihr euch in eurer aktuellen Situation einbringen könnt. Erwartet nicht nur, dass der Verein euch was bietet, sondern seid Teil davon und bringt euch ein, so dass der Verein wachsen kann. Seid dankbar für das, was ihr an dem Verein habt und verliert nicht eure Visionen, wohin die Reise gehen könnte.

Ehrenamt ist wichtig. Ehrenamt bringt einen weiter. Ehrenamt bringt Gemeinschaft und Gemeinschaft bringt Freu(n)de.