Tim Holzapfel – „Das Interesse an mir ist stark gestiegen“

Bereits in der letzten Ausgabe haben wir über den Deutschen Meistertitel von Tim Holzapfel berichtet, den er Ende Juni in Berlin gewonnen hat. Der 25-jährige Horkheimer hatte sich über 800 Meter überraschend gegen seine starke Konkurrenz durchgesetzt und eine durch persönliche Bestleistungen geprägte Saison mit seinem ersten Deutschen Meistertitel gekrönt. In der „Maultaschen-Manufaktur“ unseres Werbepartners Edeka Ueltzhöfer in Heilbronn haben wir uns mit Tim getroffen, um ein Interview der „anderen Art“ zu führen – beim Füllen und Rollen von Maultaschen! Ausführlich erzählte uns der sympathische Läufer über die Deutschen Meisterschaften in Berlin, seine sportlichen Ziele und die Schwierigkeit, seine sportliche und berufliche Karriere unter einen Hut zu bekommen.

Autor: Nils Arnold

26. Oktober 2022

Nach deinem unerwarteten Titelgewinn warst du dir ziemlich unsicher, was alles auf dich zukommen und wie es für dich weitergehen würde. Was hat sich für dich verändert, seitdem wir das letzte Mal gesprochen haben?
Tim Holzapfel: Das Interesse an meiner Person ist stark gestiegen. Bevor ich Deutscher Meister geworden bin, habe ich einfach meinen Sport gemacht und keiner kannte mich. Jetzt kommen andere Athleten bei den Wettkämpfen auf mich zu und sprechen mich an. Ich sehe mich auch immer wieder in Zeitungen, Artikeln oder Posts, womit ich vorher nie gerechnet hätte. Dazu passt gut, dass ich bei den deutschen Meisterschaften als die falsche Person vorgestellt wurde. Es gibt neben mir einen weiteren Tim Holzapfel, der vor allem 400 Meter Hürden läuft. Als dieser wurde ich im Stadion angekündigt. Das wird jetzt wahrscheinlich nicht mehr passieren.

Du hast die deutschen Meisterschaften schon angesprochen. Nimm uns noch einmal mit. Wie verlief das Rennen aus deiner Sicht?
Tim Holzapfel: Mein Trainer und ich sind vor dem Rennen davon ausgegangen, dass es ein typisches Meisterschaftsrennen werden würde. Das bedeutet, dass das Rennen verhalten beginnt und hintenraus im Schlusssprint entschieden wird. Wir haben die Taktik dann so gewählt, dass ich mich nicht im Feld einsortiere, sondern das Rennen von vorne selbst gestalte. Auf den ersten 200 Metern habe ich gemerkt, dass das Rennen wirklich langsam wird. Also habe ich mich an die Spitze des Feldes gesetzt und das Tempo kontrolliert, einfach um mir meine „Körner“ einzuteilen.

Wartet man dann nur darauf, dass man attackiert wird?
Tim Holzapfel: Ja, auf jeden Fall, weil ich gerade vor dem Ende der ersten Runde noch etwas Tempo rausgenommen habe. Ein Auge schielt immer nach außen, um zu gucken, ob jemand vorbeigehen will, und innen muss man versuchen keine Lücke zu lassen, damit auch hier keiner durchkommen kann. Jedes Mal, wenn jemand versucht hat anzugreifen, habe ich mit ein paar schnellen Schritten das Tempo wieder gesteigert, um vorne zu bleiben. Wir sind die erste Runde in 54,95 Sekunden gelaufen. Das ist auf 400 Metern eine Zeit, die ich ohne Probleme im Training laufen kann. Bei ungefähr 600 Metern wurde ich dann auf einmal von innen überholt. Das hat mich etwas überrascht, weil gleichzeitig auch noch Marc Reuther außen an mir vorbeigezogen ist. In dem Moment war ich mir fast sicher, dass ich gleich noch von zwei oder drei weiteren Läufern überholt werde, weil ich zwischen den beiden Führenden quasi eingeklemmt war. Hinter dem großen Favoriten Marc Reuther ging dann aber eine maximal zehn Zentimeter große Lücke auf. Da dachte ich mir sofort: „Wenn du diese Lücke nicht nutzt, wirst du bis nach hinten durchgereicht.“ Also habe ich meinen Arm durchgeschoben und bin durchgebrochen. 120 Meter vor dem Ziel habe ich dann Anlauf für den Zielsprint genommen. Am Anfang der Geraden überholte ich Marc Reuther und der Rest sieht auf dem Video einfach nur noch überragend aus (lacht).

Wie hat sich der Zieleinlauf angefühlt?
Tim Holzapfel: Unbeschreiblich. Man sieht im Video oder auch auf der Titelseite eurer letzten Ausgabe, wie ungläubig ich gucke. Meine Eltern saßen oben auf der Tribüne und ich habe sie nach dem Rennen ratlos angeguckt, weil ich nicht wusste, was ich machen soll.

Danach ging es für dich direkt zu den Interviews. Hast du davor schon mal ein Interview gegeben?
Tim Holzapfel: Nein, ich hatte tatsächlich noch nie ein Interview gegeben. Direkt nach dem Rennen kam die Stadion-Kommentatorin auf mich zu, während ich noch völlig aus der Puste und überwältigt im Zielbereich stand. Die erste Frage, die sie mir dann gestellt hat, war, zu welchem Zeitpunkt ich mir sicher war, dass ich das Rennen gewinne. Auf diese Frage kann man nur arrogant antworten. Also habe ich überlegt, was ich sagen kann, das ehrlich ist und nicht zu überheblich klingt. Ich war allerdings noch so außer Atem, dass ich kein Wort rausbekommen habe und im ganzen Stadion nur mein schweres Atmen zu hören war. Am Ende des Interviews meinte sie noch zu mir, dass ich mich noch gebührend feiern lassen soll. Daraufhin bin ich die Bahn 100 Meter hinunter getrabt und habe den Zuschauern zugewunken. In dem Moment hatte ich schon Gänsehaut bekommen, weil alle für mich geklatscht und applaudiert haben.

Danach ging es für dich direkt zu den Interviews. Hast du davor schon mal ein Interview gegeben?
Tim Holzapfel: Nein, ich hatte tatsächlich noch nie ein Interview gegeben. Direkt nach dem Rennen kam die Stadion-Kommentatorin auf mich zu, während ich noch völlig aus der Puste und überwältigt im Zielbereich stand. Die erste Frage, die sie mir dann gestellt hat, war, zu welchem Zeitpunkt ich mir sicher war, dass ich das Rennen gewinne. Auf diese Frage kann man nur arrogant antworten. Also habe ich überlegt, was ich sagen kann, das ehrlich ist und nicht zu überheblich klingt. Ich war allerdings noch so außer Atem, dass ich kein Wort rausbekommen habe und im ganzen Stadion nur mein schweres Atmen zu hören war. Am Ende des Interviews meinte sie noch zu mir, dass ich mich noch gebührend feiern lassen soll. Daraufhin bin ich die Bahn 100 Meter hinunter getrabt und habe den Zuschauern zugewunken. In dem Moment hatte ich schon Gänsehaut bekommen, weil alle für mich geklatscht und applaudiert haben.

Wie sah dein Abend nach dem Lauf noch aus?
Tim Holzapfel: Wir hatten das Hotelzimmer leider nur bis Sonntag gebucht, weil keiner davon ausgegangen war, dass ich hier gewinnen würde. Darum mussten wir am Abend noch heimfahren. Wir waren so gegen halb zwei nachts wieder zu Hause und ich habe mich erstmal aufs Sofa gesetzt und mir das Video vom Lauf angeschaut, weil ich es selbst nicht glauben konnte. Es hat sich angefühlt, als ob ich einer anderen Person zugucke, mein Puls ging hoch und ich habe richtig mitgefiebert (lacht). Ich habe dann irgendwann versucht schlafen zu gehen, aber ich war so wach, dass ich nicht einschlafen konnte, worauf ich mir das Video nochmal angesehen habe – einfach um zu realisieren, dass ich tatsächlich Deutscher Meister geworden bin.

Tim Holzapfel auf dem Weg zum Titel.
Foto: KJ Peters

Mit welchen Erwartungen bist du ursprünglich ins Rennen gegangen?
Tim Holzapfel: Mein Ziel war es von vorneherein, ins Finale zu kommen. Also hatte ich mein Ziel vor Sonntag eigentlich schon erreicht. Im Finale waren zwei Läufer dabei, die ich in der Saison schon geschlagen hatte. Vor den beiden wollte ich ankommen. Das Ziel war also Sechster zu werden. Als ich in Führung lag, war ich mir ziemlich sicher, dass am Anfang der zweiten Runde alle an mir vorbeiziehen würden, aber irgendwie konnte ich die Angriffe abwehren.

Was sind deine sportlichen Ziele für die nächsten Jahre?
Tim Holzapfel: Mein nächstes Ziel ist es, bei der Europameisterschaft 2024 in Rom an den Start zu gehen. Außerdem will ich mich etablieren und auch an internationalen Wettkämpfen teilnehmen. Das hätte ich dieses Jahr eigentlich schon machen sollen, aber aufgrund von Corona oder anderen Erkrankungen musste ich meine Teilnahmen immer wieder absagen.

Was sind die Normen, um an einer EM teilnehmen zu können?
Tim Holzapfel: Es gibt zwei Möglichkeiten sich für die großen internationalen Meisterschaften zu qualifizieren. Zum einen über die Zeitnormen. Die liegen im Moment für eine EM-Qualifikation bei 1:45,9 und für die Qualifikation zur Weltmeisterschaft bei 1:45,2. Die andere Möglichkeit ist es, sich über die Weltrangliste zu qualifizieren. Die Weltrangliste ist so aufgebaut, dass die Zeiten bei bestimmten Wettbewerben in Punkte umgerechnet werden. Es gibt dann für Siege bei höherklassigen Meetings, wie beispielsweise den Deutschen Meisterschaften, mehr Punkte als für einen lokalen Wettkampf hier in Heilbronn. Wenn man da gut genug platziert ist, kann man sich auch so qualifizieren, ohne die Norm gelaufen zu sein.

Was ist zurzeit deine Bestzeit und wo bewegst du dich damit derzeit in der deutschen Rangliste?
Tim Holzapfel: Meine Bestzeit liegt im Moment bei 1:49,09. Ich bin dieses Jahr schon bei den Deutschen Meisterschaften persönliche Bestzeit gelaufen, aber habe diese bei einem weiteren Meeting in Berlin nochmal verbessert. Mein Trainer sagt, dass perspektivisch eine 1:45 drin sein könnte und sollte. Ich hätte wahrscheinlich bei den Deutschen Meisterschaften schon etwas schneller laufen können als die 1:49,25. Ich habe in diesem Jahr über alle Distanzen, die ich während der Saison gelaufen bin, neue persönliche Bestzeiten aufgestellt, obwohl ich im letzten Winter Corona hatte und einen längeren Zeitraum keinen Sport machen durfte. In der Rangliste liege ich im Moment auf Platz 16, wobei einige der Athleten vor mir ihren Fokus auf den 1.500 Metern haben, aber trotzdem eine starke Zeit über 800 Meter gelaufen sind.

 

Tim Holzapfel in der Maultaschen-Manufaktur von Edeka Ueltzhöfer.                 
Fotos: Seventyfour.studio

Welche Distanzen läufst du neben den 800 Metern noch?
Tim Holzapfel: In diesem Jahr bin ich 100, 200, 400, 800 und 1.000 Meter gelaufen. Bei Meisterschaften mache ich allerdings nur die 800 Meter. Die ganzen anderen Distanzen laufe ich nur bei anderen Wettkämpfen. Beispielsweise bin ich in diesem Jahr bei einem Sportfest in Neckarsulm 100, 200 und 400 Meter gelaufen.

Wie viel Stunden trainierst du in der Woche?
Tim Holzapfel: Während der Saison trainiere ich ungefähr 20 Stunden. Im Sommer sind das sechs bis sieben Einheiten in der Woche. Im Winter sind es dann eher neun oder zehn. Ich versuche sechs Tage die Woche zu trainieren und einen Tag zur Belastungssteuerung zu nutzen. Ich habe am Ende der Saison vier Wochen lang keinen festen Trainingsplan und gehe immer laufen, wenn ich Lust habe. Das ist auch gut, weil ich dann mal abschalten kann. Ansonsten trainiere ich immer nach einem festen Plan. In der Saison ist mein ganzer Tagesablauf an den Sport angepasst. Ich rechne an Trainingstagen immer schon zurück, damit ich vier Stunden vor dem Training Mittagessen kann, so dass ich mich gut fühle, wenn ich trainieren gehe. Gleiches gilt fürs Aufstehen und meine Frühstückszeit.

Das ist schon ein sehr großer zeitlicher Aufwand. Wie bekommst du deine sportliche und berufliche Karriere unter einen Hut?
Tim Holzapfel: Ich habe gerade meinen Master als Wirtschaftsingenieur abgeschlossen und befinde mich auf Jobsuche. Während des Masterstudiums lag der Fokus mehr auf dem Studium als auf dem Sport. Mein Studium hat in der Woche oftmals 40 Stunden in Anspruch genommen, wodurch ich den Sport komplett in meine Freizeit integrieren musste. Das will ich jetzt ändern und versuche mein Leben um den Sport herum zu legen. Deshalb suche ich auch nur eine Stelle für 20 Stunden in der Woche, damit ich ausreichend Regenerationszeit bekomme und etwas mehr Freizeit habe als zuvor. Es klingt vielleicht doof, aber Sportler, die nicht darauf angewiesen sind außerhalb des Sports Geld zu verdienen, haben schon einen Vorteil, da der Körper am besten regeneriert, wenn er nichts tun muss. Auch das Arbeiten verlangsamt die Erholung des Körpers. Vor allem bei Einheiten, die auch neuronal extrem fordernd gewesen sind, sollte man eigentlich einige Stunden nichts tun, um gut zu regenerieren.

Unterstützen die Arbeitgeber das Vorhaben?
Tim Holzapfel: Tatsächlich kommt da viel positives Feedback. Wir sind zurzeit zum Glück auf einem Arbeitnehmermarkt und Unternehmen suchen qualifizierte Mitarbeiter. Ich gehe initiativ auf die Unternehmen zu, biete mich an und fast jeder Betrieb möchte mich einstellen.

Erhältst du finanzielle Unterstützung durch den Verband?
Tim Holzapfel: Ich bekomme eigentlich nichts. Da ich mittlerweile im Landeskader bin, habe ich Zugang zum Stützpunkt in Stuttgart und kann mit ins Trainingslager nach Portugal reisen. Dafür bekomme ich einen kleinen Zuschuss. Das sind vermutlich etwa 100 Euro. Der Job ist deshalb wichtig für mich, da ich mich so selbst finanzieren kann.

Ein weiterer wichtiger Punkt für Leistungssportler ist Ernährung. Hast du einen festen Ernährungsplan?
Tim Holzapfel: Bisher hat das Thema Ernährung eine nebensächliche Rolle in meinem Leben gespielt. Ich esse das, worauf ich Lust habe. Es ist bei mir aber so, dass ich mich grundsätzlich gesund ernähre und Süßigkeiten gar nicht so gerne mag. Ich ernähre mich seit zehn Jahren fast ausschließlich vegetarisch und habe auch mal einen Monat vegane Ernährung ausprobiert. Da habe ich allerdings sehr schnell festgestellt, dass mir bei der veganen Ernährung etwas fehlt. Ich komme bisher komplett ohne Nahrungsergänzungsmittel aus und habe das Gefühl, dass mein Körper die Speicher durch eine ausgewogene Ernährung ausreichend füllen kann. Mautaschen tragen auch ihren Anteil dazu bei (lacht).