Sebastian Heymann: „Mein Körper hat eine WM-Teilnahme nicht zugelassen“

Nach seinem Kreuzbandriss im Herbst 2019 ist Sebastian Heymann stärker denn je in die Handball-Bundesliga zurückgekehrt. Mit einem Schnitt von über vier Toren pro Spiel und einer Wurfquote von über 70 Prozent ist der in Diensten von FRISCH AUF! Göppingen stehende 23-Jährige einer der Topspieler der Liga. Doch obwohl er sich in der Liga von Spieltag zu Spieltag in Topform präsentiert, verzichtete der linke Rückraumspieler im Januar freiwillig auf eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Ägypten. Ralf Scherlinzky und Enny Bayer haben sich mit dem dreifachen Nationalspieler über seinen WM-Verzicht, Geisterspiele und die Corona-Maßnahmen unterhalten.

Fotos: FRISCH AUF! Göppingen

Autor: Ralf Scherlinzky

3. März 2021

Wenn ein junger Spieler freiwillig auf seine erste Teilnahme an einer Weltmeisterschaft verzichtet, muss dies einen triftigen Grund haben. Woran lag es, dass du dem Bundestrainer für das Turnier abgesagt hast?

Sebastian Heymann: Mein Körper hat eine Teilnahme schlichtweg noch nicht zugelassen. Ich hatte erst im Oktober grünes Licht zum Spielen bekommen, und dann ging es gleich Schlag auf Schlag. Mein Trainer hat mir von Anfang an schon mehr Spielzeit gegeben als ich es erwartet hatte und ich habe für den Stand, auf dem mein Knie zu diesem Zeitpunkt war, sehr gut abgeliefert. In Absprache mit meinem Verein und dem Bundestrainer hatten wir aber von Anfang an im Hinblick auf die WM gesagt, dass ich nur mitkomme, wenn ich mir ein solches Turnier mental und körperlich auch wirklich zutraue. Bei der WM hätten wir alle zwei Tage ein Spiel gehabt und das hat vor allem mein Kopf noch nicht zugelassen. Ich wäre für die Mannschaft keine große Hilfe gewesen und bin da dann Sportsmann genug, um einem anderen Spieler die Chance zu geben.

Schwergefallen ist dir die Absage dann aber doch…

Sebastian Heymann: Ja natürlich. Von solchen Turnieren träumt jeder Handballer. Die Erlebnisse von meinem ersten A-Länderspiel mit dem Adler auf der Brust und dem Mitsingen der Nationalhymne haben mich die ganze Reha hindurch angetrieben, damit ich möglichst schnell auch wieder für die Nationalmannschaft fit bin. Aber ich musste mir einfach eingestehen, dass ich das hohe Pensum noch nicht mitgehen konnte. Ich bin schweren Herzens einen kleinen Schritt zurück gegangen, um schon bald einen großen Schritt nach vorne zu machen. Die Teilnahme an großen Turnieren wird immer mein Ziel sein.

Du sprichst von den Olympischen Spielen in Tokio?

Sebastian Heymann: Erstmal spreche ich von den Olympia-Qualifikationsspielen im März, auf die ich hinarbeite. Wir müssen erstmal dort erfolgreich sein, um über die Olympischen Spiele sprechen zu können. Wenn die Spiele stattfinden und wir es dorthin schaffen, werden wir mit einer schlagkräftigen Truppe an den Start gehen – da bin ich sicher. Wir haben uns euer Heimspiel gegen den Bergischen HC in der EWS Arena angeschaut.

Wenn man die Halle zuvor als ausverkaufte „Hölle Süd“ erlebt hat, treiben einem die leeren Ränge fast schon Tränen in die Augen. Wie geht man als Spieler mit der Geisterkulisse um?

Sebastian Heymann: Gerade bei uns in Göppingen machen die Fans normalerweise nochmal ein paar extra Prozent aus. Diese wahnsinnige Stimmung fehlt uns schon enorm. Dafür freuen wir uns umso mehr, dass uns wenigstens unsere Helfer mit ihren Trommeln anfeuern können. Ohne sie könnten wir unsere Spiele schon von Haus aus nicht austragen, und jetzt sind sie noch viel wertvoller für das Team. An dieser Stelle herzlichen Dank an jeden Einzelnen von euch dafür, dass ihr für uns da seid!

Die Tatsache, dass keine Fans zu den Spielen kommen dürfen, ist ja nur ein Teil des Sicherheitskonzeptes, das einen Spielbetrieb in der Handball- Bundesliga möglich macht. Wie weit seid ihr als Spieler eingeschränkt?

Sebastian Heymann: Ich verlasse meine Wohnung nur zum Training, zur Behandlung beim Physio und zum Einkaufen. Ganz selten sehe ich noch meine Freundin oder meine Eltern – alle anderen sozialen Kontakte sind komplett heruntergefahren. Meine Kumpels habe ich schon ewig nicht mehr getroffen. Das geht jedem von uns so und alle halten sich zu hundert Prozent an die Vorgaben. Denn wir sind froh, dass wir spielen, dass wir unserer Leidenschaft und unserem Beruf nachgehen können. Keiner möchte derjenige sein, der das Virus womöglich ins Team einschleppt. Bis jetzt klappt das sehr gut und wir mussten nur ein Spiel verschieben, weil beim Gegner ein Spieler falsch positiv getestet worden war. Außerdem werden wir ja auch zweimal pro Woche getestet. Wir hoffen einfach, dass wir das Virus durch die Impfungen vollends in den Griff bekommen und in der nächsten Saison wieder vor Zuschauern spielen können.