Natalie Rothenbächer: „Nach der WM bin ich jetzt erst recht motiviert!“

Rollkunstlauf ist in Heilbronn traditionell eine der erfolgreichsten Sportarten, der REV Heilbronn ist seit 1958 einer der deutschen Rollkunstlauf-Vereine mit den meisten Weltmeistertiteln. Nachdem zuletzt der sechsfache Weltmeister Markus Lell seine Rollschuhe an den Nagel gehängt hat, schien hier jedoch eine Lücke zu entstehen – doch diese könnte über kurz oder lang Natalie Rothenbächer füllen. Nach dem Gewinn der Süddeutschen und der Deutschen Juniorenmeisterschaft 2018 belegte die 17-jährige Gymnasiastin den sechsten Platz bei der Junioren-Europameisterschaft und wurde – für sie selbst überraschend – für die Weltmeisterschaft der Juniorinnen nominiert. Wir haben die sympathische Sontheimerin beim Training im Rollsportstadion getroffen, um sie unseren Lesern vorzustellen…

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

2. Oktober 2018

Weltmeister Markus Lell über Natallie Rothenbächer 

„Natalie ist erst recht spät eingestiegen und dafür schon sehr weit gekommen – davor habe ich großen Respekt und es zeigt, welches Talent in ihr steckt. Sie ist sehr motiviert und ehrgeizig, nur ihren Ehrgeiz muss sie ab und zu noch ein bisschen bremsen. Ihr stehen im Sport alle Möglichkeiten offen. Wie weit sie tatsächlich kommt, hängt dann auch von Faktoren wie Schule, Studium und Arbeit ab. Ich wünsche Natalie das Beste, damit sie ihre Ziele erreicht.“

Anfang Oktober warst du zum ersten Mal bei einer Weltmeisterschaft dabei. Wie war es für dich? Welche Erfahrungen nimmst du mit?
Natalie Rothenbächer: Ich bin 21. von 29 geworden und es hätte besser laufen können. Nach der Kurzkür stand ich auf Platz 18, aber ich bin dann unerwartet durch zwei etwas dumme Fehler noch nach hinten gerutscht. Aber die Erfahrungen, die ich da machen durfte, waren auf jeden Fall viel wert. Vielleicht bekomme ich ja in Zukunft nochmal die Chance bei einer WM zu laufen und es besser zu machen. Ich bin jetzt in jedem Fall erst recht motiviert!

Süddeutsche und Deutsche Meisterin, EM-Sechste und jetzt die WM-Teilnahme – läuft bei dir in diesem Jahr, oder?
Natalie Rothenbächer: Ja, irgendwie schon. Die drei Jahre zuvor waren aber alles andere als gut gelaufen. Ich war zwar immer im Kader, aber die Umstellung von 2- auf 3-fache Sprünge ist mir schwer gefallen. Meine Konkurrenz hatte die schon drauf und ich tat mich schwer damit und habe mich auch immer recht unsicher gefühlt. In diesem Jahr war es dann anders. Die Saison beginnt immer mit dem Deutschlandpokal in Freiburg. Dort ist es für mich gleich richtig gut gelaufen, und dann geht man ganz anders in die Saison rein, mit viel mehr Selbstvertrauen.

Wie startet man dann in so eine EM oder WM? Nimmst du dir eine gewisse Platzierung vor?
Natalie Rothenbächer: Bei den Platzierungen erwarte ich generell eigentlich noch nicht viel. Bei der EM trete ich gegen Italienerinnen, Spanierinnen und Portugiesinnen an, bei denen der Rollkunstlauf einen ganz anderen Stellenwert hat als bei uns. Ich kenne Sportlerinnen aus diesen Ländern, die nicht mal Englisch können. Dort wird teilweise einfach kein so großer Wert auf die Schule gelegt, da sie später als Trainer weit mehr verdienen können als in einem normalen Beruf. Deshalb gibt es in diesen Ländern eine riesige Auswahl an guten Läuferinnen, während wir in Deutschland in einem Jahrgang vielleicht drei gute haben. Bei der WM kommen dann noch die starken Südamerikanerinnen dazu, da wird es extrem schwierig auf eine bestimmte Platzierung zu laufen.

Wir haben dich heute beim Training beobachtet und waren fasziniert, mit welcher Geduld du wieder und wieder den gleichen Sprung geübt hast, dabei gestürzt und wieder aufgestanden bist, nur um ihn dann beim nächsten Mal wieder besser zu machen. Wie oft läufst du solche Teile bis sie wirklich sitzen?
Natalie Rothenbächer: Da kann ich keine bestimmte Zahl sagen. Es treten jeden Tag wieder neue Fehler auf, die am Tag davor noch nicht da waren. Einmal macht der Arm was anderes, einmal kann man nicht so hoch springen wie am Tag davor. Das muss man akzeptieren und weiter daran arbeiten, um die Fehler zu minimieren. Deshalb laufe ich im Training nur selten die komplette Kür. Ich muss immer Teile davon laufen und versuchen, diese von Tag zu Tag mehr zu optimieren.

Bis auf den Dienstag hast du jeden Tag zwischen eineinhalb und drei Stunden Training und auf deinem Trainingsplan findet sich auch dreimal in der Woche ein einstündiges Athletiktraining. Bei Rollkunstlauf denkt der Außenstehende nicht unbedingt sofort an Athletik…
Natalie Rothenbächer: Athletik und Kondition werden tatsächlich immer wichtiger, um mit der Konkurrenz mithalten zu können. Früher wurde das im Rollkunstlauf fast gar nicht trainiert, heute ist es aber nicht mehr wegzudenken.

Bleibt da noch Zeit für Dinge, die andere 17-Jährige machen? Zum Beispiel für die Schule…
Natalie Rothenbächer: Ich mache im Frühjahr 2019 mein Abitur am Mönchsee-Gymnasium, insofern muss die Zeit da sein. Manchmal stoße ich schon an meine Grenzen, was Zeit und Schlaf angeht. Aber wenn es mir zu viel wird, lasse ich auch mal ein Training ausfallen. Wenn, wie bei der WM jetzt, Wettkämpfe außerhalb der Ferien anstehen, werde ich auch mal von der Schule freigestellt, muss dann aber natürlich alles nachholen. Aber Leistungssportler leben in der Schule von ihrer Disziplin beim Sport. Ich habe noch keinen kennengelernt, der in der Schule grottenschlecht war.

Wie sehen deine Ziele aus?
Natalie Rothenbächer: An vorderster Stelle steht jetzt erstmal das Abitur. Langfristig träume ich davon, dass ich mal als deutsche Vertreterin zu den Worldgames geschickt werde. Ein WM-Titel dagegen ist eher unrealistisch, da die internationale Konkurrenz einfach zu gut ist.