Markus Lell – Ein ganz großer verlässt die Heilbronner Sportbühne

Am 26. Oktober 2017 war offiziell Schluss für den international wohl erfolgreichsten Heilbronner Sportler der letzten 30 Jahre. An diesem Donnerstag im Herbst wurde der sechsfache Rollkunstlauf-Weltmeister Markus Lell zusammen mit seiner langjährigen Trainerin Klaudia Rieger-Katzmaier von seinem Verein REV Heilbronn in den Ruhestand verabschiedet. Wir haben uns mit dem einstigen Erfolgsduo kurz vor Weihnachten auf dem Heilbronner Weihnachtsmarkt getroffen, um noch einmal einen Rückblick auf die lange Karriere des 26-Jährigen zu werfen – und haben dabei einige unterhaltsame Anekdoten aus dem Erinnerungs-Schatzkästchen der beiden „Rollsport-Rentner“ gehört, die wir den sportheilbronn-Lesern nicht vorenthalten wollen… 😉

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

16. Januar 2018

„Dass mir ohne den Rollkunstlauf nichts fehlt, kann ich nicht sagen“, lacht Markus Lell zu Beginn unseres Gesprächs entspannt, fügt dann aber hinzu, dass er weiterhin regelmäßig auf der Rollschuhbahn ist und Training gibt. „Aber wenn man am Montag oder Freitag abends um 18 Uhr nicht mehr unbedingt zum Training aus dem Haus muss, dann ist das schon ein gewisser Luxus, den ich bisher nicht hatte.“

Auch Klaudia Rieger-Katzmaier gibt zu, dass ihr ohne das regelmäßige Training mit ihrem bisherigen Schützling etwas fehlt. „Aber es würde mir mehr fehlen, wenn ich wüsste, dass Markus ohne mich weitermacht.“

Seit 2003 haben die beiden zusammengearbeitet, sind gemeinsam durch dick und dünn gegangen. „Markus war damals ein 13-jähriges Büble“, erinnert sich die Trainerin. „Ich wurde gefragt, ob ich ihn von seiner bisherigen Trainerin Gudrun Hartmann übernehmen möchte. Ich habe zwar gleich zugesagt, habe am nächsten Tag aber bei seiner Mutter angerufen, um wieder abzusagen. Alle haben sein Talent gesehen und ich habe es mir nicht wirklich zugetraut, dem Talent gerecht zu werden. Dagmar Lell hat mir dann aber gut zugeredet, damit ich es zumindest probiere – und irgendwie hat es dann doch ganz gut geklappt.“

Dabei wäre die Karriere von Markus Lell beinahe schon zu Ende gewesen, bevor sie überhaupt richtig ins Rollen kam. „Bei meinem ersten Auftritt als Kind wollte ich nicht vor die ganzen Leute rausgehen“, schmunzelt der Informatik-Student. „Nach viel gutem Zureden habe ich mich dann doch getraut, aber nur unter der Bedingung, dass meine Trainerin die ganze Kür voraus läuft und ich ihr hinterher rolle. Das hatte mir alles irgendwie nicht gefallen und ich habe erstmal aufgehört. Irgendwann hat es mich dann aber doch wieder gejuckt und ich bin wieder ins Training eingestiegen. Das war dann wohl eine gute Entscheidung.“

Mit dem Beginn der Zusammenarbeit mit Klaudia Rieger-Katzmaier kamen dann auch die ersten ganz großen internationalen Erfolge, nachdem Gudrun Hartmann in den ersten Jahren bereits die Grundlagen gelegt hatte. „Daran hatte Klaudi einen großen Anteil, denn sie ist immer auf mich eingegangen und die Chemie hat einfach gestimmt. Wäre sie gekommen mit ‚du musst dies und das machen‘, dann hätte ich vermutlich schnell wieder aufgehört.“

„Markus war immer sehr sensibel“, bestätigt die 49-Jährige. „Ich habe recht schnell ein Gespür dafür entwickelt, wann man ihn am besten in Ruhe lässt. Das Wichtigste war bei den Wettkämpfen, dass man einfach da war. Meist war ich aufgeregter als er selbst, aber ich habe immer versucht, nach außen cool zu wirken.“

„So ganz ist dir das aber nicht gelungen“, frotzelt der Neckargartacher, stimmt aber gleich zu, dass ihm die Anwesenheit seiner Trainerin immer die nötige Kraft gegeben hat, damit er auf den Punkt genau konzentriert war. Einmal, so erinnert sich Klaudia Rieger-Katzmaier, war jedoch alles schief gegangen, was schief gehen konnte: „Weißt du noch, das war bei der Württembergischen Meisterschaft in Winnenden. Da war beim Einlaufen jeder Sprung super, doch als es dann gezählt hat, bist du vom Anfang bis zum Ende bei jedem Sprung gestürzt oder warst mit der Hand auf dem Boden. Das war aber glaub ich das einzige Mal, wo du nicht auf den Punkt genau deine Leistung gebracht hast.“

Bei unserer Frage nach dem Highlight aus all den Jahren antworten beide wie aus der Pistole geschossen „Freiburg 2009“ – der Gewinn des ersten Weltmeistertitels, und das auch noch vor eigenem Publikum. „Ich hab so geheult, als ich auf die Anzeigetafel geschaut habe, da ist alles von mir abgefallen, denn er hatte davor arge Probleme mit seinem Rücken und wir hatten nicht gewusst, ob er seine Kür überhaupt durchziehen kann“, erinnert sich Klaudia Rieger-Katzmaier an das überwältigende Gefühl damals.

Doch auch die vielen Reisen, die fremden Kulturen und die vielen neuen Freundschaften gehören für Markus Lell zu den Highlights seiner Karriere. „Wir waren alle wie eine kleine Familie. Dadurch, dass es bei uns im Rollkunstlauf nicht ums Finanzielle geht, sind Freundschaften wichtiger als Konkurrenzkämpfe. Man freut sich für den Anderen und leidet gemeinsam.“

Wieviele Titel und Pokale hat Markus Lell eigentlich über seine gesamte Laufbahn gewonnen? „Da habe ich nicht mitgezählt. Weltmeisterschaften waren es wohl sechs. Ansonsten irgendwie jedes Jahr die Deutsche Meisterschaft. So 30 oder 40 Titel müssten es schon gewesen sein“, reflektiert er verlegen. Einfach in der Pokalvitrine nachzuzählen, bringt im Fall von Markus Lell auch nichts: „Im Keller gibt es einen Schrank, der überquillt, und ein paar Pokale stehen in der Küche.“

Einen Ehrenplatz dagegen hat der goldene Rollschuh, den er von seiner Trainerin im Oktober als Abschiedsgeschenk überreicht bekommen hatte. Im Gegenzug bekam Klaudia Rieger-Katzmaier von ihrem Schützling ein selbstgemaltes Banner geschenkt. „Das ist eine Insider-Sache“, plaudert sie aus dem Nähkästchen. „Immer wenn ich nicht bei den großen Wettbewerben dabei sein konnte, habe ich für Markus ein Plakat oder eine Leinwand mit dem Emblem des Wettbewerbs und seiner Platzierung gemalt. Meist bin ich dann an den Flughafen gefahren und habe ihn damit empfangen. Deshalb war das Banner von ihm jetzt ein ganz besonderes Geschenk für mich.“

Ob die beiden zum Abschluss unserer Runde auf dem Weihnachtsmarkt noch eine besonders lustige Anekdote auf Lager haben, fragen wir beim letzten Schluck aus der Glühwein-Tasse. Auch hier braucht sich das Erfolgsteam nicht extra abzustimmen. „Das Zimmer in Novara 2016“, lachen beide gleichzeitig los, ehe es aus Klaudia Rieger-Katzmaier heraus sprudelt: „Da hatte uns der Verband unwissentlich in einem Stundenhotel untergebracht. Markus war im Tigerzimmer mit rundem Bett und Spiegel an der Decke. Die Zimmer hatten Plüschtelefone und alles war voller Spiegel. Und für jedes Zimmer gab es eine extra Garage, damit man inkognito mit dem Auto reinfahren konnte“. Markus Lell ergänzt schmunzelnd, dass das Hotel für das, was es war, „echt deluxe“ gewesen sei.

Für eine weitere Anekdote sorgten vor einigen Jahren tropische Regenfälle in Brasilien. „Da hat es stundenlang geschüttet und der Wettkampf musste verschoben werden. Klaudi war zuhause in Deutschland und hat vergeblich auf den Livestream gewartet“, erinnert sich Markus Lell, und Klaudia Rieger-Katzmaier ergänzt, dass sie „mitten in der Nacht wie eine Gestörte“ von Talheim zu Familie Lell nach Neckargartach gerast sei, weil sie „dachte, mein Internet spinnt wieder“.

Die Auflösung folgte drei Stunden später, als der Livestream dann doch noch begann und sie gemeinsam mit Markus‘ Eltern einen Wettbewerb anschaute, in dem die Läufer um Handtücher herumfahren mussten, die zum Aufsaugen der Wassermassen auf der Bahn gelegen waren. „Das war schon legendär“, grinst Markus Lell.

Auch wenn es künftig keine solchen gemeinsamen Momente geben wird, bleiben beide dennoch in engem Kontakt. „Das war ja nicht nur eine Zweckgemeinschaft, sondern ist eine echte Freundschaft“, so Markus Lell.

Wir wünschen den beiden „Rollkunstlauf-Rentnern“ alles Gute!