Hochsprung Heilbronn – Weltklasse in der Heilbronner City

Heilbronn hat ein neues Weltklasse-Sportevent – und das auch noch mitten in der Innenstadt. Was bereits im Frühjahr 2019 für 2020 angekündigt worden war und aufgrund der Corona-Pandemie mehrfach verschoben werden musste, konnte am 5. und 6. August 2023 nun endlich stattfinden: das Heilbronner Hochsprungmeeting auf dem Marktplatz. An den beiden Tagen erlebten die jeweils rund 1.000 Zuschauer nicht nur die Weltelite des Hochsprungs, sondern auch zwei verschiedene Jahreszeiten. War es samstags beim Springen der Frauen noch Sommer, so hatten die Männer am Tag darauf spätherbstliche Bedingungen bei strömendem Regen und 16 Grad.

Die SPORTHEILBRONN-Redaktion war an beiden Tagen vor Ort und wirft nun mit etwas Abstand gemeinsam mit Oliver Blumenstock vom Trägerverein Internationales Hochsprungmeeting Heilbronn einen Blick zurück auf das Großevent.

Autor: Ralf Scherlinzky

13. November 2023

Sensationelles Setting vor dem Heilbronner Rathaus. Fotos: Thomas Kircher

Oliver Blumenstock (Mitte), Thomas Mohn (links) und Rosemarie Just-Espert vom Organisationsteam

„Die Veranstaltung war der absolute Hammer. Wir hatten in den Monaten davor jede freie Minute dazu genutzt, das Hochsprungmeeting akribisch bis ins Detail zu planen. Es gab Aufs und Abs, wir waren im einen Moment euphorisch und im anderen voller Zweifel. Aber wir haben es durchgezogen und ein Event auf die Beine gestellt, das es in dieser Form in Heilbronn noch nie gegeben hat“, sprudelt es aus Oliver Blumenstock heraus.

„Wir“ – das ist das sechsköpfige Organisationsteam, bestehend aus Rosemarie Just-Espert, Thomas Mohn, Andreas Werner, Niki See-thaler, Jacob Denzel und Oliver Blumenstock. Das Sextett hatte in der Vergangenheit bereits beim Hochsprungmeeting in Eberstadt tragende Rollen hinter den Kulissen inne und konnte deshalb schon auf viel Erfahrung zurückgreifen.

„Das war jetzt aber nochmal eine ganz andere Hausnummer als in der Helferrolle damals in Eberstadt. Denn jetzt stehen wir plötzlich in vorderster Reihe und halten den Kopf hin, falls etwas schiefgeht“, berichtet Oliver Blumenstock.

Innerhalb von fünf Tagen wurde der Heilbronner Marktplatz in ein Hochsprungstadion verwandelt. Neben dem Rathaus und zur Kaiserstraße hin schossen Tribünen für rund 1.500 Zuschauer aus dem Boden, aus der Schweiz wurde der Untergrund für Anlauf und Absprung angeliefert und etwas erhöht über dem Kopfsteinpflaster angebracht. „Das war absolute Maßarbeit“, weiß Oliver Blumenstock. „Jacob Denzel hat alles per CAD konstruiert, so dass Tribünen, Anlaufbahn und Matte exakt zwischen Rathaus, Robert-Mayer-Denkmal und den Bäumen eingepasst werden konnten. Da ging es zum Teil schon um Zentimeter und am Ende hat tatsächlich alles haargenau gepasst.“

Wer in den ersten August-Tagen am Marktplatz vorbeikam, blieb unweigerlich staunend stehen. „Auch Oberbürgermeister Harry Mergel hat Bauklötze gestaunt, was da auf seiner ‚Terrasse‘ direkt unterhalb seines Amtszimmers entsteht“, grinst Oliver Blumenstock.

War der Vorverkauf für das Event aufgrund der herbstlichen Verhältnisse während der Woche noch relativ schleppend gelaufen, so hatten die Helfer der ausrichtenden TSG Heilbronn am ersten Veranstaltungstag an der Tageskasse alle Hände voll zu tun. Der Himmel über Heilbronn hatte rechtzeitig aufgeklart, um perfekte sommerliche Bedingungen für das Springen der Frauen zu bieten.

Rund 1.000 Zuschauer sorgten zwischen Rathaus, Kilianskirche und Käthchenhaus für eine Hexenkessel-Atmosphäre, die die Sportlerinnen regelrecht aufsaugten. „Das war eine so fantastische Atmosphäre mit all den Zuschauern quasi direkt neben der Anlaufbahn. Es hat unheimlich Spaß gemacht, in Heilbronn zu springen“, schwärmte Eleanor Patterson. Die Weltmeisterin von 2022 entschied den Wettbewerb der Frauen mit übersprungenen 1,95 Metern vor der höhengleichen Slowenin Lia Apostolovski und der Engländern Morgan Lake für sich.

Dabei ließ sich die Australierin auch nicht von den Glocken der Kilianskirche aus dem Konzept bringen, die pünktlich um 15 Uhr den Sonntag einläuteten und gefühlt nicht mehr aufhören wollten. „Ach, das war halb so wild. Ich fand das toll, die Glocken hatten einen schönen Klang und haben mich nicht gestört“, grinste Eleanor Patterson, die unter dem Glockenläuten die Höhe 1,83 Meter weit übersprang. „Dass die Glocken jeden Samstag um 15 Uhr anfangen, hatten wir tatsächlich im Vorfeld nicht auf dem Schirm. Dann beginnen wir eben im nächsten Jahr erst um 15.15 Uhr. Das ist kein großes Ding“, sagt Oliver Blumenstock.

Eleanor Patterson (Mitte) gewann das Springen der Frauen vor Lia Apostolovski (rechts) und Morgan Lake (links).

Hält das Wetter für Sonntag oder hält es nicht? Mit bangen Blicken prüften Organisatoren, Sportler und Zuschauer fast im Minutentakt die verschiedensten Wetter-Apps im Hinblick auf die angekündigte Regenfront für Sonntag. Diese kam dann pünktlich zum Start des Wettbewerbs der Männer, als Olympiasieger Gianmarco Tamberi am Anlauf für die Anfangshöhe von 2,10 Metern gestanden hatte. 16 Grad Celsius, Regen und Wind stellten sowohl die Athleten als auch das Publikum auf die Probe. Dennoch harrten die über 900 Zuschauer nicht nur aus, sondern verbreiteten eine solch gute Stimmung, dass sie die Springer trotz der widrigen Bedingungen zu Höchstleistungen peitschten.

La Ola im Regenponcho. Die Zuschauer machten trotz des Regens Party.

Einer jedoch entschied sich sehr früh, nicht mehr ins Geschehen einzugreifen: Gianmarco Tamberi übernahm das Arena-Mikrofon und erklärte dem Publikum, dass er aufgrund der zwei Wochen später stattfindenden Weltmeisterschaft keine Verletzung riskieren wolle. „Ich hatte mich letztes Jahr in Zürich ebenfalls kurz vor der WM im Regen schwer verletzt und bin lange ausgefallen. Das hier wäre eigentlich genau mein Wettkampf gewesen und ich bin in der Form meines Lebens. Aber mir ist das Risiko einfach zu groß“, erklärte der Olympiasieger und erntete dafür von allen Seiten Verständnis. Im Nachhinein muss man sagen: Alles richtig gemacht, Gianmarco – denn der Italiener wurde zwei Wochen später in Budapest Weltmeister.

Sichtlich Spaß hatten dagegen die am Ende klatschnassen Top-Platzierten Hamish Kerr (Neuseeland) und Sanghyeok Woo (Südkorea), die gut gelaunt die 2,30 Meter in Angriff nahmen und die trotz Kälte und Nässe feiernden Zuschauer zur lautstarken Unterstützung animierten. „Beim Warmup hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich heute eine solche Höhe springen kann. Ich war gut drauf, und als es dann richtig eklig wurde, habe ich einfach nicht aufgehört die Veranstaltung und die Fans zu feiern, denn sonst hätte ich realisiert, wie kalt mir eigentlich war“, erklärte Hamish Kerr, der mit übersprungenen 2,28 Metern zum ersten Heilbronn-Sieger wurde.

„Wir hatten echt Angst, dass die Athleten bei dem Sauwetter aus dem Wettkampf aussteigen und die Zuschauer alle heimgehen“, gibt Oliver Blumenstock zu. „Aber die Leute sind mit ihren Jacken und Regenponchos sitzengeblieben und die Sportler haben bis auf Gianmarco, für den wir vollstes Verständnis hatten, alle bis zum Ende durchgezogen. Die Zuschauer haben da draußen auf den Tribünen Party gemacht und mit La Ola Wellen die Sportler gefeiert – das war unglaublich. Rückblickend gesehen hätte uns nichts Besseres passieren können als das Regenwetter.“

Dieses verlieh der Veranstaltung nicht nur einen ganz eigenen Charakter, sondern stellte auch unter Beweis, „dass wir sowohl gutes als auch schlechtes Wetter können.“

Die Organisatoren des Heilbronner Hochsprungmeetings haben abgeliefert. Jetzt sind die Unternehmen der Region in der Pflicht, dieses Event mit internationaler Strahlkraft in der Heilbronner City zu erhalten. Aussagen wie „wir unterstützen lieber Fußball als Leichtathletik“ und „wir wünschen der Veranstaltung trotzdem viel Erfolg“ sollten der Vergangenheit angehören.

Sanghyeok Woos letzter Versuch über 2,30 Meter bei strömendem Regen. Danach streikte wegen der Nässe auch die Kamera unseres Fotografen Thomas Kircher.

Oliver Blumenstock verrät: „Das war finanziell gesehen schon ein Ritt auf der Rasierklinge. Wir sind gerade so null auf null rausgekommen und brauchen für das nächste Jahr unbedingt noch einen weiteren Hauptsponsor. Aber wir sind jetzt natürlich in einer ganz anderen Position, da wir nicht nur davon reden, dass wir machen wollen, sondern Belege dafür haben, dass wir machen können.“

Wenn dir der Olympiasieger den Schirm hält: die SPORTHEILBRONN-Redakteure Lara Auchter und Ralf Scherlinzky mit Gianmarco Tamberi.

Noch läuft der Prozess der Terminfindung für Hochsprung Heilbronn 2024 – ein schwieriges Unterfangen aufgrund des internationalen Sportkalenders des nächsten Jahres. Oliver Blumenstock: „Wir haben im Sommer nicht nur die Olympischen Spiele, sondern auch die Europameisterschaft, sowie die ganzen Diamond League Meetings. Hinten raus in der Saison sind die Springerinnen und Springer in China und den USA. Und dann muss ja auch der Marktplatz frei sein. Ich glaube jetzt nicht wirklich daran, dass wegen uns das Heilbronner Weindorf verschoben wird.“

Vieles deutet darauf hin, dass das Heilbronner Hochsprungmeeting 2024 Mitte Juli stattfinden wird – dann hoffentlich bei besseren äußeren Bedingungen.

Das sechsköpfige Organisationsteam jedenfalls hat nach dem dringend nötigen Sommerurlaub inzwischen bereits mit den Vorarbeiten für die nächste Veranstaltung begonnen. „Das Gute dabei ist, dass wir sämtliche Schritte und Abläufe der Vorbereitung sauber dokumentiert haben. Wir brauchen das Rad also nicht nochmal neu zu erfinden, sondern können uns aufs Optimieren konzentrieren“, so Oliver Blumenstock.

Die Athletinnen und Athleten jedenfalls sind jetzt schon wieder heiß auf Heilbronn. Olympiasieger Gianmarco Tamberi versprach dem Publikum, dass er in jedem Fall im nächsten Jahr wieder springen werde. Hallenweltmeister Sanghyeok Woo kündigte an, dass er nie wieder ein Meeting in Heilbronn verpassen wolle. Und das australische Team hätte am liebsten gleich die Hotelzimmer für 2024 reserviert.

Die Vorfreude ist nicht nur bei den Springern groß. Heilbronn hat ein neues sportliches Highlight, auf dessen zweite Auflage sich alle Sportfreunde der Region freuen können!