Heilbronner Falken: Neues Trainerduo mit NHL-Flair

Mit einem neuen Trainerteam starten die Heilbronner Falken ab dem 1. Oktober in die Saison 2021/22. Nachdem der erfolgreiche Nothelfer Bill Stewart nach dem Ende der letzten Spielzeit wieder zu den Adlern Mannheim zurückgekehrt ist, ließen die Falken zuerst mit der Verpflichtung des 346-fachen NHL- und 70-fachen deutschen Nationalspielers Christoph Schubert (39) als Co-Trainer aufhorchen. Wenig später folgte dann mit Headcoach Jason Morgan (44) ein Name, den selbst die eingefleischten Fans erstmal googeln mussten – um dann gleich zu sehen: Auch wenn er vom unbekannten SC Csíkszereda aus der ersten ungarischen Liga nach Heilbronn wechselt, ist der neue Chef an der Falken-Bande alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Er stand als Spieler nicht nur 44 mal in der National Hockey League (NHL) auf dem Eis, sondern bringt auch die Erfahrung von über 600 Spielen in der American Hockey League (AHL) mit an den Europaplatz. Wir haben die beiden getroffen und festgestellt: Das sind zwei richtig gute Typen, an denen das Heilbronner Eishockey viel Freude haben wird. 

Autor: Ralf Scherlinzky

11. August 2021

Jason Morgan

Christoph Schubert

Jason, Schuby – herzlich willkommen in Heilbronn! Wie kamen eure Wechsel zu den Heilbronner Falken zustande?
Jason Morgan: Ich hatte das deutsche Eishockey schon als Spieler auf dem Schirm und habe 2003 sogar mal einen Vertrag bei den Adlern Mannheim unterschrieben, den ich damals dann aber aufgrund eines Angebots aus der NHL nicht wahrnehmen konnte. Im Sommer hat mich die sportliche Leitung der Heilbronner Falken angesprochen und es gab zwei, drei gemeinsame Gespräche mit Stefan Rapp und Axel Alavaara (Sportmanager der Adler Mannheim). Dann bekam ich das Vertragsangebot für den Job als Headcoach bei den Falken.
Christoph Schubert: Bei mir lief es gerade andersrum, denn ich bin selbst aktiv geworden. Ich habe Falken-Manager Stefan Rapp angeschrieben und wir sind schnell ins Gespräch gekommen. Wir hatten von Anfang an die gleichen Vorstellungen und haben deshalb zusammen alles klar gemacht. Ich freue mich riesig, dass ich hier bin, zumal Jason und ich die gleiche Eishockey-Philosophie teilen.

Kanntet ihr euch vorher schon?
Christoph Schubert: Als wir das erste Mal telefonierten, haben wir festgestellt, dass wir früher in der AHL öfter gegeneinander gespielt haben – ich mit Binghampton und Jason mit Norfolk und Saint John. Obwohl ich über meine Karriere hinweg gegen Tausende von Spielern auf dem Eis gestanden bin, konnte ich mich sofort erinnern, wer Jason ist und welcher Spielertyp er war. Bei diesem Telefonat hat es dann zwischen uns auch gleich Klick gemacht. Die Chemie stimmt also schon mal…

Auf welche Art von Trainer können sich die Spieler der Falken bei euch beiden einstellen? Seid ihr eher Buddy oder General?
Jason Morgan: Ich bin ein eher emotionaler Trainer, aber ich schreie nicht dauernd herum – denn damit verbraucht man nur unnötig Energie und die Spieler hören irgendwann nicht mehr zu. Ich rede oft mit ihnen und erkläre, weshalb sie auf dem Eis bestimmte Dinge tun sollen. Wenn meine Stimme dann beim Spiel mal lauter wird, wissen sie weshalb. Meine Aufgabe ist es Fehler zu minimieren, und um dies zu erreichen, darf man nicht nur tadeln, sondern muss auch loben.
Christoph Schubert: Ich glaube, ich bin der Emotionalere von uns beiden. So ein Eishockeyspiel ist für mich ein Emotionsbolzen. Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich motivierend schreie oder einen Spieler zur Sau machen will. Letzteres macht keinen Sinn, denn wir haben als Team ja ein gemeinsames Ziel. Jason und ich mussten beide noch durch die alte Schule gehen – das brauchst du als Spieler nicht unbedingt.

Was lief in der „alten Schule“ anders als heute?
Christoph Schubert: Du warst als Spieler vor allem in Nordamerika ein austauschbares Produkt. Keiner hat mit dir gesprochen. Entweder die Coaches mochten, was du auf dem Eis gemacht hast, oder sie haben dich einfach auf die Bank gesetzt und beim nächsten Mal nicht mehr aufgestellt. Niemand hat dir gesagt, wie du dich verbessern kannst.
Jason Morgan: In den ersten zehn, zwölf Jahren meiner Karriere hatte ich nie einen Coach, der sich mal mit mir zum Einzelgespräch hingesetzt hat. Du hattest wie eine Maschine zu funktionieren und standest ständig unter Druck. Als dann zum ersten Mal einer unserer Trainer das ganze Team zu sich nach Hause eingeladen hat, waren wir alle total aufgeregt und wussten nicht, wie wir uns verhalten sollten. Das waren dann aber auch genau die Coaches, die einem nachhaltig in Erinnerung geblieben sind – anders als die, die immer nur rumgeschrien haben.

Und trotz der „alten Schule“ habt ihr es beide in die beste Eishockeyliga der Welt, die NHL, geschafft. Wie war das für euch, als ihr gedraftet wurdet?
Christoph Schubert: Marcel Goc, Christian Ehrhoff, Dennis Seidenberg und ich wurden alle im gleichen Jahr gedraftet. Bei Marcel war klar, dass er in der ersten Runde gezogen werden würde. Wir anderen waren aber recht planlos. Christian und ich hatten denselben Agenten, den wir gefragt haben, ob wir zum Draft nach Miami fliegen sollten. Er hat nur mit den Schultern gezuckt und gemeint, wir sollen uns das Geld lieber sparen. Das war 2001, da war das Internet noch ganz neu und man wusste nicht wirklich Bescheid, was drüben so abging. Für den Fall, dass wir gezogen werden, haben Christian und ich Marcel damit beauftragt, unsere Draft-Trikots mit nach Hause zu bringen. Nachdem ich dann von den Ottawa Senators in der vierten Runde gezogen wurde, hat mein Agent einen Anruf bekommen, dass ich für sieben Tage zum Trainigscamp nach Ottawa kommen soll. Als das Camp vorüber war, hieß es „danke, dass du da warst – jetzt kannst du wieder heimfliegen.“
Jason Morgan: Für mich als kanadischen Spieler war das etwas ganz Besonderes. Ich war mit meinen Eltern und meinem Agenten in Edmonton und habe den Draft live in der großen Arena miterlebt. Als dann in der vierten Runde mein Name aufgerufen wurde, war das schon eine ganz große Sache für mich.

Und dann wurdest du auch noch ausgerechnet von den Los Angeles Kings gezogen, dem Team des größten Eishockeyspielers aller Zeiten…
Jason Morgan: Das war natürlich der Hammer. All die Jahre als Nachwuchsspieler war Wayne Gretzky mein großes Idol. Allerdings konnte ich leider nur ein paar Wochen mit ihm zusammen trainieren, weil er dann nach St. Louis gewechselt ist. Ein Abend ist dabei besonders in meiner Erinnerung haften geblieben. Wir hatten ein Team Meeting in Hollywood in einer Villa, in deren Pool ein Jahr zuvor eine Szene des Films „True Lies“ mit Arnold Schwarzenegger gedreht worden war. Mein Zimmerkollege Don MacLean und ich sind zum Abendessen gegangen, und da waren nur noch Plätze an einem größeren Tisch frei, an dem Wayne Gretzky saß. Wir haben uns so weit wie möglich von ihm weg auf die andere Seite des Tischs gesetzt, weil wir nicht gewusst hätten, was wir mit ihm reden sollen. Wir waren beide 18 Jahre alt und haben ihn den ganzen Abend nur angestarrt. Das war irgendwie surreal…

Was würdet ihr als die persönlichen Highlights eurer Karrieren ansehen?
Jason Morgan: Da gab es viele, wie zum Beispiel die Meisterschaften in der AHL mit den Saint John Flames. Gemeinsam als Team durch die Playoffs zu marschieren und dann den Cup zu gewinnen, ist immer etwas Besonderes. Natürlich war auch mein erstes NHL-Spiel auswärts bei den Anaheim Ducks ein nachhaltiges Erlebnis, genauso wie meine beiden NHL-Tore gegen John Nabokov von den San Jose Sharks und Nikolai Khabibulin von den Chicago Blackhawks.
Christoph Schubert: Bei mir war das ganz klar die Stanleycup-Finalserie 2007 gegen Anaheim – des war scho geil! Leider haben wir das Finale in fünf Spielen verloren, aber hier dabei gewesen zu sein, war ein riesen Erlebnis. Wir waren seit langen Jahren die erste kanadische Mannschaft, die es ins Finale geschafft hatte, und die Euphorie war überwältigend. Das ging schon los, als wir das Halbfinale in Buffalo gewonnen hatten. Da wurden wir am Flughafen von 10.000 jubelnden Fans empfangen. Als wir dann vor dem ersten Finalheimspiel mit dem Hubschrauber über Ottawa geflogen sind, hast du von oben keine Autos mehr gesehen, sondern nur noch Menschenmassen in roten und weißen Trikots. Diese Bilder werde ich nie vergessen. Und wenn du dann vor dem Spiel unten auf dem Eis stehst und 20.000 Menschen singen die kanadische Nationalhymne, dann vergisst du deine Wurzeln und wirst selbst zum stolzen Kanadier.

Ihr seid in euren Karrieren ja ganz schön herumgekommen. Jason, in deiner Vita als Spieler stehen über 20 verschiedene Teams in Kanada, den USA, Schweden, Österreich und Finnland. Was betrachtest du bei so vielen Stationen als deine Heimat?
Jason Morgan: Ich komme aus Kitchener, Ontario, und meine Frau stammt auch aus dieser Region. Dort haben wir uns kennengelernt und dahin sind wir während meiner Spielerkarriere im Sommer jedes Jahr zurückgekehrt. Als Spieler schaust du immer nach der besten Option und wechselst auch die Vereine, um weiterzukommen. Und wenn du dich irgendwo heimisch fühlst, kann es dennoch jederzeit vorkommen, dass dich dein Team in eine andere Stadt tradet. Selbst wenn du einer Organisation wie den LA Kings angehörst, kannst du für kurze Perioden an drei oder vier Partnerteams in unterschiedlichen Ligen ausgeliehen werden. Da können schnell 20 Teams zusammenkommen. Das ist dann auch der harte Teil des Jobs, vor allem, weil meine Frau und meine drei Kinder meist mit umgezogen sind. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Jetzt ist Heilbronn meine Heimat und meine Frau und ich fühlen uns hier sehr wohl.

Schuby, deine Karriere verlief vergleichsweise ruhig und du bist meist für mehrere Jahre an einem Ort geblieben…
Christoph Schubert: Stimmt, diesen Aspekt habe ich so noch nie betrachtet. Ich hatte tatsächlich immer Glück, dass ich lange bei einem Team bleiben konnte und nicht so oft hin und her geschoben wurde. Ich stamme zwar aus München, meine Heimat ist aber seit zehn Jahren Hamburg. Meine Frau und mein Sohn bleiben dort auch erstmal wohnen, zumal mein Junior in Hamburg zur Schule geht und ich in Heilbronn nur einen Einjahresvertrag habe. Der Plan ist aber schon, dass es hier längerfristig sein soll…

In Hamburg hattest du ja für großes Aufsehen gesorgt, als 2016 das DEL-Team der Freezers einfach ohne Voranmeldung abgemeldet worden war und du eine große Rettungsaktion für den Eishockeystandort Hamburg gestartet hast.
Christoph Schubert: Diese Nachricht hatte uns damals allen den Boden unter den Füßen weggezogen und ich habe gesagt, wenn es auch nur eine Chance von einem Prozent gibt, dass es weitergeht, dann werden wir aktiv. Mit meinen Mitstreitern haben wir eine Lawine losgetreten, die uns fast überfordert hat. Innerhalb von fünf Tagen konnten wir 1,4 Millionen Euro an Spenden sammeln und einen Hauptsponsor für zehn Jahre akquirieren. Leider vergeblich. Ich hatte danach einige Angebote aus der DEL, habe mich aber bewusst dafür entschieden, zu den Hamburg Crocodiles in die Oberliga zu wechseln, um den Eishockey-Standort Hamburg zu erhalten. Die Crocs haben wir in den letzten fünf Jahren auf und neben dem Eis auf die Spur gebracht, und jetzt ist es Zeit, den nächsten Schritt zu gehen – bei den Heilbronner Falken.
Was können die Fans der Falken für die anstehende Saison erwarten?
Jason Morgan: Mein Ziel ist es, täglich aufs Neue erfolgreich zu sein. Ich möchte das nicht an einer bestimmten Tabellenposition festmachen, sondern Spiel für Spiel schauen. Natürlich wird es von jedem Sportler erwartet, dass er sagt er möchte die Meisterschaft holen. Wir wollen jetzt erstmal in die Playoffs, und dann sehen wir weiter…