Daniel Wörz: Reha nach schwerer Schulterverletzung
Mit 14 Jahren hatte Daniel Wörz einst sein Elternhaus verlassen, um sich in Berlin sportlich optimal weiterentwickeln zu können. Mit Erfolg, denn 2018 gewann der Turner der TG Böckingen bei der Junioren-Europameisterschaft im schottischen Glasgow die Bronzemedaille. Doch danach begann für den heute 24-Jährigen eine lange Leidenszeit mit immer wieder neuen, langwierigen Verletzungen, darunter eine schwere Schulterverletzung. Doch Daniel Wörz kämpfte sich jeweils wieder an die deutsche Spitze heran, brachte seine Handgelenksprobleme, Sehnenentzündungen und einen Bandscheibenvorfall hinter sich. Bei der WM-Qualifikation im September 2023 in Heidelberg gab er sein Comeback, belegte Platz sieben im Mehrkampf und wurde am Barren gar Zweiter hinter dem späteren Weltmeister Lukas Dauser. Doch dann wurde es wieder ruhig um den sympathischen Neckargartacher. Grund genug für uns, um mal nachzufragen, wie es ihm aktuell geht…

Autor: Lara Auchter

Daniel Wörz am Rande seines letzten Wettkampfs 2023 in Heidelberg. Fotos: Thomas Kircher (2)
Daniel, in Heilbronn bekommt man irgendwie gar nichts mehr davon mit, wie es dir in Berlin geht. Wie ist die Lage gerade bei dir?
Daniel Wörz: Ich befinde mich momentan in einem sehr langwierigen Reha-Prozess nach einer schweren Schulterverletzung. In letzter Zeit war es sehr ruhig um mich, da ich jetzt über ein Jahr keinen Wettkampf mehr bestritten habe. Mein letzter Wettkampf war 2023 die WM-Qualifikation in Heidelberg. Ich bin vollständig in der Reha und mache ganz leichtes Training, aber ohne meine verletzte Schulter wirklich belasten zu können. Gerade bin ich ein Mix aus müde und frustriert – es ist eine schwierige Situation für mich und ich weiß nicht, wie lange es dauern wird, bis ich wieder gesund bin. Ich bin aber überzeugt, dass ich es schaffen werde und erfolgreich zum Turnsport zurückkehren kann.

Direkt nach der Schulter-OP Anfang 2024. Foto: privat
Kannst du uns etwas über die Verletzung erzählen und was genau bei dir operiert wurde?
Daniel Wörz: Ich bin vor einem Jahr vom Reck gestürzt und habe mir die hintere Schultergelenkskapsel gerissen. Zudem wurde das Labrum, also die Schulterlippe, stark beschädigt. Die Ärzte mussten das Ganze mit drei Metallankern rekonstruieren und die Kapsel wieder nähen. Es ist eine sehr komplizierte Schulterverletzung, die nicht oft vorkommt. Die Ärzte haben mir gesagt, dass sie bisher kaum Erfahrung mit solchen Fällen hatten, weshalb es auch gewisse Unsicherheiten über den Heilungsverlauf gibt.
Wie sind deine bisherigen Reha-Erfahrungen und wie erlebst du die Zeit während des Heilungsprozesses?
Daniel Wörz: Um ehrlich zu sein, war die gesamte Reha bisher eine der härtesten Herausforderungen meines Lebens. Ich hatte zuvor mit einer Bandscheibenverletzung zu kämpfen, die mich auch schon lange aus dem Wettkampfgeschehen rausgehalten hat. Jetzt, nach meiner Schulter-OP, hat sich aber alles um ein Vielfaches komplizierter gestaltet. Die Reha ist sehr lang und zermürbend, und ich musste und muss noch lernen, Geduld zu haben.
Einer der schwierigsten Aspekte deiner Schulterverletzung ist der Verlust deines Platzes im Perspektivkader. Wie gehst du damit um?
Daniel Wörz: Das hatte einen großen Einfluss auf mich und meine Motivation. Es war nicht nur ein Rückschlag in meiner sportlichen Laufbahn, sondern auch ein totaler Einschnitt in mein Leben als Athlet. Ich habe mich immer als Teil der Mannschaft gesehen und plötzlich war ich in einer ganz anderen Position – besonders finanziell. Dort werde ich nun wieder von meinen Eltern unterstützt.
Du hast von Geduld gesprochen, aber wie geht es dir emotional mit diesen Rückschlägen? Gab es Momente, in denen du ans Aufhören gedacht hast?
Daniel Wörz: Ja, das war ein ständiger Begleiter in den letzten Monaten, besonders zuletzt im Dezember. Das war ein harter Monat für mich. Ich ging in die Halle und sah zu, wie meine Trainingspartner arbeiten, während ich nur auf der Seite stehen konnte. Der Gedanke, mit dem Leistungssport aufzuhören, kam tatsächlich auf, auch weil ich für einen kurzen Moment nicht wusste, ob ich mit dem Leistungssport überhaupt weitermachen kann. Aber je länger ich in dieser Situation war, desto mehr reifte der Entschluss, nicht aufzugeben. Ich habe so hart für diesen Sport gearbeitet, und es wäre schade, all das jetzt hinzuschmeißen. Es ist also ein ständiger Kampf, aber ich möchte es mir und meiner Familie beweisen, dass ich zurückkommen kann.
Wie siehst du deine Zukunft im Sport? Hast du dir auch schon Gedanken gemacht, was du nach deiner sportlichen Karriere machen möchtest?
Daniel Wörz: Ich möchte gerne Sportmanagement studieren und auch nach meiner Turnkarriere sportlich aktiv bleiben. Ich kann mir auch das Trainerdasein vorstellen, dann aber nur auf Vereins- oder Jugendebene. Konkrete Pläne habe ich aber noch nicht gemacht. Natürlich hoffe ich, dass ich in der Lage sein werde, ein Comeback zu feiern. Trotzdem ist es natürlich wichtig einen Backup-Plan zu haben und auch langfristig über meine Zukunft nachzudenken.
Gerade herrscht im Turnsport viel Tumult und vor allem der Druck, Leistung bringen zu müssen, steht immer wieder im Vordergrund. Wie siehst du die Situation?
Daniel Wörz: Das Thema Druck im Leistungssport ist fraglos sehr relevant. Man sieht ja, wie sich immer mehr Athleten öffnen und ihre Erfahrungen teilen, was für viele von uns eine enorme Erleichterung sein kann. Es gibt einen massiven Druck, Leistungen zu bringen oder so schnell wie möglich verletzungsfrei zu werden. Gleichzeitig wird aber oft zu wenig geschaut, wie es den Athleten tatsächlich geht. Wir sind Menschen, keine Maschinen, und ich hoffe sehr, dass sich das Bewusstsein und die Unterstützung für die mentale Gesundheit im Sport weiter verbessern wird.
Was kannst du den jüngeren Athleten raten, die ähnliche Erfahrungen mit Verletzungen oder Rückschlägen machen?
Daniel Wörz: Dass sie nie aufgeben sollten. Es gibt immer Hoffnung, dass man wieder zurückkommt und noch mehr Erfolg haben kann. Ich würde auch sagen, dass sie sich zuerst um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden kümmern sollen und nicht zu sehr auf andere hören oder sich zu viel Druck machen lassen. Es ist wichtig, dass sie lernen, mit Frustrationen und Enttäuschungen umzugehen und dass sie sich nicht allein fühlen. Aus jedem Rückschlag nimmt man Erfahrungen mit, die man für den Rest des Lebens nutzen kann.

Daniel Wörz von der TG Böckingen an einem seiner Paradegeräte – dem Barren, noch vor seiner schweren Schulterverletzung.