Daniel Wörz: Aus dem „Tal der Tränen“ zur Bronzemedaille bei der Junioren-EM

Bei der Vorbereitung zur Junioren-Europameisterschaft bricht sich Daniel Wörz beim Aufwärmen den Zeh – am 2. Juli 2018, vier Tage vor den Deutschen Junioren-Meisterschaften und fünf Wochen vor der EM. Sein Start bei der EM ist durch die Verletzung extrem gefährdet, der 18-Jährige ist am Boden zerstört. Doch er beißt auf die Zähne, trainiert entschlossen weiter und darf doch noch mit nach Glasgow fahren. Zwar kann er statt im Mehrkampf nur an vier Geräten antreten, doch schneidet er an drei dieser Geräte als bester Deutscher ab und rutscht als Siebter sogar noch ins Reck-Finale. Dort wächst er über sich hinaus und gewinnt mit einer starken Leistung die Bronzemedaille. Wir haben den in Berlin trainierenden Turner zuhause in Neckargartach zum Interview besucht (besten Dank für das leckere Frühstück, Familie Wörz J) und waren auch beim Empfang seines Vereins TG Böckingen zu seinen Ehren dabei.

Fotos: Minkusimages

Autor: Ralf Scherlinzky

2. Oktober 2018

Daniel, wenn man auf sein Karriere-Highlight hinarbeitet und sich dann kurz davor verletzt – was geht da in einem Sportler vor?
Daniel Wörz: Wenn so etwas kurz vor dem Höhepunkt passiert, ist man am Boden zerstört. Besonders ärgerlich war es in meinem Fall, dass die Verletzung beim Aufwärmen passiert ist. Aber ich hatte gar keine große Zeit mir darüber Gedanken zu machen. Der Senioren-Bundestrainer war an diesem Tag in der Trainingshalle und hat mir knallhart gesagt, ich solle nicht rumflennen, sondern das Beste daraus machen. Dadurch habe ich gar nicht erst den Kopf hängenlassen, sondern habe ab dem nächsten Tag meine EM-Vorbereitung weiter durchgezogen.

Wie, du hast mit einem Zehenbruch weiter trainiert? Das muss ja ungeheuer schmerzhaft sein!
Daniel Wörz: Der Bundestrainer hat mir versichert, dass ich gesetzt sei, wenn ich zur EM wieder landen kann. Ich hatte ja im Vorfeld die ganzen Qualis gewonnen. Also war die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich es doch irgendwie schaffen könnte. Die erste Woche war schon etwas unangenehm, auch weil ich nicht richtig laufen konnte. Aber es war erträglich und ich wollte auch keine Schmerzmittel schlucken. Boden und Sprung konnte ich nicht trainieren, aber an den anderen vier Geräten ging das schon – nur eben ohne die Landung. Eineinhalb Wochen vor der EM ging das dann auch wieder.

Als du in Glasgow angekommen bist, wie war das dann für dich?
Daniel Wörz: Das war absolut beeindruckend. Man hat zwei Tage vor dem Wettkampf ein Podiumstraining, um sich an die Umgebung zu gewöhnen und das richtige Gefühl zu bekommen. Wir haben dort beim Training der Senioren zugeschaut und dachten schon, wow, was für eine riesige Halle. Da geht einem dann schon etwas das Zäpfchen, aber man ist nicht eingeschüchtert, sondern stolz darauf, dass man dabei sein und sich in einer solchen Halle präsentieren darf.

Am Pauschenpferd warst du als Elfter und an den Ringen als 16. bester Deutscher, am Barren gab es einen starken neunten Platz. Und dann kam der Finaleinzug als Siebter am Reck. Wie geht man in so ein Finale. Eher „super, dass ich dabei bin“ oder dann doch „ich will etwas reißen“?
Daniel Wörz: Ich bin da recht locker reingegangen und wusste, dass ich etwas holen kann, wenn ich meine Übung sauber durchturne. Man kennt ja auch die Gegner und weiß in etwa, was sie turnen.

Turnt man da das gleiche Programm wie in der Quali oder muss man noch eine Schippe draufpacken?
Daniel Wörz: Ich habe noch einen Flugteil reingepackt und hatte dadurch einen höheren Ausgangswert als in der Qualifikation. Den hatte ich im Training schon regelmäßig geübt und er ist mir dann auch sehr gut gelungen.

Kann man in der Nacht vor einem solchen Höhepunkt als Athlet eigentlich schlafen?
Daniel Wörz: Ja, das ging recht gut. Man ist am Abend vorher schon etwas aufgeregter als sonst, aber spätestens beim Einturnen war die große Aufregung weg, da konnte ich das Ganze dann genießen. Vor 3.500 Zuschauern turnt man schließlich nicht jeden Tag. Wenn ich in der Bundesliga turne, bin ich nicht weniger aufgeregt.

Wenn du gerade die Bundesliga ansprichst: Wie ist hier eigentlich der Stellenwert gegenüber solchen Einzelwettbewerben mit der Nationalmannschaft? Du turnst ja beim Deutschen Mannschaftsmeister KTV Straubenhardt…
Daniel Wörz: Mir selbst macht die Bundesliga großen Spaß und sie ist auch eine gute Gelegenheit, um etwas Geld dazu zu verdienen. Außerdem kann man in der Bundesliga unter Wettkampfbedingungen neue Dinge ausprobieren. Die Bundestrainer sehen das ein bisschen anders, für die steht der internationale Wettkampf über allem.

Wie sehen deine Ziele für die Zukunft aus?
Daniel Wörz: Ich komme jetzt als Jüngster in den Seniorenbereich. Da wird es am Anfang sehr schwer werden, weil man ja noch viele neue Elemente lernen muss, um mit den etablierten Turnern mitzuhalten. Auf jeden Fall ist es mein Ziel, in ein bis zwei Jahren in Richtung Weltcup zu turnen. Und wenn alles gut läuft, würde ich mich gerne bis in drei, vier Jahren in Richtung Europa- und Weltmeisterschaft qualifizieren.

Ist Olympia ein Ziel?
Daniel Wörz: Natürlich ist das das große Ziel! Aber jetzt schon zu sagen, ich will 2024 dabei sein, wäre vermessen. Man muss schauen, wie es mit Verletzungen aussieht, wie man sich sportlich weiterentwickeln kann. Aber für das Ziel Olympia-Teilnahme werde ich natürlich alles geben.

Mit 18 Jahren bist du ja in einem für Sportler „gefährlichen“ Alter. Prüfungen, Mädels, Ausbildung – es gibt viele Faktoren, die Sportler in deinem Alter zum Aufhören bringen können…
Daniel Wörz: Es wird nicht passieren, dass ich mit dem Turnen aufhöre! Dafür habe ich zu viel investiert, und ich bin nicht so weit gekommen, um alles von einem Tag auf den anderen hinzuschmeißen.

Wie geht es bei dir schulisch weiter? Mit 18 Jahren müsste ja bald das Abitur anstehen…
Daniel Wörz: Wenn alles rund läuft, mache ich 2020 in Berlin mein Abitur. Ich hatte die 9. und 10. Klasse bereits auf drei Jahre gestreckt – das war richtiger Luxus. Da hatte ich am Tag lediglich drei Stunden Schule und hatte auch kaum Hausaufgaben. Jetzt zum Abitur hin ist die Schule auch nochmal von zwei auf drei Jahre gestreckt. Das ist aber auch nötig mit dem vielen Training.

Wie sieht denn dein Tagesablauf im Internat am Olympiastützpunkt Berlin aus?
Daniel Wörz: Mein Tag beginnt um 7.30 Uhr und endet gegen 19.30 Uhr. Zwischendrin habe ich nicht wie andere mal eine Stunde Pause zum Erholen – nur Schule und dann direkt wieder Training. Dann habe ich aber noch keine Hausaufgaben gemacht und gelernt.

Wie sieht es bei dem Stress mit den schulischen Leistungen aus?
Daniel Wörz: Die sind mittelmäßig. Ich war schon früher kein wirklich guter Schüler. Das wird natürlich auch noch erschwert, wenn man wegen Lehrgängen und Wettkämpfen drei Wochen hintereinander nicht in der Schule ist. Da muss man dann unheimlich viel Stoff nachholen und es ist schwierig sich wieder hinein zu finden. Das erfordert einiges an Disziplin.