Aufbruchstimmung im Heilbronner Fussball

Zugegeben, der Fußball wird im sportheilbronn-Magazin aufgrund seiner hohen Präsenz in den Medien meist nur am Rande thematisiert, um stattdessen eine Plattform für die vermeintlichen Randsportarten zu schaffen. Dennoch beobachten wir die Szene natürlich genau – und haben jetzt durch die Aufstiege der Aramäer Heilbronn und des FC Union Heilbronn sowie durch die Neugründung des VfR Heilbronn eine Aufbruchstimmung im Heilbronner Fußball ausgemacht, die wir lange vermisst haben und mit der wir uns in dieser Ausgabe näher befassen.

Fotos: Marcel Tschamke/ Aramäer Heilbronn

Autor: Ralf Scherlinzky

20. Juli 2018

„Fußball“ und „Heilbronn“ – die Kombination dieser beiden Begriffe sorgt bei den Sportfans in der Stadt schon lange nicht mehr für Jubelstürme. Obwohl es in Heilbronn 17 Vereine mit aktiven Fußball-Mannschaften gibt, wird in der Öffentlichkeit meist nur ein Verein wirklich wahrgenommen: der FC Union Heilbronn. Als dieser 2017 von der Bezirks- in die Kreisliga A abgestiegen war, hieß es, der Heilbronner Fußball sei tot – obwohl der Fusionsverein und legitime Nachfolger des traditionsreichen VfR Heilbronn schon lange nicht mehr die sportliche Nummer eins ist. Denn während der FCU im letzten Sommer den Gang in die Neuntklassigkeit antreten musste, jagten mit den Aramäern und dem SV Heilbronn am Leinbach weiterhin zwei andere Heilbronner Vereine in der Bezirksliga dem Ball hinterher.

Jetzt, im Sommer 2018, stellt sich die Situation wieder ganz anders und viel positiver dar. Mit ihrem Aufstieg in die Landesliga haben die Aramäer Heilbronn endgültig den Thron der Nummer eins im Heilbronner Fußball erklommen. Gleichzeitig schaffte der FC Union den direkten Wiederaufstieg und darf sich auf Bezirksliga-Stadtderbys gegen den SV Heilbronn am Leinbach freuen.
Und dann gibt es da seit wenigen Wochen noch einen weiteren Verein, der von den etablierten Fußball-Machern ob seines traditionsreichen Namens momentan noch argwöhnisch beobachtet wird: den VfR Heilbronn.

 

Onur Celik, ehemaliger Spieler des damaligen VfR, hatte vor einigen Monaten die Idee, seine Vorstellungen eines erfolgreichen Fußball-Konzeptes in einem eigenen, neuen Verein umzusetzen – unter dem Namen VfR Heilbronn, der auch heute noch als Synonym für die lange zurückliegenden, besseren Heilbronner Fußball-Tage steht.

„Dass die Gründung des VfR solche Wellen schlägt, hätte ich nicht gedacht“, sagt Onur Celik, der vor allem durch seine Aktivitäten in den Sozialen Medien zahlreiche „Fußball-Romantiker“ auf den Plan rief. „Bei mir melden sich fast täglich Leute, die den VfR unterstützen möchten – sei es als Mitglieder, Helfer, Spieler oder gar als Sponsoren“, so Celik weiter. „Es macht unheimlichen Spaß, mit so vielen motivierten Mitstreitern etwas Neues aufzubauen, und ich freue mich schon riesig darauf, wenn wir unser erstes Spiel in der Kreisliga B im Frankenstadion austragen werden.“

Noch hatte der VfR nicht die Gelegenheit zu beweisen, dass hinter dem Verein mehr als eine gute Marketingstrategie und ein nach Tradition klingender Name steckt. Doch dies wird sich ab September ändern. Onur Celik: „Wir gehen ohne Ziele in unsere erste Saison. Das erste Jahr wird ein Findungsjahr sein. Das Team ist konkurrenzfähig und wir lassen uns überraschen, wo wir am Ende stehen werden.“

Einer, der die Entwicklung des VfR Heilbronn genau beobachtet, ist Günter Major. Das Heilbronner Trainer-Urgestein sieht die ersten beiden Jahre als entscheidend für den jungen Verein an: „Ich finde es toll, dass sich hier Leute zusammengefunden haben, um etwas Neues aufzubauen. Aber das wird ein holpriger Weg und die Verantwortlichen werden einen langen Atem brauchen. Ich wünsche ihnen viel Glück dabei, etwas skeptisch bin ich aber doch.“

Was dem VfR zum Start gänzlich fehlt, sind eigene Nachwuchsmannschaften. Dass der Aufbau des Jugendbereiches eine Herkulesaufgabe ist, weiß Daniel Maroge. Der sportliche Leiter der Aramäer Heilbronn möchte bis in drei Jahren seinen Nachwuchs von drei auf fünf Mannschaften ausbauen, weiß aber auch: „Im Stadtbereich ist es extrem schwierig, neue Kinder für den Verein zu bekommen. Es ist heutzutage einfach nicht mehr so, dass die Kids nach der Schule auf der Straße kicken und dann irgendwann von allein in den Verein gehen.“

Hier zahlen sich beim FC Union die beiden Fusionen (2003 Fusion des VfR Heilbronn mit der Heilbronner SpVgg zum FC Heilbronn, 2012 Fusion des FC Heilbronn mit dem FV Union Böckingen) der jüngeren Vergangenheit aus – der Unterbau mit 14 Nachwuchsmannschaften passt. Mit dem direkten Wiederaufstieg kann der Verein seinen jungen Kickern nun auch wieder eine Perspektive bieten, zumal das Kreisliga-Jahr auch dazu genutzt wurde, den Verein in neue Hände zu übergeben.

Mit Michael Grond ist seit März 2018 ein neuer Vorsitzender in Amt und Würden, der neuen Schwung in den Verein bringt und dem die Worte Marketing und Öffentlichkeitsarbeit nicht fremd sind. „Obwohl meine Vorgänger im finanziellen Bereich gute Arbeit geleistet und die Altschulden des Vereins beträchtlich reduziert haben, wurde in der Außendarstellung vieles versäumt“, so der 55-Jährige. Schon wenige Monate nach seinem Amtsantritt weht ein merklich frischer Wind durch das Stadion am See.

Grond möchte sich mit dem FC Union öffnen. Statt sein eigenes Süppchen zu kochen, sucht er den Dialog mit anderen Vereinen – nicht nur im Fußball, sondern auch in anderen Sportarten. „Ich habe die eine oder andere Vision im Kopf, auf die wir hinarbeiten werden. Aber jetzt stehen erstmal andere Dinge im Vordergrund, denn wir haben eine Bezirksliga-Saison vorzubereiten, in der wir im vorderen Mittelfeld landen wollen.“

Während der FC Union in der Bezirksliga zurück ist, haben sich die Aramäer nach oben in die Landesliga verabschiedet und wurden damit klammheimlich zur alleinigen Nummer eins im Heilbronner Fußball. „Wir sind kein Verein, der sich in den Sozialen Medien zur Nummer eins hochpusht. Wir gehen lieber den sportlichen Weg und überlassen das große Trommeln den anderen“, sagt Daniel Maroge.
Dieser Philosophie mag es auch geschuldet sein, dass der Verein und seine Hintergründe nicht jedem Sportfan in Heilbronn geläufig sind. Daniel Maroge klärt auf: „Die Aramäer sind ein christliches Volk aus dem alten Mesopotamien, das im Krieg sein Land verloren hat. In den 70er-Jahren sind viele Aramäer aus der Türkei, Syrien, dem Irak und Iran nach Deutschland geflohen und sind hier heimisch geworden. Nach dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte aus Heilbronn haben sie sich in der ehemaligen Kasernenkirche mit unserer Gemeinde niedergelassen. Dort wurde dann 1990 unser Sportverein gegründet.“

 

2004 sei man dann erstmals in den Ligabetrieb eingestiegen, so Maroge weiter. „Damals hatten wir 40 Mitglieder, heute sind wir 300.“ Anders als es der Name vermuten lässt, sind die Aramäer im Verein inzwischen in der Minderheit. Daniel Maroge: „In der ersten Mannschaft haben wir nur noch sechs Aramäer, dafür aber neun deutsche Spieler sowie Fußballer aus insgesamt 13 Nationen – und das ist auch gut so. Zwar stehen wir natürlich noch zu unseren Wurzeln, aber wir leben die deutsche Mentalität im Verein und legen großen Wert darauf, mit Spielern aus dem Unterland auf den Platz zu gehen.“
Mit Geld neue Kräfte nach Heilbronn zu locken, um mit deren Hilfe den Klassenerhalt zu schaffen, das passt nicht zu den Aramäern. „Dazu hätten wir gar nicht die Mittel. Wir bieten den Spielern hervorragende Trainingsbedingungen, eine top Ausrüstung und ein familiäres Umfeld. Natürlich gibt es auch eine Aufwandsentschädigung, aber die deckt gerade mal die Unkosten der Spieler. Da unsere Spieler dennoch im Schnitt sechs, sieben Jahre bei uns bleiben, scheint Geld wohl doch nicht das Einzige zu sein, was bei den Fußballern zählt.“

Etwas ruhig war es in der vergangenen Saison um die Bezirksliga-Fußballer des SV Heilbronn am Leinbach 1891. Doch auch vom Frankenbach-Neckargartacher Fusionsverein gibt es Positives zu vermelden: Mit dem frisch gewählten Abteilungsleiter Michael Allinger und dem Jugendleiter Argon Xhaferi stehen zwei neue Kräfte bereit, um die Fußballabteilung weiter zu entwickeln.

Ob die Aramäer in der Landesliga, der FC Union und der SV Heilbronn am Leinbach in der Bezirksliga oder der VfR in der Kreisliga B – die Aufbruchstimmung, die von diesen Vereinen ausgeht, tut dem Heilbronner Fußball nach Jahren der Tristesse mehr als gut. Doch auch für diese Vereine gilt die alte Fußballer-Weisheit: Die Wahrheit liegt auf dem Platz – in der Saison 2018/19.