Thema Vereinsfusionen: Im Ehrenamt eigentlich nicht zu leisten

Vereinsfusionen haben sich in den letzten Jahren zu einem genauso festen wie auch schwierigen Thema im Heilbronner Sport entwickelt. TG Heilbronn und TSG Sontheim zur TSG Heilbronn (2001), VfR Heilbronn und Heilbronner Spvgg zum FC Heilbronn (2003), FC Heilbronn und Union Böckingen zum FC Union Heilbronn (2012), VfL Neckargartach und Spvgg Frankenbach zum SV Heilbronn am Leinbach (2014) – um nur einige zu nennen. Zuletzt wurde im März 2018 der EHC Eisbären Heilbronn in den Heilbronner Eishockeyclub (HEC) integriert. Wir wollten genauer wissen, was die Zusammenlegung zweier Vereine bedeutet und haben uns deshalb im Dezember auf dem Heilbronner Weihnachtsmarkt mit Lars Epple, dem 1. Vorsitzenden des SV Heilbronn am Leinbach, und Sven Breiter, dem ehemaligen 1. Vorsitzenden der Eisbären und jetzigen 3. Vorsitzenden und Jugendvorstand des Heilbronner EC getroffen, um gemeinsam für die Leser des sportheilbronn-Magazins einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

27. Januar 2019

Der Zusammenschluss von Eisbären und HEC liegt jetzt ein dreiviertel Jahr zurück. Wie weit sind die Vereine inzwischen zusammengewachsen?
Sven Breiter: Das Zusammenwachsen ist in vollem Gange und es gibt noch viele Baustellen. Wir versuchen alle Veranstaltungen gemeinsam zu machen – also mit dem Nachwuchs vom HEC sowie mit der Abteilung Eisbären mit der Regionalliga-Mannschaft. So haben wir beispielsweise die Eisbären-Saisoneröffnung gemeinsam mit den Kindern gemacht. Und bei Nachwuchs-Aktionstagen wie „Kids on Ice“ haben wir Spieler des Eisbären-Teams dabei. Die Akzeptanz des Zusammenschlusses ist in Ordnung, eigentlich sogar besser als wir erwartet hatten.

Beim SV Heilbronn am Leinbach liegt die Fusion inzwischen fünf Jahre zurück, ihr hattet aber mit über 2.000 Mitgliedern und zwölf Abteilungen auch wesentlich mehr abzuwickeln als der HEC, zumal es auch noch um die Zusammenführung zweier Stadtteile ging. Wie sieht bei euch die Momentaufnahme aus?
Lars Epple: Bei den jüngeren Mitgliedern ist die Akzeptanz voll da und es gibt auch keine Ressentiments mit Frankenbach und Neckargartach. Aber je älter die Mitglieder sind, desto schwieriger. Man sagt nicht umsonst, dass man alte Bäume nicht mehr verpflanzen kann. Je älter man wird, desto mehr hängt man an Traditionen. Wir wollen diese Mitglieder aber auch zu nichts zwingen und akzeptieren das Festhalten an Traditionen. So gibt es bei unseren Senioren die Vereinbarung, dass sowohl in Neckargartach als auch in Frankenbach eine eigene Senioren-Feier veranstaltet wird.

Wie hat der Arbeitsaufwand des ersten Vorsitzenden am Anfang ausgesehen und wie sehen die Aufgaben nach fünf Jahren aus?
Lars Epple: Am Anfang waren es mindestens drei, vier Stunden täglich. Das ist mit ehrenamtlicher Arbeit eigentlich gar nicht zu leisten, es hat ganz starke Auswirkungen auf das Privatleben und die berufliche Arbeit. Mittlerweile hat sich die tägliche Arbeit für den Verein reduziert, zumal eindeutige Strukturen geschaffen wurden. Außerdem haben wir ein super Team gefunden, das einen Großteil der Arbeit ehrenamtlich zusammen abdeckt. Dafür fließt jetzt viel Zeit in repräsentative Aufgaben.

Als Vorsitzender des SV Heilbronn am Leinbach bin ich in unterschiedlichen Gremien vertreten, zum Beispiel den Ortskartellen von Frankenbach und Neckargartach, dem Stadtverband für Sport und dem Sportausschuss Heilbronn. Dazu muss und möchte ich mich als Vorsitzender natürlich in den zwölf Abteilungen zeigen. Und wenn irgendwo im Verein die Eskalationsstufe schon überreizt ist, werde ich als Vorsitzender eingeschaltet, muss entsprechend mit den Mitgliedern kommunizieren und die Objektivität bewahren. Das ist manchmal eine Herausforderung. Dazu kommen Vorbereitung und Durchführung von Vorstands- und Vereinsratssitzungen, Delegierten- und Mitgliederversammlungen, die Organisation von Mitarbeiter-Fortbildungen und viele andere Dinge.

Beim Heilbronner EC seid ihr vermutlich noch mitten in der von Lars Epple beschriebenen zeitaufwändigen Anfangsphase…
Sven Breiter: Defintiv. Neben meiner beruflichen Tätigkeit als Selbständiger wende ich ehrenamtlich momentan täglich vier bis fünf Stunden für den Verein auf und meine Lebensgefährtin bekommt mich leider viel zu selten zu sehen. Das ist sehr belastend. Mit meinen Vorstandskollegen Kai Sellers und Jan Schablowski sind wir, gemeinsam mit der Jugendleitung und der Eisbären-Abteilungsleitung, immer noch dabei, Strukturen aufzubauen, die es vorher nicht gab und die durch den Zusammenschluss notwendig wurden. Die Abwicklung des Eishallen-Pachtvertrags mit den Stadtwerken hat uns allein knapp sieben Monate gekostet. Dazu kommt, dass Eishockey ein teurer Sport ist und wir uns allein für die Kinder im sechsstelligen Bereich bewegen. Dann sind bei der Sichtung der Unterlagen auch noch Posten aufgetaucht, von denen wir vorher nichts geahnt hatten. Also müssen wir auf der einen Seite neue Einnahmequellen generieren, auf der anderen mit einem sehr spitzen Bleistift arbeiten. Auch der sportliche Bereich muss laufen. Im Bereich der U13- und U15-Mannschaften haben wir leider viele Kinder verloren, da sie mangels einer U17-Mannschaft wenig Perspektive hatten. Hier müssen wir durch gute Arbeit unsere größte Aufgabe angehen: Das Gewinnen von neuen Kindern für den Eishockeysport. Bei den ganz Kleinen ist uns das in den letzten Monaten schon gut gelungen.

Hattet ihr euch den Zusammenschluss so aufwändig und problembehaftet vorgestellt?
Sven Breiter: Wir haben es geahnt. Aber dass es so heftig wird, war dann doch nicht abzusehen. Vom EHC Eisbären her kannte ich eigentlich nur das familiäre Miteinander. Hier ist es jetzt so, dass noch 160 Kinder mit rund 300 Eltern dazukommen. In manchen Altersstufen läuft es super und die Eltern koordinieren die meisten Dinge als Team. Oft ist es dann aber auch so, dass die Dinge eskalieren. Da bekommt man dann zu einem einzigen Vorfall drei Mails mit drei unterschiedlichen Meinungen und muss die Neutralität wahren. Das kann einen neben den anderen Dingen ganz schön fertig machen.

Habt ihr diese Themen beim SV Heilbronn am Leinbach auch? Vorhin war ja auch die Rede von Eskalation…
Lars Epple: Damit muss sich jeder Verein auseinandersetzen. Du hast bei der Jugendarbeit immer Eltern, die sich über ein gesundes Maß hinaus aktiv einmischen. Aber du hast auch genauso Eltern, die sich zurückhalten, weil sie wissen, dass die Arbeit relativ schwierig ist. Deshalb ist eine gewisse Gelassenheit unerlässlich, aber natürlich braucht es auch klare Richtlinien oder Vorgaben. Abwanderungen oder Vereinswechsel gehören leider auch dazu. Wir versuchen, durch qualifizierte Übungsleiter zum einen Jugendliche an den Verein zu binden, zum anderen aber auch neue zu gewinnen. Das Ziel muss sein, jungen Sportlern die Perspektive für einen reibungslosen Übergang in den Aktiven-Bereich zu ermöglichen.

Was braucht man mehr, um eine Vereinsfusion als (Mit-)Verantwortlicher zu begleiten – gute Nerven oder Durchhaltevermögen?
Lars Epple: Sowohl als auch. Man braucht aber noch viel mehr. Betriebswirtschaftliche Kompetenz ist zum Beispiel wichtig, damit man überblicken kann, welche finanziellen Mittel für die Dinge abseits der Sporthallen und Spielfelder zur Verfügung stehen. Auch die sportliche Affinität ist zwingend erforderlich, um beispielsweise die Qualifikation der Trainer und Übungsleiter einschätzen zu können. Es ist schwierig, dies alles in einer Person zu vereinen. Deshalb ist es wichtig, dass es ein Vorstandsteam gibt, das alle nötigen Kompetenzen über mehrere Köpfe vereint.

Eine Frage an euch beide: Würdet ihr den Job nochmal übernehmen?
Sven Breiter: Mit dem heutigen Kenntnisstand vermutlich nicht. Aber ich habe mein Wort gegeben und das halte ich auch. Ich mache es gerne und mit Herz für die Kinder. Außerdem hat mir der Eishockeysport sehr viel gegeben, und das möchte ich zurückzahlen. Ich spiele ja auch selbst noch im Eisbären-Team, was auch eine gute Gelegenheit zur Stressbewältigung ist. Wenn ehrenamtliche Vorstände aber in ihrer Freizeit die ganze Verwaltung und sämtliche Kommunikation selbst machen und dann auch noch wichtige Entscheidungen treffen müssen, dann ist das einfach zu viel.
Lars Epple: Mir geht es ähnlich. Mit dem Kenntnisstand von heute würde ich das Amt in ehrenamtlicher Arbeit wohl nicht mehr annehmen. Als Ehrenamtlicher sind die Aufgaben nebenher nur schwierig erfüllbar. Da bleibt manches im Argen, weil man zeitlich einfach nicht durchkommt. Mit den permanent steigenden Anforderungen von Mitgliedern, Eltern und den weiteren Vereinsakteuren steigt ständig der Druck. Um eine Fusion vernünftig und zügig über die Bühne zu bekommen, ist eine Person erforderlich, die sich den ganzen Tag um den Verein kümmern kann, die schnell Strukturen schafft, die Organisation am Laufen hält und weiß, wo man Gelder generieren und diese dann intern zielführend verteilen kann.

Beide Vereine sind jetzt dabei, durch einen Sportmanagement-Studenten der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Abhilfe zu schaffen. Was erwartet ihr euch von den Studenten?
Lars Epple: Ich bin Realist und erwarte keine Wunder. Natürlich kann ein Dualer Student am Anfang seiner Ausbildung den Laden nicht allein schmeißen. Mit Luca Braunagel haben wir einen jungen Mann bekommen, der sich im Verein weiterentwickeln kann. Er ist quartalsweise für jeweils 40 Stunden pro Woche bei uns in der Geschäftsstelle, kann die einzelnen Abteilungen unterstützen, soll uns aber auch in Neckargartach und Frankenbach zukünftig in den Kindergärten und Schulen repräsentieren. Ideal wäre es, wenn wir ihn am Ende seiner Ausbildung an den Verein binden könnten.
Sven Breiter: Auch wir haben mit Nick Körner einen Sportler, der selbst mit dem Eishockey groß geworden ist und sich mit unserem Sport identifiziert. Uns ist bewusst, dass wir Vorstände nicht sofort eine spürbare Entlastung bekommen. Wir werden ihn sauber ausbilden und fördern, damit er an seinen Aufgaben wachsen und bei uns einen guten Weg machen kann. Langfristig gesehen erhoffen wir uns natürlich schon, dass er uns entsprechend entlasten und einen Teil des Tagesgeschäfts übernehmen kann.

Inzwischen haben wir die beiden DHBW-Studenten Luca Braunagel und Nick Körner persönlich kennengelernt und werden in der nächsten Ausgabe einen Blick auf ihre Ausbildung werfen.