Vincent Heller – von Heilbronn ins Nationalteam der USA
Vincent Heller – der Name dürfte in Heilbronn nur Hockey-Insidern ein Begriff sein. Und doch ist der 26-Jährige der erste ehemalige Jugendspieler des Hockeyclubs der TSG Heilbronn, der es bei den Erwachsenen in eine A-Nationalmannschaft geschafft hat. Dank seiner doppelten Staatsbürgerschaft tritt der Zweitliga-Spieler des HTC Stuttgarter Kickers seit geraumer Zeit im Trikot der US-amerikanischen Nationalmannschaft an.
Wir haben mit dem sympathischen Ex-Heilbronner gesprochen und waren neugierig, wie sein Weg von Heilbronn in das Nationalteam der USA ausgesehen hat.
Autor: Lara Auchter
Vincent Heller im Spiel gegen Mexiko beim Panamerika-Cup 2022 in Chile. Foto: worldsportpics
Vincent, hier in Heilbronn kennt man dich nicht wirklich. Erzähl uns doch mal bitte ein bisschen etwas über dich.
Vincent Heller: Ursprünglich komme ich aus dem Raum Stuttgart. Ich bin in Böblingen geboren und in Leinfelden aufgewachsen. Als ich in der dritten Klasse war, sind meine Familie und ich für drei Jahre nach Chicago gezogen, da mein Vater dort eine Stelle angenommen hatte. Nach diesen drei Jahren, im Jahr 2009, sind wir wieder zurück nach Deutschland gezogen – aber nicht wieder nach Stuttgart, sondern nach Heilbronn.
Wann hast du mit dem Hockey angefangen?
Vincent Heller: Ich hatte in Stuttgart als kleines Kind schon ein bisschen angefangen zu spielen. In den USA ist Feldhockey aber leider ein reiner Frauensport, und so konnte ich dort kaum spielen. Zurück in Deutschland, habe ich in Heilbronn wieder richtig mit dem Hockey angefangen und so nahm das Ganze seinen Lauf.
Der Hockeyclub Heilbronn hatte zu dieser Zeit ein paar sehr gute Jahrgänge, aus denen auch ein paar Junioren-Nationalspieler hervorgegangen sind. Warst du Teil davon?
Vincent Heller: Naja, nur so nebenbei. Ich war zwei Jahre älter als diese richtig starken Talente. Dafür habe ich dann angefangen, die Jungs mit zu coachen. Ich bin ein totaler Hockey-Fanatiker und fand es einfach cool, die Jugend zu unterstützen und gleichzeitig so viel Zeit wie möglich auf dem Hockeyplatz zu verbringen (lacht). Letztendlich habe ich Hütchen aufgebaut und die Videoanalyse vorbereitet. Mein kleiner Bruder war auch Teil des Jahrgangs und es hat total viel Spaß gemacht. Aus dieser Zeit bin ich übrigens auch heute noch mit Pablo Schumm befreundet, über den ihr ja auch berichtet.
Foto: HTC Kickers
Du hast in Stuttgart beim HTC Stuttgarter Kickers angefangen und bist als Teenager wieder zurück nach Degerloch. Warum hast du letztendlich Heilbronn verlassen?
Vincent Heller: Der HTC hat damals einfach in einer höheren Liga gespielt. Ich wurde für die Baden-Württemberg-Auswahl gesichtet und war in meinem Jahrgang der einzige Heilbronner. Bei der Auswahl hat man mir empfohlen, den Verein zu wechseln, da die Aussicht bei den Herren in Heilbronn damals noch nicht wirklich überragend war. Das war für mich natürlich nicht einfach, denn die TSG war mein Heimatverein und ich hatte meine Freunde dort. Meine Familie ist beim HTC aber so etwas wie eine Hockey-Dynastie. Sowohl meine Großeltern als auch meine Cousins haben dort gespielt. Also dachte ich mir, wenn ich wechsle, dann nur nach Stuttgart.
Mit 17 Jahren hast du dann wieder beim HTC gespielt, warst aber noch zwei weitere Jahre in der Schule in Heilbronn. Wie hast du das alles unter einen Hut bekommen?
Vincent Heller: Die letzten beiden Jahre bis zu meinem Abitur bin ich noch gependelt. Ich bin nach der Schule nach Stuttgart gefahren, habe mit der Mannschaft trainiert und bin abends mit der letzten Bahn wieder zurück. Das war schon sehr stressig und zeitaufwendig, und dementsprechend haben auch meine Abiturnoten darunter gelitten. Ich fand es aber richtig cool, da es einfach nochmal ein höheres Niveau war. Letztendlich ging es mir nie darum, bei den Herren möglichst hoch zu spielen, sondern ich wollte einfach nur das Bestmögliche aus mir rausholen und für die Jugendauswahl spielen.
Für dich ging es dann aber trotzdem in die Herren-Mannschaft…
Vincent Heller: Ja genau, das war für mich komplett überraschend. Nach eineinhalb Jahren Training mit der Jugend und den Herren habe ich meinen ersten Einsatz bekommen, und so hat sich das alles entwickelt. Nach dem Abitur bin ich dann nach Stuttgart gezogen, weil ich mir dachte, ich kann hier was reißen und mein Hobby auf sehr hohem Level weiter ausüben. So habe ich mich Stück für Stück in die erste Herrenmannschaft reingekämpft und bin seit ein paar Jahren Stammspieler.
Und dann wurdest du Nationalspieler für die USA. Wie kam das zustande? Hast du durch deine Zeit in Amerika die Staatsbürgerschaft erhalten?
Vincent Heller: Nein, das Spielrecht habe ich durch meinen Vater. Er hat die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, weil er dort zur Welt gekommen ist. Meine Großeltern waren für ein paar Jahre in die USA ausgewandert und während dieser Zeit wurde mein Vater geboren. Sie sind aber relativ schnell nach Stuttgart zurückgezogen, weshalb das eigentlich nie von Belang war. Die Staatsbürgerschaft wurde dann an mich vererbt, da ich theoretisch einen amerikanischen Vater habe – und somit hatte ich eigentlich schon immer einen US-Pass.
Wurdest du dann von den US-amerikanischen Trainern rekrutiert?
Vincent Heller: Während meiner Anfangszeit in Stuttgart hat ein amerikanischer Nationalspieler mit uns trainiert, der auch die doppelte Staatsbürgerschaft hatte. Rein aus Interesse habe ich ihn gefragt, wie das denn überhaupt funktioniert mit der Natio. Dadurch, dass Hockey dort eher ein Frauensport ist und bei den Männern nicht wirklich gefördert wird, haben sie einen relativ kleinen Athletenpool. Deshalb suchen sie immer wieder europäische Spieler, die für die USA spielberechtigt wären, und machen deshalb auch jedes Jahr eine Europatour, um diese Spieler zu sichten.
2017 waren sie dann in Ludwigsburg. Ich habe mich einfach mal mit dem Trainer unterhalten und wurde für eine Sichtung eingeladen. Der Coach hat dann sofort gemeint, dass ich für die U21 spielen soll. So hat sich das alles ergeben. Es war eigentlich kompletter Zufall.
Besonderes Highlight für Vincent Heller: Im Testspiel gegen Deutschland erzielte er den einzigen Treffer für Team USA. Foto: Dirk Markgraf
Inzwischen hast du über 20 Länderspiele absolviert. War da für dich ein ganz bestimmtes Highlight dabei?
Vincent Heller: Es ist jedes Mal ein Highlight, wenn ich auf einen Lehrgang gehe. Wir fliegen in der Weltgeschichte herum, bekommen alles bezahlt und spielen richtig coole Turniere. Mein Highlight war bis jetzt aber der Sultan of Johor Cup in meinem ersten Jahr in der U21. Der war in Malaysia und ein riesen Event mit Fernsehübertragung und allem drum und dran. Aber auch der Panamerika-Cup 2022 mit der A-Nationalmannschaft in Chile war ein tolles Erlebnis mit vollen Zuschauertribünen, Kameras, Einlaufkindern und sogar Autogrammstunden. Da hat man sich kurz wie ein Star gefühlt (lacht).
Auf welchem internationalen Niveau ist das US Hockey angesiedelt und was sind eure Pläne für die Zukunft?
Vincent Heller: In der Weltrangliste stehen wir gerade auf Platz 22, das ist sogar relativ gut. Natürlich haben wir nicht das Niveau der Topnationen wie Deutschland. Vom Level her könnten wir als Nationalmannschaft in der unteren Tabellenhälfte der Bundesliga mitspielen. Letztendlich müssen wir das Herren-Hockey in den USA auf einen ähnlichen Stand wie bei den Frauen bringen, professioneller werden und uns viel mehr mit anderen Ländern messen. Wir haben nur bis zu sechs Länderspiele im Jahr, und das ist viel zu wenig, wenn man als Nation besser werden möchte. Unser langfristiges Ziel sind die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles. Als Heimmannschaft wären wir automatisch qualifiziert, wenn wir unter den ersten 22 der Weltrangliste bleiben. Das ist das große Ziel der nächsten Jahre. Die Chancen dazu stehen sehr gut und ich hoffe, dass ich, wenn es dazu kommt, auch dabei sein darf.