Sebastian Heymann: Olympisches Silber für den Horkheimer
Der 11. August 2024 wird Sebastian Heymann ewig in Erinnerung bleiben. An diesem Tag verlor der 26-Jährige mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen in Paris zwar das Finale gegen Dänemark mit 26:39, doch gewann er damit gleichzeitig die Silbermedaille. Nach Sportschütze Uli Lind (Silber 1976 in Montréal) und Ruderin Carina Bär (Gold 2016 in Rio) ist der Horkheimer damit erst der dritte Heilbronner, der eine olympische Medaille gewinnen konnte. Wir haben Sebastian Heymann beim Heimspiel seines neuen Vereins Rhein-Neckar Löwen gegen den Handball Sportverein Hamburg besucht und mit ihm über seine Erlebnisse in Paris sowie über seinen Wechsel von Göppingen nach Mannheim gesprochen.
Autor: Lara Auchter
Sebastian Heymann im Zweikampf mit dem Hamburger Niklas Weller. Fotos: Thomas Kircher
Basti, du bist nun schon ein paar Monate bei den Rhein-Neckar Löwen. Wie hast du dich in deiner neuen Heimat eingelebt?
Sebastian Heymann: Meine Partnerin und ich fühlen uns hier total wohl. Ich wurde von meinen Mitspielern und dem Trainerteam super in der Mannschaft aufgenommen und es passt sehr gut.
Die Löwen sind für dich der nächste Karriereschritt nach den Jahren bei FRISCH AUF! Göppingen. Welches sind die Unterschiede zwischen beiden Vereinen?
Sebastian Heymann: Ich würde sagen, hier in Mannheim ist alles nochmal ein bisschen größer. Das fängt natürlich bei der Halle an, aber auch das Trainingszentrum, sowie die Betreuung drumherum sind sehr professionell. Wir haben hier einen Teambetreuer, der sich wirklich um alles kümmert. Es sind Kleinigkeiten, die aber sehr viel ausmachen. Zudem ist die Marke Rhein-Neckar Löwen um einiges größer und bekannter. Das merkt man direkt, wenn man hier ankommt.
Interview mit SPORTHEILBRONN in der Mixed Zone der SAP Arena.
Gibt es spielerisch einen Unterschied? Ist das Niveau höher?
Sebastian Heymann: Das sportliche Level ist bei jedem Bundesligisten sehr hoch. Wir haben hier aber eine Mannschaft gespickt mit Topspielern, die natürlich auch das Training auf ein höheres Level heben. Alle Trainingseinheiten werden gefilmt und individuell analysiert und man bekommt direkt ein Feedback, das kannte ich davor so auch nicht. Im Laufe der Saison wird dies denke ich schon einen spielerischen Unterschied machen, da im Team auch jeder seine Stärken kennt und genau weiß, was seine Aufgaben sind.
Der Wechsel nach Mannheim war nicht das einzige lebensverändernde Ereignis deiner Karriere in diesem Sommer. Du warst auch bei den Olympischen Spielen in Paris. Bei dir ist innerhalb kürzester Zeit vom Umzug über deinen Urlaub bis zum Gewinn der Silbermedaille wirklich alles dabei gewesen…
Sebastian Heymann: Ja, kann man sagen (lacht). Das war alles Wahnsinn, vor allem da ich aufgrund einer Ellenbogenverletzung mehrere Wochen raus war und auch den letzten Nationalmannschafts-Lehrgang der Saison absagen musste. Dann kam der Umzug, die Nicht-Nominierung, der Urlaub und dann die überraschende Nachnominierung – das ging wirklich Schlag auf Schlag.
Du wurdest kurz vor dem Start der Spiele noch in den Kader berufen. Wie und wo hast du davon erfahren?
Sebastian Heymann: Ich war gerade auf dem Weg zu einem individuellen Krafttraining und saß im Auto, als mich der Bundestrainer anrief und mir sagte, dass er mich gerne dabei hätte. Das war für mich natürlich eine Wahnsinnssache, da ich ja lange verletzt war und die Olympischen Spiele schon immer mein großer Traum waren, von dem ich gedacht hatte, dass er für 2024 bereits geplatzt sei.
Dann ging es nach Paris…
Sebastian Heymann: Genau. Da sind dann auch der Druck und die Anspannung von den Tagen zuvor abgefallen und der Vorfreude gewichen. Als wir im Olympischen Dorf angekommen sind, habe ich erstmals so richtig realisiert, was gerade um mich herum passiert. Wir haben alle zusammen in Apartments gewohnt, was uns nochmal extra zusammengeschweißt und letztendlich auch einen großen Unterschied gemacht hat.
Dein großer Traum war ursprünglich „nur“ die Teilnahme, du bist aber zwei Wochen später sogar mit einer Medaille im Gepäck wieder nach Hause gekommen, zu deren Gewinn du einen großen Anteil beigetragen hattest. Wie fühlt sich das an?
Sebastian Heymann: Das macht mich unglaublich stolz. Nicht nur der Medaillengewinn selbst, sondern auch die Tatsache, dass ich durch meine guten Leistungen einen erheblichen Anteil daran hatte… Das ist besser, als ich es mir hätte erträumen können. Ich hatte beim letzten Lehrgang vor den Olympischen Spielen in Ludwigsburg erstmal nur Abwehr gespielt, weil mein Ellbogen noch nicht zu hundert Prozent hergestellt war. Dann habe ich aber immer mehr Vertrauen in meinen Wurfarm bekommen, meine Tore gemacht und im Viertel- und Halbfinale fast durchgespielt. Dass ich am Ende in entscheidenden Phasen auf der Platte gestanden bin und eine wichtige Rolle im Team eingenommen habe, war sehr besonders.
Mit welchen Erwartungen seid ihr ins Olympische Turnier gegangen? Wann habt ihr gemerkt, dass eine Medaille möglich ist?
Sebastian Heymann: Das große Ziel war schon, eine Medaille zu holen. Wir wussten aber auch, dass wir dafür die Franzosen und weitere Topnationen schlagen müssen. In der Gruppenphase haben wir schon gut vorgelegt, und letztendlich konnten wir gegen alle großen Nationen gewinnen – außer eben gegen Dänemark im Finale.
Das Highlight-Spiel war natürlich der Viertelfinal-Kracher gegen den Gastgeber und Europameister Frankreich. Und auch im Halbfinale gegen Spanien habt ihr eine super Leistung gezeigt. Weshalb konntet ihr diese im Finale nicht nochmal abrufen?
Sebastian Heymann: Wir hatten unseren Traum, eine olympische Medaille zu gewinnen, schon erreicht, und ich denke, wir waren nach den beiden emotionalen Spielen zuvor einfach nicht mehr frisch im Kopf. Aber das Finale war für uns alle das größte Spiel der Karriere. Dass wir uns dann dort nicht so gut präsentiert haben, tat natürlich weh. Die Dänen haben aber perfekten Handball gespielt und ich denke, an diesem Tag hätte niemand gegen sie gewinnen können.
Wie lange dauerte es, die Enttäuschung über die Niederlage abzulegen und sich über die Medaille freuen zu können?
Sebastian Heymann: Das fing schon an, als wir durch die Mixed-Zone gelaufen sind und nochmal realisiert haben, wo wir gerade eigentlich sind. Als wir dann gemeinsam in der Kabine waren und uns die Zeremonie-Kleidung angezogen haben, kam der Moment, in dem uns klar wurde, dass wir hier Großes erreicht haben. Spätestens, als wir dann die Medaille um den Hals gehängt bekamen, verspürten wir nur noch Stolz und Freude.
Die Öffentlichkeit hat nur das mitbekommen, was in den TV-Bildern gezeigt wurde. Was hat sich aber so hinter den Kulissen abgespielt? Was habt ihr in Paris alles erlebt?
Sebastian Heymann: Wir hatten zwischen den Spielen tatsächlich mal Zeit, ein paar andere Sportarten anzuschauen. Jedoch war vieles davon schon ausverkauft, wie z.B. Beachvolleyball, Leichtathletik, Basketball. Zum Schwimmen haben es aber ein paar Teamkollegen geschafft und das war ein wirklich cooles Event. Es war aber echt krass, das berühmte „Olympia-Feeling“ war auf jeden Fall da und man hat in der ganzen Stadt die gute Stimmung gespürt. Und wenn man solchen deutschen Topstars wie Dennis Schröder, Leo Neugebauer oder Olympiasieger Lukas Märtens über den Weg läuft, ist das schon der Wahnsinn. Als Sportler ist man ja doch auch Sportfan, und die ganzen Superstars live zu sehen, obwohl man sie sonst nur vom Fernsehen kennt, war schon ein geiles Gefühl.
Es gab von ein paar Athletinnen und Athleten auch Kritik, besonders an den Betten und dem Essen. Was waren deine Erfahrungen damit?
Sebastian Heymann: Also die Pappbetten waren kein Problem. Die Matratzen waren zwar für meinen Geschmack ein bisschen zu hart, aber man hat sich daran gewöhnt. Beim Essen war es denke ich klar, dass es nicht so schmeckt wie zuhause bei Oma. Aber es gab sehr viel Auswahl und ich denke, am Ende hat jeder etwas gefunden, was ihm geschmeckt hat – auch wenn es nur Pizza war (lacht). Wir haben uns aber nicht so sehr darüber Gedanken gemacht und uns aufs Sportliche konzentriert. Am Ende ging es darum, den Fokus auf das Handballerische zu legen, und das haben wir als Mannschaft gut geschafft.
Wie fällt dein Fazit zu den Olympischen Spielen und dem Gewinn der Silbermedaille aus?
Sebastian Heymann: Es war wie gesagt schon immer ein Traum von mir, einmal dabei zu sein. Dann auch noch eine Medaille gewonnen und dazu einen erheblichen Anteil beigetragen zu haben, hat alles getoppt. Ich hätte sechs Wochen davor niemals damit gerechnet und deshalb ist es mir relativ leicht gefallen, das ganze Event zu genießen. Besser hätte ich es mir wirklich nicht erträumen können und es war das bisherige Highlight meiner Karriere!