Rozaliya Khudeeda – Der neue „Star“ der BSG Neckarsulm

Je näher die Special Olympics Landesspiele in Heilbronn und Neckarsulm (9.-12.07.2025) kommen, desto mehr rückt eine junge Heilbronnerin in den Mittelpunkt, die eines der offiziellen „Gesichter der Spiele“ ist. Obwohl sie erst 18 Jahre alt ist, kann Rozaliya Khudeeda als eines der Aushängeschilder der BSG Neckarsulm, der Bunten Sportgemeinschaft (ehemals Behindertensportgemeinschaft) für Menschen mit mentaler Beeinträchtigung, schon auf beachtliche sportliche Erfolge zurückblicken. Ursprünglich als Ersatzschwimmerin für die Special Olympics Sommer-Weltspiele in Berlin nominiert, stand sie 2023 plötzlich im Kader des deutschen Damen-Fußballteams, mit dem sie die Bronzemedaille gewann. Anfang 2025 trat die passionierte Schwimmerin dann bei den Winter-Weltspielen in Turin für Deutschland im Schneeschuhlaufen an und belegte die Plätze fünf und sieben. Inzwischen hat sich die junge Frau, die mit einer Hörschädigung zur Welt kam, zur Vorzeigeathletin der Special Olympics BW entwickelt. Wir haben uns mit dem neuen „Star“ und ihrer Mentorin Heike Acker (Vorsitzende BSG Neckarsulm) an der Heilbronner Lindenparkschule getroffen.
Titelfoto: Sarah Rauch

Autor: Ralf Scherlinzky
Rozaliya Khudeeda strahlt. Wie eigentlich immer, seit wir uns 2023 vor den Special Olympics Weltspielen kennengelernt haben. „Weißt du, ich kann nicht so gut hören und sprechen. Ich schaue immer auf den Mund. Heike hilft mir oft. Heike ist laut, sehr laut“, lacht die 18-Jährige und funkelt ihre Mentorin Heike Acker an. Anders als das schüchterne Mädchen von 2023 redet Rozaliya bei unserem Treffen Anfang April wie ein Buch. Sie tritt selbstbewusst auf und steckt alle um sie herum mit ihrer guten Laune an. Diese lebensfrohe junge Frau soll geistig behindert sein? Nie im Leben!
„Doch, zumindest laut der Diagnose, die damals gestellt wurde, als sie mit neun Jahren mit ihrer Familie aus dem Irak nach Deutschland kam“, bestätigt Heike Acker, die Rozaliya kurz nach deren Ankunft kennengelernt und selbst beträchtliche Zweifel an dieser Diagnose hat. Sie erzählt Rozas Geschichte: „Im Irak wuchs sie ohne Sprache als das behinderte Mädchen auf, das sich nicht verständigen kann. Sie erhielt dort keinerlei Förderung, verstand meist nicht, was um sie herum passierte. Erst in Deutschland kam sie im Alter von neun Jahren zum ersten Mal mit Sprache in Berührung. Sie bekam eine Hörhilfe, die ihr eine ganz neue Welt eröffnete.“
Rozaliya sollte die Wartbergschule besuchen, war dort unter Gleichaltrigen aber aufgrund der fehlenden Sprache fehl am Platze, weshalb sie an die sonderpädagogische Lindenparkschule für Hörgeschädigte verwiesen wurde. Aufgrund der quasi fehlenden ersten neun Lebensjahre entsprach ihr Entwicklungsstand bei weitem nicht dem einer Neunjährigen, weshalb sie als geistig behindert diagnostiziert wurde und den Unterricht gemeinsam mit Kindern mit geistigen Einschränkungen besuchen musste. „Und wenn du erstmal den Stempel ‚behindert‘ hast, kriegst du ihn so einfach nicht mehr los“, ergänzt Heike Acker. Zumindest, wenn man nicht das Glück hat, jemanden wie Heike Acker kennenzulernen, die für Rozaliya das Recht erkämpfte, eine Klasse im Förderbereich besuchen zu dürfen.

Rozaliya Khudeeda im Gespräch mit Heike Acker (Mitte) und SPORTHEILBRONN-Redakteur Ralf Scherlinzky. Foto: Lara Auchter

Rozaliya Khudeeda (Nr. 223) gibt bei den Winterspielen in Turin beim Schneeschuhlauf alles. Foto: Sarah Rauch
„Heike hat in der Pause immer ‚hallo‘ und ‚guten Morgen‘ gesagt“, erinnert sich Rozaliya Khudeeda an die ersten Begegnungen mit ihrer heutigen Mentorin, die an der Lindenparkschule Sport, Technik und Natur unterrichtet. Diese erkannte recht schnell Rozas sportliches Talent und ihr persönliches Potenzial, förderte und forderte sie sowohl in der Schule als auch in ihrem Verein BSG Neckarsulm.
Heute ist Rozaliyas Zimmer voller Medaillen aus der Leichtathletik, vom Schwimmen, Fußball und Schneeschuhlaufen. Als ausgebildete Übungsleiterassistentin kümmert sie sich bei den Schwimmern der BSG um die Minis von fünf bis acht Jahren. Jüngst stand sie als Trainerin stolz am Beckenrand, als ihre „Kleinen“ beim Wettkampf in Albstadt erstmals die 25 Meter schwammen. „Chefin beim Schwimmen zu sein, macht großen Spaß. Wir lachen und lernen viel zusammen“, strahlt Rozaliya.
Als aktive Sportlerin war sie zuletzt im März bei den Special Olympics World Winter Games in Turin am Start – ein weiterer, großer Schritt in die persönliche Selbstständigkeit, denn erstmals war niemand aus ihrem vertrauten Umfeld der BSG dabei. „Sie hat das überragend gemacht, nicht nur sportlich, sondern auch, was die Kommunikation mit anderen angeht“, hat Heike Acker nach dem Ende der Spiele vom Bundestrainer erfahren.
Doch die Winterspiele in Turin („Die Luft war dort sehr kalt.“) haben es nicht geschafft, die Sommerspiele von Berlin aus dem Jahr 2023 als persönliches Highlight der Heilbronnerin zu verdrängen. „Ich hatte damals im Fußball erst gar niemanden gekannt und habe dort jetzt viele Freunde“, erzählt sie. „Die Bronzemedaille mit der Damen-Nationalmannschaft hat zuhause einen Ehrenplatz.“
Jetzt steht mit den Landesspielen von Special Olympics Baden-Württemberg im Juli der nächste Höhepunkt für Rozaliya an, zumal sie hier mit BSG-Schwimmer David Sanzenbacher, Olympiasiegerin Carina Bär und Unified-Partnerin Zsuzsanna Dede als „Gesicht der Landesspiele“ ausgewählt wurde. Dass sie dort überall abgebildet ist und auch wir im SPORTHEILBRONN-Magazin über sie berichten, ist ihr momentan jedoch noch etwas suspekt. „Da wächst sie rein“, grinst Heike Acker und berichtet, dass Rozaliya für die Spiele einen Gebärdendolmetscher für Interviews und andere öffentliche Termine an die Seite gestellt bekommt.

Rozaliyas sportliches Karriere-Highlight: Der Gewinn der Bronzemedaille im Unified-Fußball bei den Special Olympics Weltspielen 2023 in Berlin. Foto: BSG Neckarsulm
Kurz nach den Landesspielen geht für Rozaliya Khudeeda mit dem Ende des Schuljahrs auch der Lebensabschnitt an der Lindenparkschule zu Ende – ein weiterer großer Schritt, denn ihre nächste Station, eine berufsvorbereitende Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigung, bedeutet eine weitere Eingliederung in die Normalität, wie Heike Acker weiß: „Die BVEs sind für junge Menschen da, die zu stark für die Werkstätten sind aber noch einen kleinen extra Anschub für den ersten Arbeitsmarkt benötigen. Roza wird sich auch hier durchsetzen, da bin ich mir ganz sicher! Sie ist nicht nur im Sport ehrgeizig, sondern auch in der Schule. Es ist unglaublich, wieviel sie lernt. Neulich hatte sie sogar eine 2 in Englisch.“
Die 18-Jährige würde gerne Erzieherin werden und im Kindergarten arbeiten. Zwei Praktika hat sie bereits absolviert, eines davon im Bewegungskindergarten der TSG Heilbronn. „Das war auch so ein Kampf, bis sie zum ersten Mal ein Praktikum machen durfte. ‚Stell dir vor, die Kinder sprechen sie an und sie hört es nicht‘, hatte es geheißen“, erinnert sich Heike Acker. Doch die Bedenken waren unbegründet: Rozaliya bekam für ihre Praktika Bestnoten, sie brachte den Kindern bei, dass man auch ohne viele Worte kommunizieren kann. „Ich habe den Kindern Gebärden gezeigt. Im Morgenkreis haben wir alle ‚guten Morgen‘ in Gebärden gesagt, das war toll“, schwärmt sie.
Die Sportlerin und vor allem der Mensch Rozaliya Kudeeda ist noch lange nicht am Ende ihrer Entwicklung angekommen – im Gegenteil. Wir freuen uns darauf, sie noch lange auf ihrem weiteren Weg zu begleiten. Und wir können unsere Äußerung vom Anfang dieses Beitrags nur nochmal wiederholen: „Diese lebensfrohe junge Frau soll geistig behindert sein? Nie im Leben!“
Was Rozaliya braucht, sind Chancen.
9. bis 12. Juli 2025: Special Olympics Landesspiele in Heilbronn und Neckarsulm
Vom 9. bis 12. Juli 2025 findet in Heilbronn und Neckarsulm die größte Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung in Baden-Württemberg statt: die Special Olympics Landesspiele.
Über 1.100 Athletinnen und Athleten mit geistiger und mehrfacher Beeinträchtigung werden bei den Landesspielen in 17 Sportarten antreten – darunter Sportarten wie Handball, Tischtennis, Schwimmen, Reiten, Leichtathletik, Klettern, Kanu, Basketball, Tanzen und Golf. Von der Kletterarena der Sektion Heilbronn des Deutschen Alpenvereins bis zum Breitenauer See, vom Frankenstadion bis zum AQUAtoll Sportbad, von der Mörike- und Mönchseehalle bis zur Golfanlage des Golfclubs Heilbronn-Hohenlohe und vom TSG-Wassersportzentrum am Wertwiesenpark bis zur Ballei finden quer über die Städte Heilbronn und Neckarsulm verteilt, sowie darüber hinaus zahlreiche Wettkämpfe statt.
Das umfangreiche Rahmenprogramm beginnt bereits am 8. Juli, offizieller Start der Spiele ist am 9. Juli um 19 Uhr bei der Eröffnungsfeier in der Intersport redblue Veranstaltungshalle. Den Abschluss bildet am 12. Juli um 14 Uhr eine große Feier im Heilbronner Frankenstadion.
Der Eintritt zu den Sport- und Veranstaltungsstätten ist kostenfrei.

Die Gesichter der Landesspiele (von links): Carina Bär, David Sanzenbacher, Rozaliya Khudeeda und Zsuzsanna Dede. Foto: SOBW / seeboth-photo.de