Neues Trainerduo der Falken – Martin und Janne sollen´s richten

Nachdem die Saison in der DEL2 für die Heilbronner Falken alles andere als wunschgemäß verläuft, hat sich die Organisation nacheinander erst von Co-Trainer Christoph Schubert und dann von Headcoach Jason Morgan getrennt. Chef an der Bande ist seit Jahresbeginn der Deutsch-Kanadier Martin Jiranek (53), der zuerst eigentlich als Co-Trainer geholt worden war – ein klingender Name im Deutschen Eishockey. Ihm zur Seite steht der in Deutschland bislang unbekannte Finne Janne Sinkkonen (44). Gemeinsam wollen sie die strauchelnden Falken wieder auf Kurs bringen. Wir sind mit den beiden in der Falken-Kabine zusammengesessen, um über ihre neuen Aufgaben, den Druck durch die Fans, sowie die angestrebten Ziele zu sprechen. Dabei haben wir interessante Einblicke in das bekommen, was hinter der sonst verschlossenen Kabinentür eines Eishockeyteams geredet und gedacht wird. 

Autor: Lara Auchter

2. Februar 2023

Gesprächsrunde in der Falken-Kabine mit den neuen Coaches, bei der eines ganz deutlich wurde: Martin Jiranek (links) ist der Chef auf der Bank, der absolut weiß, was er tut.
Fotos: Seventyfour.studio

Martin, was hat dich im Herbst zu den Heilbronner Falken geführt?
Martin Jiranek: Ich war lange Sportdirektor der Nürnberg Ice Tigers, bevor ich die letzten drei Jahre als Co-Trainer bei den Fischtown Pinguins in Bremerhaven gearbeitet habe. Dort war ich weit weg von meiner Familie, die in Nürnberg wohnt, und dachte mir, dass es nach den drei Jahren als Co-Trainer Zeit für was Neues sei. Der vergangene Sommer war tatsächlich der erste meiner Eishockeykarriere, in dem keinen Job hatte. Das war echt ein komisches Gefühl. Ich habe kurz darauf gehört, dass Heilbronn den Co-Trainer entlassen hat. Dann war ich beim Deutschland-Cup und habe mit dem Manager der Adler Mannheim, Jan-Axel Alavaara, gesprochen und er hat mich gefragt, ob ich an dem Job interessiert wäre. Also haben wir uns ein wenig unterhalten und ich habe im Anschluss mit Jason Morgan telefoniert. Wir hatten ein gutes Gespräch und nach ein paar Tagen hat er zurückgerufen und mir gesagt, dass er mich gerne als seinen Co-Trainer haben möchte.

Wie verliefen die ersten Monate in Heilbronn für dich?
Martin Jiranek: Die sechs Wochen, die ich mit Jason zusammengearbeitet habe, waren hart. Ein paar Dinge hatten sich verbessert, aber wir konnten trotzdem nicht viele Siege holen. Als mir mitgeteilt wurde, dass die Organisation Jason Morgan entlassen und mich als Cheftrainer haben möchte, war ich schon ein wenig überrascht. Ich habe kurz darüber nachgedacht und den Falken dann zugesagt. Am nächsten Tag ging es gleich los, und der nächste Schritt war dann natürlich einen Co-Trainer zu finden. Ich habe mich umgeschaut nach Coaches mit einem guten Hockey-Hintergrund und habe dann durch einen gemeinsamen Kontakt Jannes Namen erhalten. Wir haben telefoniert und es hat von Anfang gepasst. Ich bin mir sicher, dass er mir mit meiner Trainerphilosophie gut helfen kann. Zudem war er bei der U20-WM 2022 Assistenztrainer des finnischen Teams und hat bewiesen, dass er mit jungen Spielern arbeiten kann.

Martin Jiranek

Janne, hattest du geplant ins Ausland zu gehen?
Janne Sinkkonen: Ja. In Finnland gab es keine offenen Stellen, also war mir klar, dass ich ins Ausland gehen muss. Heilbronn war dabei die beste Option. Als Spieler hatte ich schon in Norwegen und Frankreich gespielt und als Trainer konnte ich in Ungarn und Österreich Erfahrungen sammeln. Das Ausland ist also nicht komplett neu für mich.

Martin, als dich die Falken als Co-Trainer vorgestellt haben, wurde auf Seiten der Fans gleich gemunkelt, dass du der „Plan B“ für das Amt des Cheftrainers bist. Hat bei dir der Gedanke mitgespielt, dass du früher oder später Headcoach werden könntest?
Martin Jiranek: Ich hatte diese Befürchtung und habe dies dem Management auch mitgeteilt. Ich wollte nicht als Co-Trainer angestellt werden, nur um dann in einem Monat der neue Cheftrainer zu werden. Und in dem Moment wurde mir auch gesagt, dass das nicht der Plan sei, aber natürlich passieren im Profisport Dinge, die man nicht vorhersehen kann. Wir haben ein paar wichtige Spiele verloren und das Management hat entschieden, dass sie mit mir etwas anderes probieren wollen.

Was sind die Pläne für die restliche Saison?
Martin Jiranek: Wir müssen Spiele gewinnen, um die Klasse zu halten. Es ist eine schwierige Situation, wenn man erst in der zweiten Saisonhälfte in ein Team kommt. Wir spielen zweimal die Woche und der Trainerwechsel im Dezember, inmitten der stressigsten Zeit der Saison, war natürlich nicht ideal für alle Parteien. Wir hatten somit kaum Zeit, um dem Team unser Spiel nahezubringen. Man muss trainieren, um verschiedene Abläufe einzustudieren. In dieser spielintensiven Zeit gibt es aber so gut wie kein Training. Erst nachdem sich der Spielrhythmus im Januar ein bisschen gelockert hatte, war auch die Zeit da, um mit den Spielern im Training zu arbeiten und wirklich Änderungen vorzunehmen. Es ist eine gute Truppe, die hungrig ist, viel mitarbeitet und selbst etwas Neues lernen will.

Wenn man als neuer Trainer zum ersten Mal in die Umkleide kommt, will man natürlich einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Wie habt ihr euch vorgestellt?
Martin Jiranek: Ich kam einen Tag vor dem Spieltag, und da war nicht viel Zeit sich vorzustellen. Es ging ziemlich schnell von null auf hundert und ich stand kurz darauf schon mit Jason Morgan hinter der Spielerbank. Ich denke aber aufgrund meiner Vorgeschichte und meiner langjährigen Karriere hier in Deutschland ist es für mich nicht so schwer, einen gewissen Respekt und Aufmerksamkeit zu bekommen. Diesen Vorteil muss ich natürlich nutzen und habe das bei den Spielern auch getan, besonders als ich dann Cheftrainer wurde.
Janne Sinkkonen: Ich kam praktisch direkt vom Flugzeug in die Kabine (lacht). Der erste Tag war ziemlich stressig für mich. Ich hatte nur wenige Stunden Schlaf und es ging gleich zum Heimspiel gegen Krefeld. Da habe mich einfach eingeklinkt und zugehört, als Martin das Team vorbereitet hat, und stand dann mit ihm an der Bande. Tag für Tag habe ich dann mehr Kontakt mit den Spielern bekommen, und jetzt vertrauen sie auch mir und wir verstehen uns gut.

Was genau ist dein Aufgabenbereich als Co-Trainer?
Janne Sinkkonen: Ich helfe Martin so viel ich kann. Ich arbeite vor allem mit den jungen Spielern, da ich in diesem Bereich einfach viel Erfahrung habe. Auch mache ich die Videoanalyse nach den Spielen, da sagt mir dann Martin ganz genau, welche Aktionen ich herausziehen soll. Ich präsentiere diese dem Team und analysiere mit den Spielern, was wir verbessern wollen. Während des Spiels mache ich die Verteidigerwechsel, entscheide also, wer wann auf dem Eis steht.

Musst du viel mit den Jungs reden und Einzelgespräche führen, um ihnen wieder Selbstvertrauen zu geben? Worauf liegt der Fokus?
Martin Jiranek: Natürlich. Man muss immer erst den Grund des Problems herausfinden, und manchmal sind es viele verschiedene Gründe. Das muss man alles einzeln ansprechen und nach und nach verbessern. Außenstehende suchen immer nach dem einen großen Grund. Aber es ist nicht so einfach. Normalerweise gibt es viele verschiedene Arten, um Tore zu erzielen, und viele verschiedene Gründe, warum es nicht so gut funktioniert. Da muss man jede einzelne Möglichkeit ein bisschen verbessern, sodass sich im Großen und Ganzen etwas ändert. Es gilt, die Balance zu finden zwischen kleinen Anpassungen und großen Veränderungen. Manchmal ist es auch einfach Pech. Wenn es mal in einem Spiel nicht funktioniert, darf man nicht gleich wieder alles über den Haufen werfen. Wenn man sieht, dass man sich stetig verbessert, nur eventuell das gewisse Glück fehlt, macht man es richtig und wird mit der Zeit dann auch dafür belohnt. Wir haben unser Unterzahlspiel in den letzten Wochen sehr stark verbessert, da haben die Jungs richtig gut gearbeitet. Gerade ist unser Problem die Offensive. Wir müssen Wege finden, dass der Puck öfter im Netz landet. Darauf liegt jetzt der Fokus. Wir gehen Schritt für Schritt vor und jeder gibt sein Bestes. Es ist auch für die Spieler schwer, einen neuen Trainer mit einer anderen Philosophie und neuem Fokus zu haben. Vor allem mitten in der Saison, wenn die alte Vorgehensweise und bestimmte Automatismen schon eintrainiert sind.

Janne Sinkkonen

Der Druck von außen ist natürlich auch immens. Gerade von den Fans. …
Martin Jiranek: Klar, das ist aber immer so. Als Cheftrainer will man das auch nicht ignorieren. Denn am Ende des Tages spielt man ja für die Fans und für die Menschen, die Geld bezahlen, um uns beim Spielen zuzuschauen. Ich bin nicht die Art von Trainer, die sagt, dass die Fans keine Ahnung haben. Sie kennen Eishockey und wissen, wie gutes Eishockey aussieht. Aber ihre Reaktionen sind eben oft sehr emotional. Mein Job ist es in gewisser Weise, die Emotionalität abzustellen und sachlich und fokussiert an die Probleme heranzugehen. Wäre alles so einfach, könnte jeder Trainer sein (lacht).

Wie gehst du mit den Höhen und Tiefen um? Die Saison bis jetzt ist ja eine ziemliche Achterbahnfahrt …
Martin Jiranek: Man versucht jedes Spiel einzeln zu analysieren und herauszufiltern, was passiert ist. Ob es Glück oder Pech war, ob die Struktur nicht gestimmt hat, ob der Kampfgeist nicht genug war oder die Spieler einfach müde waren. Manchmal gewinnt man auch Spiele, die man nicht verdient hat zu gewinnen, und auch die muss man analysieren, um zu sehen was wirklich gut war. Ein ehemaliger Coach von mir sagte einmal etwas, das bei mir hängengeblieben ist: Lass die Jungs härter arbeiten, wenn sie gewinnen! Dann fällt es ihnen leichter, die Arbeit zu investieren, weil sie auf einem emotionalen Hoch sind. Die alte Vorgehensweise ist eher, weniger Training wenn sie gewonnen haben und dafür aber dann hartes Training als eine Art Bestrafung nach einer Niederlage. Das kann den Spieler mental kaputt machen. Mein Job ist es zu wissen, was die Spieler brauchen und was dem Team gut tut. Als Coach hat man eine andere, eher neutrale Perspektive auf die Spieler und trifft Entscheidungen, die nicht persönlich oder emotional inspiriert sind.

Martin, du wurdest in deiner Karriere auch schon mal entlassen. Was geht in einem Trainer vor, wenn man weiß es läuft nicht so gut und der nächste Schritt könnte deine Entlassung sein?
Martin Jiranek: Das war damals bei meiner ersten Trainerstelle in Krefeld und ich habe daraus sehr viel gelernt. Man muss als Trainer schon eine Art „Vater“ sein, eine Identifikationsfigur, aber auch ein Chef und Psychologe. Gerade die jungen Spieler schauen zu einem auf, sie suchen nach jemandem, dem sie vertrauen können. In Krefeld war ich ein bisschen zu naiv und nicht streng genug, um ein guter Trainer zu sein. Das war für mich damals schlimm, als ich realisiert habe, dass ich den Spielern und dem Team mehr schade als helfe, wenn ich zu nett bin. Das war eine wertvolle Lernerfahrung für mich. Du spürst im Normalfall, wenn es eng für dich wird. Und wenn du außer der Reihe in die Geschäftsstelle gerufen wirst, weißt du, was Sache ist.

Steckt da etwas Wahrheit dahinter, wenn es heißt, die Spieler spielen gegen ihren Coach? Denn eigentlich sind sie ja Profis, die ihren Job zu erledigen haben…
Martin Jiranek: Bei solchen Aussagen ist das Problem, dass die Leute denken Profisport sei wie ein Bürojob. Und es ist komplett normal zu sagen, weil man fürs Spielen bezahlt wird, muss man in jedem Spiel 100 Prozent geben und seine beste Leistung zeigen. Aber jeden Abend wirklich 100 Prozent oder mehr zu geben, für 52 Spiele seine beste Leistung zeigen, ist sehr hart. Härter als Leute denken. Denn Eishockey ist ein Kampf, der wiederum pro Spiel aus vielleicht 30, 40 kleinen (Zwei-)Kämpfen besteht. Wir kommen samstags um drei Uhr morgens vom Auswärtsspiel zurück, du kannst im Bus kaum schlafen, musst dein stinkendes Equipment noch auspacken, gehst zum Auto und bist erst um vier Uhr zu Hause. Dann bist du noch aufgewühlt und schläfst schlecht ein. Nach wenigen Stunden klingelt der Wecker, da du um zehn oder elf Uhr schon wieder zum Training in der Eishalle sein musst. Am Tag darauf hast du schon das nächste Spiel, bei dem du wieder 100 Prozent geben musst – und das zweimal die Woche, acht Monate am Stück. Das laugt einen aus, körperlich wie mental.

Also kommt es durchaus vor, dass wenn es nicht gut läuft die Mannschaft schlechter spielt um einen Trainerwechsel zu erzwingen?
Martin Jiranek: Das kann eventuell unbewusst passieren. Du hast als Trainer immer Spieler im Team, die unzufrieden mit dir sind – entweder weil sie nicht gut spielen oder weil sie zu wenig Spielzeit bekommen. Diese Sportler suchen nach Ausreden. Da ist es egal, ob sie vielleicht mit Übergewicht aus der Sommerpause zurückgekommen und einfach nicht fit sind. Für diese Spieler ist zuallererst der Trainer schuld, wenn die eigene Leistung nicht stimmt. Wenn sie dann die Gerüchte über einen Trainerwechsel mitbekommen, sehen sie darin ihre große Chance. In dieser Situation kann es sein, dass sich einzelne Spieler vom Trainer abwenden. Und das macht dann in der Kabine die Runde. Sie spielen sicher nicht mit Absicht schlecht, aber sie hören unterbewusst einfach nicht mehr auf ihn und geben vielleicht nur noch 90 statt 100 Prozent.

Habt ihr das als Spieler auch mal erlebt?
Janne Sinkkonen: Ja, aber nicht mit Absicht. Es war genau so, wie Martin sagt. Ich war in einem Team, das nicht gut gespielt hat. Ich habe gespürt, dass sowohl ich als auch der Rest des Teams nicht mehr 100 Prozent geben. Dann wurde der Trainer entlassen. Letztendlich hat sich aber durch den neuen Coach nichts verändert. Die ersten zwei Wochen waren toll und haben sich angefühlt wie Flitterwochen, aber als die Realität wieder einsetzte, hatten alle wieder exakt dieselben Probleme wie mit dem alten Coach. Und dann hat man erst gemerkt, dass es eventuell am Einzelspieler lag, an der Situation etwas zu ändern – und nicht am Trainer.