Nàdia Tudó Cubells – Vom Andorranischen Verband ausgebremst
Nàdia Tudó Cubells ist Nationalschwimmerin aus Andorra. Das kleine Fürstentum in den Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien ist eigentlich nur für den Wintersport bekannt – und dennoch schaffte es die 27-Jährige in einer dort kaum geförderten Sportart bis fast nach ganz oben. Nach Teilnahmen bei Welt- und Europameisterschaften waren die Olympischen Spiele 2024 in Paris das große Ziel der Schwimmerin, doch dann wurde sie vom Andorranischen Olympischen Komitee gestoppt. Nun spricht die Andorranerin, die aufgrund ihres hohen Bekanntheitsgrades in ihrem Heimatland kaum mehr unerkannt auf die Straße gehen kann, über ihren geplatzten Olympiatraum, ihre Anfänge im Schwimmsport, den Weg nach Deutschland, sowie ihren Job als Nachhaltigkeitsmanagerin beim Neckarsulmer IT-Unternehmen Bechtle.
Autor: Lara Auchter
Nàdia, es war ein turbulenter Sommer 2024 für dich, der eigentlich mit einer Olympiateilnahme seinen Höhepunkt hätte finden sollen. Weshalb kam es letztendlich doch nicht dazu?
Nàdia Tudó Cubells: Ich komme aus Andorra, einem kleinen Staat, der eher weniger mit Schwimmen in Verbindung gebracht wird. Trotzdem habe ich mein Leben lang für den Traum Olympia gearbeitet – auch wenn er in weiter Ferne war. In diesem Jahr war ich ganz nah dran. Leider hat das Olympische Komitee von Andorra aber die Einladung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und des Internationalen Schwimmverbandes ausgeschlagen, weshalb ich dann doch nicht nach Paris fahren durfte.
Wie und an wen werden vom IOC solche Olympischen Einladungen versendet?
Nàdia Tudó Cubells: Die Qualifikations-Normen im Schwimmen wurden zwischen Tokio und Paris so erhöht, dass es kaum Athletinnen und Athleten gab, die die gewünschten Zeiten geschwommen sind. Besonders für Sportler aus kleinen Ländern mit wenig Unterstützung war es so gut wie unmöglich, sich über die geschwommenen Zeiten zu qualifizieren. Deshalb lädt das IOC diese Nationen bzw. einzelne Verbände ein, wenn deren Athleten entweder die B-Norm geschwommen sind oder sich schon international präsentiert haben. So hat auch der andorranische Schwimmverband die Einladung erhalten, hat diese aber abgelehnt.
Aufgrund ihrer Leistungen im Schwimmbecken gehört Nàdia Tudó Cubells zu den bekanntesten Sportlerinnen ihres Landes.
Foto: Jo Kleindl
Wieso denn das???
Nàdia Tudó Cubells: In einem Land wie Andorra ist jede Entscheidung, die getroffen wird, politischer Natur. Wir sind nun das einzige Land, das zweimal hintereinander eine Olympia-Einladung des IOC ausgeschlagen hat. 2021 hatte es nämlich schon das gleiche Szenario gegeben. Das machte mich schon sehr traurig und auch ein wenig wütend.
Gab es Gründe für die Nicht-Teilnahme Andorras? Wann hast du davon erfahren?
Nàdia Tudó Cubells: Der Verband nannte offiziell die fehlende Konkurrenzfähigkeit und das Nichterreichen der Norm als Grund, was aber absolut nicht im Sinn der Olympischen Spiele ist. Alle vier Jahre treten Tausende von Athleten an, und davon gewinnt nur ein kleiner Bruchteil eine Medaille. Sollen deshalb alle anderen, die leer ausgehen, gar nicht erst antreten? Das ist nicht der Olympische Gedanke. Ich habe von der ausgeschlagenen Einladung und der somit geplatzten Teilnahme erst wenige Wochen vor dem Start der Spiele erfahren, da sich das Komitee mit seiner Entscheidung auch bis zum letzten Tag Zeit gelassen hatte.
Wie bist du mit dieser Entscheidung umgegangen?
Nàdia Tudó Cubells: Ich war natürlich enttäuscht, vor allem, weil ich keine weitere Chance auf eine Olympia-Teilnahme bekommen werde. Als Sportlerin kann ich nicht verstehen, wie man uns die Möglichkeit nehmen konnte, unser Land auf allerhöchster Ebene zu repräsentieren. Es hat ein bisschen gedauert, bis ich die Enttäuschung überwinden konnte. Jetzt blicke ich aber trotzdem mit Stolz auf meine Karriere und auf das, was ich erreicht habe, zurück und freue mich auf meine letzte Saison im Profisport. Eines meiner großen Ziele sind jetzt noch die Spiele der europäischen Kleinstaaten 2025 in Andorra.
Andorra ist eigentlich für Skifahren und Wintersport bekannt. Wie kommt ein junges Mädchen aus den Pyrenäen zum Schwimmen?
Nàdia Tudó Cubells: Ich habe ganz normal Schwimmen gelernt und dabei sehr viel Spaß gehabt. Dann bin ich einfach dabei geblieben und habe relativ schnell gemerkt, dass ich auch ziemlich gut darin bin (lacht).
Schwimmt Nàdia Tudó Cubells gerade nicht im Wasser ihre Bahnen, ist sie als Nachhaltigkeitsmanagerin bei Bechtle tätig.
Foto: Bechtle
Dein Weg führte dann aber raus aus Andorra …
Nàdia Tudó Cubells: Ja genau, ich habe dort nicht die idealen Bedingungen gehabt und wollte auch unbedingt mal weg von zu Hause. Ich habe dann ein Stipendium für eine Uni in den USA bekommen – die Delta State University in Cleveland – und bin dort, während ich meinen Bachelor gemacht habe, drei Jahre geschwommen. Das war eine super Erfahrung und hat mir in meiner weiteren Karriere sehr viel geholfen.
Danach bist du nach Deutschland gekommen. Warum genau hast du dich für die Bundesrepublik entschieden?
Nàdia Tudó Cubells: Auf der Uni habe ich meinen Freund kennengelernt, der aus Stuttgart kommt. Nach dem Abschluss haben wir überlegt, was wir machen, und ich habe nach einer guten Trainingsmöglichkeit gesucht. So kamen seine Heimatstadt sowie sein alter Schwimmverein ins Gespräch. Wie sind dann nach Stuttgart gezogen und leben jetzt seit ein paar Jahren im Unterland.
Du hast in Heilbronn studiert und deine Masterarbeit mit dem IT-Unternehmen Bechtle aus Neckarsulm geschrieben, bei dem du heute noch beschäftigt bist. Wie hast du das alles mit deiner Schwimmkarriere unter einen Hut bekommen?
Nàdia Tudó Cubells: Die Firma bietet mir sehr viel Flexibilität und Unterstützung. Ich kam durch das ehemalige Schwimmteam der Sport-Union nach Neckarsulm. Als ich in der Stadt nach einem Unternehmen für meine Masterarbeit gesucht hatte, wurde ich mit Bechtle zusammengebracht, da eine ehemalige Teamkameradin bereits hier beschäftigt war. Meine Tätigkeit als Nachhaltigkeitsmanagerin erlaubt es mir, viel im Homeoffice zu arbeiten, da ich oft internationale Online-Meetings habe. So kann ich auch seit der Auflösung des Neckarsulmer Teams 2023 für mein neues Team in Nordrhein-Westfalen schwimmen und parallel meinen Job machen. Wir Sportler sind, denke ich, alle diszipliniert und strukturiert genug, um beides unter einen Hut zu bekommen und in beiden Bereichen so gut es geht zu performen.
Wie geht es für dich sportlich und beruflich weiter? Du hast die Spiele für Kleinstaaten in deinem Heimatland schon angesprochen…
Nàdia Tudó Cubells: Die nächste Saison wird definitiv meine letzte im Profi-Schwimmsport sein. Ich werde noch ein Jahr für meinen jetzigen Verein, die SG Ruhr aus Bochum, schwimmen, um mich bestens auf die Spiele vorbereiten zu können. Danach werde ich meinen Schwimmanzug an den Nagel hängen und mich voll und ganz auf meinen Job hier bei Bechtle konzentrieren. Ich freue mich schon darauf und hoffe, dass die Spiele der kleinen Staaten in meiner Heimat noch einmal ein echtes Highlight werden.