Mark Kuhlmann: Rugby-Bundestrainer aus Böckingen
Mark Kuhlmann ist ein großer Name im deutschen Rugby. Der gebürtige Hannoveraner, aktueller Bundestrainer der 15er-Rugby-Nationalmannschaft, hat eine lange Karriere im Sport hinter sich. Als Spieler mit den zweitmeisten Einsätzen (48 Spiele) in der Nationalmannschaft führte er sein Team jahrelang als Kapitän aufs Feld. Der 55-Jährige spielte in seiner aktiven Karriere für den DRC Hannover, mit dem er sieben deutsche Meisterschaften und drei nationale Pokale gewann. Schon seit über 15 Jahren wohnt der Rugby-Enthusiast in Heilbronn-Böckingen, von 2012 bis 2019 coachte er die Sport-Union Neckarsulm. Nach 33 SPORTHEILBRONN-Ausgaben ist es nun wirklich allerhöchste Zeit, dass wir uns mal ausführlich mit dem Wahl-Heilbronner und seinem Sport beschäftigen.
Autor: Lara Auchter
„Ich bin 2008 hierher gezogen und habe erstmal gewaltig mit der Kultur gefremdelt“, grinst der gebürtige Hannoveraner. Besonders die Sprache und die Unterschiede in der Mentalität haben sich sofort bemerkbar gemacht. „Das mit dem schwäbischen Dialekt habe ich auch heute noch nicht richtig drauf, und auch mit Spätzle bekleckere ich mich noch regelmäßig“, lacht er. „Kleinigkeiten wie z.B. die Kehrwoche oder das Rausstellen der Mülleimer hatte ich vorher nicht gekannt. Das macht man in anderen Bundesländern durchaus anders“. Die größten Startschwierigkeiten hatte der 55-Jährige anfangs jedoch mit dem Humor: „Wenn man sich hier in einen Besen setzt und sich mit Leuten unterhält, muss man schon aufpassen, was man sagt. Mit Dingen, die in Hannover witzig sind, kann man hier schon mal anecken. Da musste ich am Anfang gewaltig aufpassen, wie und wann ich was sage. Meine Frau, die aus Heilbronn stammt, hatte damals ordentlich Arbeit mit mir.“
Inzwischen hat sich der Niedersachse jedoch schon lange eingelebt, zumal der Rugby-Bundesstützpunkt in gut erreichbarer Nähe ist. „Das Rugby hat sich immer mehr in den Süden verlagert und unser Stützpunkt ist in Heidelberg“, weiß Kuhlmann. „Früher war Hannover die Rugby-Stadt in Deutschland. Jahrzehntelang ging die Deutsche Meisterschaft nur über die Teams aus Hannover. Inzwischen hat sich der Sport ein bisschen mehr ausgebreitet, befindet sich aber immer noch am äußersten Rand der Randsportarten“.
Mark Kuhlmann, der zu seinen aktiven Zeiten in Hannover kaum unerkannt auf die Straße gehen konnte, möchte dies ändern. Der Bundestrainer will das Rugby in Deutschland populärer machen und mit seinem Team auch international den Anschluss an die Spitze finden: „Es ist wichtig für uns und unsere weitere Entwicklung, dass unsere Sportart auch in Deutschland Präsenz bekommt.“
Die Sportart hat dabei durchaus Potenzial: Im Jahr 2023 war die Rugby-WM das meistbesuchte Sportevent des Jahres und mit fast einer Milliarde TV-Zuschauer eine der größten Veranstaltungen der Welt. Auch in Deutschland wurden über 15 Millionen Stunden Rugby geschaut – eine Rekordzahl! Und auch die Spiele der deutschen Rugby-Nationalmannschaft hatten in diesem Jahr einen hohen Marktanteil und waren zum Teil populärer als NBA- oder NFL-Übertragungen.
„Das Potenzial ist riesig, wenn man sich die Zuschauerzahlen anschaut. In Deutschland ist leider alles außer Fußball Randsportart, weshalb vielen anderen Sportarten nicht mal die Chance gegeben wird, sich zu zeigen“, schüttelt Mark Kuhlmann den Kopf. „Wenn wir dann aber Frankreich anschauen, ein Land das genauso fußballverrückt ist, hat Rugby dort dennoch einen ganz anderen Stellenwert. Im Süden Frankreichs ist der Sport sogar die Nummer Eins.“
Deutschland kann sich natürlich nicht mit Frankreich, dem aktuellen Olympiasieger und einem Schwergewicht in der Rugbyszene, vergleichen. Dennoch ist das Konzept in Frankreich durchaus eines, an dem man sich in Deutschland orientieren kann, wie der ehemalige Nationalspieler weiß: „Rugby ist in Frankreich tief in der Historie verankert und hat natürlich eine lange Tradition. Trotzdem haben sie den Sport professionell von unten nach oben hochgezogen. Es gibt Proficlubs, die früh den Fokus auf eine gute Jugendarbeit legen, und auch an Schulen wird Rugby gespielt. Das überträgt sich früher oder später auf den Erwachsenenbereich und die Nationalmannschaft.“
Die Ausbreitung des Sports innerhalb Deutschlands, auch durch TV-Übertragungen, hat für den Bundestrainer also höchste Priorität. Besonders hebt er auch die Notwendigkeit eines Großevents in Deutschland hervor: „Die Randsportarten brauchen immer einen besonderen Anlass oder einen alles überstrahlenden Athleten, um in die Öffentlichkeit zu kommen. Im Rugby fehlt so etwas. Wenn wir jetzt nach Frankreich schauen, wo gerade die Olympischen Spiele stattgefunden haben, stellt man einen immensen Unterschied in der Leistung der Athleten jeglicher Sportarten fest.“
Solche Großveranstaltungen bringen die Möglichkeiten, durch Investitionen von Geld und Personal das Sportsystem anzupassen, alle Athleten zu fördern und ein Konzept auszuarbeiten, das nachhaltigen Erfolg bringt. „Ich denke, Olympische Spiele in Deutschland sind der einzige Weg, um Randsportarten wie Rugby eine Chance auf Erfolg zu geben“, stellt Kuhlmann klar.
Doch ganz so unerfolgreich ist der Chefcoach mit seinen „Schwarzen Adlern“ gar nicht. In den letzten Jahren machte die Nationalmannschaft stetig Fortschritte. Im Jahr 2024 erreichte sie einen wichtigen Meilenstein, indem sie nach einer starken Leistung bei der Rugby Europe Championship wieder in die Top 30 der Weltrangliste aufstieg. „An Europameisterschaften nehmen wir regelmäßig teil. Der sechste Platz in diesem Jahr war schon ein Highlight und er zeigt uns, dass sich die harte Arbeit auszahlt“, freut sich der 55-Jährige, der im zivilen Beruf bei MLP in Wiesloch arbeitet.
Für eine WM-Teilnahme hat es für Deutschland bisher noch nicht gereicht, der Bundestrainer sieht die Qualifikation aber nicht als unmöglich an: „Der Qualifikationsmodus gibt uns die Chance dazu, dort müssen wir nämlich nicht gegen Schwergewichte ran.“
Dennoch ist es keine leichte Aufgabe für das Team. In einem Qualifikationsturnier, das im Februar nächsten Jahres stattfindet, spielt man in einer Gruppe mit Portugal, Rumänien und Belgien, ehe der Gruppensieger im Halbfinale antritt. Die vier besten Teams des Turniers, das gleichzeitig als Europameisterschaft zählt, sind automatisch für die Titelkämpfe 2027 in Australien qualifiziert. Der Fünftplatzierte bekommt in einem Repechage-Turnier noch einmal die Möglichkeit, den letzten verfügbaren Startplatz zu ergattern. „Die Teams in unserer Gruppe können wir an guten Tagen durchaus schlagen. Gerade Belgien haben wir schon bei der diesjährigen EM bezwungen. Mit unserem sechsten Platz sind wir schon in Schlagdistanz zu einem WM-Ticket“, erklärt Mark Kuhlmann die Lage.
Diese WM-Qualifikation wäre Gold wert für den Sport, bringt eine Teilnahme doch nicht nur sportliche und finanzielle Vorteile, sondern auch die Art von Aufmerksamkeit, die das Rugby braucht – vor allem in Deutschland. „Durch eine Teilnahme an der Weltmeisterschaft würden wir einen ähnlichen Effekt wie bei Olympischen Spielen erreichen: Wir würden die nötige TV-Präsenz bekommen und unseren Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit steigern. Die Leute würden sich vor den Fernseher setzen und sich mit unserem Sport beschäftigen – und Kinder würden vielleicht sogar inspiriert werden, um selbst Rugby spielen zu wollen“, sinniert der Bundestrainer.
In dieser Rolle ist es nun Mark Kuhlmanns Job, seine Mannschaft so gut wie möglich für das bevorstehende Turnier vorzubereiten. Einen Anfang machen dabei die kommenden Lehrgänge mit Spielen gegen die British Army in England und gegen das Nationalteam der Vereinigten Arabischen Emirate in Dubai.
Wir wünschen Mark Kuhlmann und der Deutschen Rugby-Nationalmannschaft viel Erfolg!