Maritta Becker: Eine Eishockey-Legende verabschiedet sich
Wer sind die erfolgreichsten Eishockeyspieler, die der Heilbronner EC hervorgebracht hat? Klar, der geneigte Eishockeyfan denkt sofort an Michael Hackert mit seinen 62 Länderspielen, drei WM-Turnieren und einer Olympia-Teilnahme. Oder an Daniel Fischbuch, den aktuellen Nationalspieler der Adler Mannheim, der schon viermal bei Weltmeisterschaften für Deutschland gespielt hat. Wetten, dass nur den wenigsten „Experten“ in diesem Zusammenhang der Name Maritta Becker einfällt? Und doch war in der über 40-jährigen Heilbronner Eishockey-Geschichte niemand erfolgreicher als die inzwischen 43-Jährige! Maritta Becker absolvierte 275 Länderspiele für Deutschland, erzielte dabei 89 Tore und gab 98 Vorlagen. Sie nahm an acht Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen 2002, 2006 und 2014 teil, wurde viermal Deutsche und einmal Schwedische Meisterin und gewann 2008 die Champions League der Frauen. Sie war von 2010 bis 2013 Trainerin der U18-Nationalmannschaft und sorgte in den letzten zehn Jahren in der DEL beim ERC Ingolstadt als Athletiktrainerin für die Fitness der Profis. Jetzt zieht sich die Heilbronner Eishockey-Legende, die ihren Lebensmittelpunkt in Ingolstadt hat, aus dem Sport zurück, der ihr Leben geprägt hat. Wir blicken gemeinsam mit ihr auf ihre erfolgreiche Karriere zurück.
Fotos: Stefan Bösl und ERC Ingolstadt
Autor: Lara Auchter
Maritta, du bist eine waschechte Eishockey-Legende die nicht nur national, sondern auch international ihren Fußabdruck hinterlassen hat. Diese große Karriere hat hier in Heilbronn angefangen. Erzähl unseren Lesern doch bitte mal, wie alles begann.
Maritta Becker: Ich bin durch meine Brüder zum Eishockey gekommen. Sie haben damals beim Heilbronner EC in der Laufschule angefangen, und natürlich wollte die kleine Schwester auch das tun, was die großen Brüder machen (lacht). So habe ich alles daran gesetzt, mit in die Eishalle zu dürfen. Ich war dann auch tatsächlich so etwas wie ein Naturtalent. Man hat mir die Schlittschuhe angezogen und ich konnte Schlittschuhlaufen, man hat mir den Schläger in die Hand gedrückt und ich konnte etwas mit dem Puck anfangen. Daraufhin hat der HEC gesagt, die hat es drauf, die lizenzieren wir. Ich habe mit zehn Jahren angefangen und bin mit 13 schon in die Landesauswahl von Baden-Württemberg gekommen. Bei meinem ersten Lehrgang wurde ich vom Bundestrainer entdeckt und im Februar 1995, mit noch nicht mal 14 Jahren, zum ersten Mal für die Frauen-Nationalmannschaft nominiert. Ich durfte dann auch direkt meine erste EM spielen. Bis 2014, mit kurzer Unterbrechung, war ich dann fester Bestandteil der Nationalmannschaft.
Deinen Anfang hattest du beim HEC gemacht, der Durchbruch in der Bundesliga kam dann aber beim Mannheimer ERC…
Maritta Becker: Genau. Ich bin 1996 nach Mannheim gewechselt, habe dort zuerst in der Jugend-Bundesliga gespielt und kurz darauf direkt in der Frauen-Bundesliga. Ich hatte in Mannheim einfach eine größere Perspektive, war bis 2001 für den MERC aktiv und habe mit dem Team auch drei deutsche Meistertitel geholt.
Anfang der 2000er-Jahre hast du dann den Schritt ins Ausland gemacht, gefolgt von einer Rückkehr nach Deutschland und einer Pause für das Studium. Wie war für dich diese Zeit?
Maritta Becker: Ich habe fast sechs Jahre in der Schweiz bei drei verschiedenen Vereinen gespielt und durch gute Leistungen dort ein Angebot vom schwedischen Top-Club AIK Solna bekommen, für den ich von 2007 bis 2009 aufs Eis ging. Mit AIK wurde ich Schwedische Meisterin und konnte auch den IIHF European Womens Champions Cup, quasi die Champions League der Frauen, gewinnen. Das war schon eine tolle Zeit und ich bin dankbar, dass ich diese Erfahrungen machen durfte. Von 2009 bis 2012 habe ich dann in München ein Studium zur Sportlehrerin absolviert. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eigentlich gedacht, dass ich aufhöre. Ich habe beim Deutschen Eishockey-Bund als Bundesnachwuchstrainerin angefangen, da damals die U-Nationalmannschaften neu aufgebaut wurden. Als Trainerin durfte ich mit der U18 an Weltmeisterschaften und der Jugend-Olympiade teilnehmen.
Nach deinem Studium hast du dann aber doch nicht aufgehört und noch weitere zwei Jahre Bundesliga und Nationalmannschaft gespielt. Was hat dich umgestimmt?
Maritta Becker: Ich denke dadurch, dass ich als Trainerin permanent auf dem Eis war und die Mädels habe spielen sehen, war mir im Herzen klar, dass ich mit dem aktiven Sport noch nicht abgeschlossen habe und es nochmal versuchen möchte. 2012 habe ich wieder angefangen, war für eine Saison beim ESC Planegg und bin dann zum ERC Ingolstadt gewechselt, da ich einen Club gesucht habe, bei dem ich mich gut auf die Olympischen Spiele in Sotchi vorbereiten konnte – denn diese waren mein letztes großes Ziel. Ingolstadt hat mir dabei einfach super Trainingsmöglichkeiten und ein gutes Umfeld angeboten, und es hat tatsächlich nochmal für die Nationalmannschaft und die Winterspiele 2014 gereicht.
2014 hast du dann aber tatsächlich deine aktive und auch deine Trainerkarriere beendet…
Maritta Becker: Genau. Nach meinen dritten Olympischen Spielen war klar, dass es diesmal wirklich zu Ende ist und ich jetzt auch dafür bereit bin. Mir wurde auch ziemlich schnell vom ERC Ingolstadt die Athletiktrainer-Stelle im Profibereich angeboten und es hat sich einfach richtig angefühlt, noch weiter im Sport zu bleiben, ohne selbst auf dem Eis zu stehen. Der Zeitpunkt war auch deshalb sehr spannend, da diese Position im deutschen Eishockey noch ziemlich neu war und das Thema Athletiktraining in der DEL gerade erst angefangen hatte sich zu etablieren. Die Position der Athletiktrainerin beim ERC Ingolstadt habe ich jetzt bis 2024 zehn Jahre bekleidet.
Was waren deine Aufgaben als Athletiktrainerin? Konntest du deine eigenen Erfahrungen als Spielerin mit einbringen?
Maritta Becker: Ich habe viele Bereiche abgedeckt. Natürlich habe ich mit reinem Athletiktraining angefangen, habe mich dann aber auch um verletzte Spieler gekümmert und die Reha gemacht. Ich war zudem im Jugendbereich tätig, habe in der U20 den Athletikbereich übernommen und durch meine Spieler- und Trainererfahrung auch das Videocoaching gemacht. Es war sehr hilfreich, dass ich die A-Trainerlizenz, ein abgeschlossenes Sportstudium sowie viele Weiterbildungen hatte.
War es am Anfang schwer für dich, im Männer-Bereich zu arbeiten oder wurdest du durch deine erfolgreiche Karriere sofort akzeptiert?
Maritta Becker: Ich glaube es ist egal, ob ein Mann oder eine Frau den Athletiktrainer macht. Am Ende des Tages zählt die Leistung. Wenn du es schaffst, die Spieler von deinem Konzept zu überzeugen, dann fangen sie an, dir und deiner Arbeit zu vertrauen. Ich will aber ehrlich sein: Es war ein harter Start, da der Beruf Athletiktrainer einfach noch nicht so angesehen und bekannt war und ich mir meine Akzeptanz erst erarbeiten musste. Ich glaube aber auch, dass das nicht am Geschlecht lag, sondern einfach am Beruf allgemein. Was mir viel Akzeptanz gebracht hat, war mein Wissen. Ich konnte das, wovon ich gesprochen habe, auch selbst vormachen. Ich bin immer meiner Linie und meinem Konzept treu geblieben und habe mit Ruhe und Geduld versucht, es in den Verein zu implementieren. Das wurde respektiert.
In diesem Sommer hast du nun den Eishockeysport komplett an den Nagel gehängt. Was sind deine Gründe dafür?
Maritta Becker: Ich mache nach 32 Jahren im Leistungssport gerade die Tiefen durch. Vor einigen Wochen habe ich ein neues Hüftgelenk bekommen und im Zuge dessen entschieden, dass es ein schöner Lebensabschnitt war und das Eishockey mir viel gegeben hat, dass es jetzt aber Zeit für etwas Neues ist. Ich kann nicht sagen, dass ich dem Eishockey nun für immer fernbleibe, aber in absehbarer Zukunft möchte ich mich in eine andere Richtung orientieren und arbeite nun als Personal Trainerin.
Du hast unzählige Jahre im Eishockey verbracht, große Wettkämpfe gespielt und viele Titel gewonnen. Hast du ein Highlight oder ein besonderes Erlebnis, welches dich auch weiterhin begleiten wird?
Maritta Becker: Meine ersten Olympischen Spiele in Salt Lake City waren etwas Besonderes, da wir damals auch das Eröffnungsspiel gegen die USA vor 15.000 Zuschauern gespielt haben. Das ist definitiv ein Erlebnis, bei dem ich jedes Mal Gänsehaut bekomme, wenn ich daran zurückdenke. In meiner Trainerkarriere waren die zwei DEL-Finals mit dem ERC Ingolstadt Highlights, die ich nicht vergessen werde. Persönlich würde ich sagen, dass meine Aufnahme in die Eishockey Hall of Fame Deutschland als dritte Frau überhaupt etwas ist, von dem ich nie dachte, dass es passieren würde. Und vor einiger Zeit habe ich erfahren, dass mein Trikot von den Winterspielen 2006 in Turin in der Hockey Hall of Fame in Toronto hängt. Das ist etwas sehr Besonderes, das mich unglaublich stolz macht.