Marielle Bouchti: Traum von den Olympischen Spielen
Start zur Junioren-Europameisterschaft 2023 in der Türkei, bei der Marielle Bouchti Elfte wurde.
Fotos: privat
Seit 2023 taucht der Name Marielle Bouchti immer häufiger in der regionalen Sportberichterstattung auf. Spätestens seit die 18-jährige Triathletin Deutsche Junioren-Meisterin wurde und nebenbei einen neun Jahre alten Unterländer U20-Rekord knackte, ist sie in aller Munde. Überhaupt war das Jahr 2023 für die 18-jährige Bad Friedrichshallerin, die in der Triathlon-Bundesliga für die Sport-Union Neckarsulm startet, mit Platz 11 bei der Juniorinnen-EM und Rang 29 bei der Juniorinnen-WM das bisher erfolgreichste ihrer Karriere. Wir haben die sympathische Studentin beim gemeinsamen Spaziergang durch die Neckarsulmer Weinberge zu ihren sportlichen Erfolgen, ihrem Werdegang und ihren Zielen befragt.
Autor: Lara Auchter
Marielle, du hast 2023 dein Abitur gemacht und bist kurz darauf nach Saarbrücken gezogen? Was waren die Gründe dafür?
Marielle Bouchti: Seit September trainiere ich dort am Bundesstützpunkt. Ich habe mich dafür entschieden, weil es in Saarbrücken einfach perfekte Bedingungen gibt – noch bessere als hier in Neckarsulm – und besonders die Schwimmgruppe dort sehr gut ist. Ich möchte jetzt in der Elite Anschluss finden und muss mich dafür vor allem im Schwimmen verbessern.
Du hattest also einen kompletten Neuanfang, da du auch in Saarbrücken studierst und deinen kompletten Lebensmittelpunkt ins Saarland verlegt hast. Wie war die Umstellung?
Marielle Bouchti: Es war holpriger als gedacht, gerade durch die Trainingsumstellung. An diese habe ich mich aber schnell gewöhnt. In Kombination mit meinem angefangenen Studium hatte ich eigentlich keine Zeit für Heimweh. Ich hatte mich auch schon früh für den Cut entschieden und konnte mich mental darauf vorbereiten. Es gefällt mir auch richtig gut in Saarbrücken und bis jetzt war es definitiv die richtige Entscheidung.
Marielle Bouchti (rechts) vertrat Deutschland zusammen
mit Kjara Reckmann und Felipa Herrmann bei der Junioren WM.
Was studierst du denn?
Marielle Bouchti: Ich studiere Humanbiologie an der Universität des Saarlandes und bin seit April im zweiten Semester. Mein Ziel ist es, später in die Pharmazie zu gehen.
2023 hat sich nicht nur bei deinem Wohnort etwas getan, sondern auch in deiner Karriere.Es war ein bedeutendes Jahr für dich, mit Teilnahmen bei der Junioren Europa- und Weltmeisterschaft.
Marielle Bouchti: Ja, da kam tatsächlich alles auf einmal. Es hat mich auch sehr überrascht, da ich aufgrund meines anstehenden Abiturs den Fokus erstmal auf die Schule gelegt und den Sport nach hinten angestellt hatte. Trotzdem war es meine bisher beste Saison.
Was hast du während dieser Zeit im Training geändert, das eventuell deine Leistung positiv beeinflusst haben könnte?
Marielle Bouchti: Das Training an sich habe ich eigentlich nicht geändert. Ich habe während meinen Lernpausen trainiert, bin dort meistens gelaufen, und das hat mir richtig gut getan. Da war der Sport eigentlich die Abwechslung vom Lernen und ich konnte den Kopf frei bekommen. Das hat vor allem mental einen riesigen Unterschied gemacht. Auch habe ich es durch mein Zeitmanagement geschafft, über mehrere Monate fit zu bleiben und konstant Leistungen zu zeigen. Ich habe vom Umfang zwar weniger trainiert, aber dafür eine höhere Spitzenbelastung gehabt. Das hat vermutlich den Ausschlag gegeben.
Du hast dich dann im Sommer für deine erste Junioren-WM qualifiziert, was eigentlich dein erster großer Wettkampf des Jahres war. Wie verlief der Qualifikationsprozess?
Marielle Bouchti: Die Reihenfolge war sehr komisch. Normalerweise kommen erst die deutschen Meisterschaften, dann die Europameisterschaften und zum Schluss die WM und man qualifiziert sich über die jeweiligen Platzierungen für die nächste Meisterschaft. 2023 war aber die WM schon Ende Juli und danach kam die EM und die DM erst am Schluss.
Du musstest dich also über internationale Wettkämpfe für die WM qualifizieren?
Marielle Bouchti: Genau, die Saison ging deshalb für uns schon sehr früh los. Im Frühjahr gab es einen internen Wettkampf in Kienbaum, der entschieden hat, wer zum Europacup nach Caorle (Italien) fahren darf. Dort war es dann eine inoffizielle Europameisterschaft, weil die Nationen über diesen Wettkampf die Teilnehmer für die WM nominiert haben. So durfte ich durch einen guten Wettkampf in Caorle bei der Junioren-WM in Hamburg starten. Und darüber habe ich mich dann für die EM qualifiziert.
Die Deutschen Meisterschaften am Ende der Saison waren also nur das Sahnehäubchen on top?
Marielle Bouchti: Genau. Mit dem Sieg und dem Meistertitel umso mehr (lacht).
Bei den Welt- und Europameisterschaften hast du zwei verschiedene Wettkämpfe erlebt. Wie schätzt du deine Leistungen ein?
Marielle Bouchti: Bei der EM habe ich als Elfte nur ganz knapp einen Platz unter den besten Zehn verpasst. Es war aber ein sehr guter Wettkampf von mir und die Bedingungen in der Türkei kamen mir an diesem Tag sehr entgegen. Die WM dagegen war gar nicht mein Wettkampf, das hatte schon beim Schwimmen angefangen. Wir sind dort in der Elbe unter einer Brücke durchgeschwommen. Dort war es stockdunkel und es herrschte ein ziemliches Chaos im Wasser. Es ging für mich in dem Moment wirklich nur ums Überleben und darum, heil aus dem Wasser zu kommen. Das hat mich schon zu viel Kraft gekostet und ich konnte den restlichen Wettkampf nicht mehr so gestalten, wie ich es mir vorgenommen habe.
Was würdest du als deine beste Disziplin einordnen?
Marielle Bouchti: Die Frage ist schwer zu beantworten. Bei mir ist es eher ein ständiges Verbessern meiner aktuellen Schwächen, anstatt den Fokus darauf zu legen, in einer Teildisziplin die Beste zu werden. Meine schwächste Disziplin ist aber definitiv das Schwimmen, deshalb bin ich auch nach Saarbrücken gegangen.
Setzt du im Training Schwerpunkte oder trainierst du alle drei Disziplinen gleichzeitig?
Marielle Bouchti: Der Wochenumfang ist immer der gleiche. Vier bis fünfmal die Woche schwimmen, drei bis vier Einheiten mit dem Rad und der Rest ist das Laufen. Dort unterscheidet sich das Training dann abhängig davon, worauf man seinen aktuellen Fokus setzt. Entweder laufe ich, um meine Beine wieder locker zu machen, oder ich trainiere meine Grundausdauer durch Dauerläufe bzw. stundenlanges Radfahren. Auch mache ich, besonders im Frühjahr, intensive Intervalleinheiten auf dem Rad und auf den Beinen. Da wird dann zwischen intensiven, kurzweiligen Einheiten und Dauerläufen abgewechselt.
Wenn du von Dauerläufen sprichst, wie lange bist du unterwegs?
Marielle Bouchti: Das kommt drauf an. Es gibt einen regenerativen Dauerlauf, der geht nur fünf bis sechs Kilometer und dient wirklich der aktiven Erholung, damit der Organismus wieder runterkommt. Die mittleren Dauerläufe sind zehn bis 12 Kilometer lang. Diese Distanz laufe ich meistens einmal in der Mitte der Woche. Der große Dauerlauf geht bis zu 18 Kilometer, und den gehe ich immer sonntags an.
Welche genauen Distanzen musst du im Wettbewerb zurücklegen?
Marielle Bouchti: Ich bewege mich auf der Sprintdistanz, das sind 750 bis 800 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren und fünf Kilometer Laufen.
Das sind trotzdem noch ziemlich große Distanzen. Wie bist du auf die Idee gekommen, diesen anspruchvollen Sport zu betreiben? Wie hat deine Triathlonkarriere angefangen?
Marielle Bouchti: In meiner Familie herrscht eine große Triathlonleidenschaft und ich bin durch meinen Vater Khalid Bouchti, der bis 2023 mein Heimtrainer war, zum Sport gekommen. Als Kind bin ich erstmal nur geschwommen und dann nach und nach in den Triathlonsport reingerutscht. Die Leistungsschiene kam dabei von mir selbst, da ich mich einfach immer mit anderen messen und vorne dabei sein wollte. Mein erster Wettkampf war sogar hier in der Heimat – die 1. Junior Challenge Heilbronn 2013.
Hattest du durch das hohe Trainingspensum jemals das Gefühl, dass du für deinen Sport in deinem Privatleben Opfer bringen musst?
Marielle Bouchti: Als Teenager gab es schon solche Phasen, besonders wenn sich dann deine Schulfreunde verabreden oder abends ausgehen, du aber Training oder Wettkämpfe hast. Das hat sich aber schnell gelegt und vor allem jetzt in Saarbrücken denke ich gar nicht darüber nach. Man muss auch einfach sagen, dass Partys und Leistungssport nicht miteinander funktionieren, und da muss man einfach drüberstehen und eine Entscheidung treffen. Ich bin sehr dankbar, dass ich meinen Sport professionell machen kann und so viele verschiedene Orte sehe, Kulturen kennenlerne und dadurch neue Freundschaften schließe. Das liebe ich auch am Sport, dass man sich unabhängig von der Leistung am Ende bei Wettkämpfen immer wieder trifft und das selbe Ziel hat, obwohl man woanders herkommt oder eine andere Sprache spricht.
Hast du für dich persönlich Ziele gesetzt die du erreichen möchtest?
Marielle Bouchti: Ich will einfach jeden Tag das Maximum aus mir herausholen. Natürlich hat man den Traum von den Olympischen Spielen, aber ich mache mir da keinen Stress. Ich will jetzt erstmal gute Leistungen zeigen, im Bundeskader bleiben und möglichst ohne Verletzungen meinen Sport betreiben.