Kanadische „Zwillinge“ bei den Heilbronner Falken
Im Eishockey kommt den Importspielern eines Teams eine besondere Bedeutung zu, sind sie doch im Idealfall die Akteure, die in einer engen Partie den Unterschied machen können. Bei den Heilbronner Falken folgten auf die schwedischen Zwillinge Pontus und Linus Wernerson Libäck aus der Saison 2023/24 die kanadischen „Zwillinge“ Nolan Ritchie (22) und Calder Anderson (23). Zwar sind die beiden, anders als ihre Vorgänger, nicht blutsverwandt, doch stehen die beiden Kumpels schon seit Kindheitstagen fast durchgehend gemeinsam auf dem Eis – erst bei den heimischen Brandon Wheat Kings, dann in der letzten Saison im italienischen Meran und nun bei den Falken. Im Spiel verstehen sie sich blind und es ist nicht ungewöhnlich, dass sie die Scorerlisten der Ligen anführen, in denen sie gerade aktiv sind: 2023/24 war Calder Anderson Spieler des Jahres der Alps Hockey League, in diesem Jahr wurde Nolan Ritchie zum MVP (Most Valuable Player) der Oberliga Süd gewählt. Wir haben uns während der Playoffs mit den beiden sympathischen Typen getroffen, um sie näher kennenzulernen und unseren Lesern vorzustellen.

Autor: Lara Auchter

Nolan Ritchie (links) und Calder Anderson haben in der Saison 2024/25 bei den Heilbronner Falken meist für die nötigen Tore gesorgt.
Fotos: Seventyfour.studio
Calder, Nolan, ihr habt jetzt eure erste Saison bei den Falken gespielt. Wie gefällt euch Deutschland und speziell Heilbronn?
Calder Anderson: Wir sind seit August hier und ich muss sagen: ich liebe es! Es ist definitiv anders als Kanada – ein anderer Lebensstil. Aber ich genieße es sehr und könnte mir vorstellen, noch viele Jahre hier zu bleiben. Heilbronn ist eine tolle Stadt mit großartigen Menschen, sowohl innerhalb der Organisation der Heilbronner Falken als auch außerhalb. Unsere Teamkollegen sind fantastisch, was den Übergang nach Deutschland auch viel einfacher gemacht hat.
Nolan Ritchie: Mir geht es genauso. Mein Vater hat früher sechs Jahre lang in Deutschland gespielt – bei den Steelers in Bietigheim – und ich habe als Baby hier gelebt. Jetzt selbst hier zu spielen, ist ziemlich cool. Es fühlt sich fast ein bisschen wie nach Hause kommen an.
Oha, wenn dein Vater so lange beim Lokalrivalen Bietigheim gespielt hat, was hat er dann zu deiner Entscheidung gesagt, dass du ausgerechnet für die Heilbronner Falken spielst?
Nolan Ritchie: Er fand es natürlich ziemlich lustig (lacht). Aber letztendlich hat er mich und auch Calder unterstützt und ist froh, dass wir unseren eigenen Weg gehen. Wir telefonieren sehr oft und meine Eltern waren auch schon zu Besuch. Dadurch, dass sie lange in der Gegend gelebt haben, freuen sie sich, dass ich nun auch das Eishockeyspielen in dieser tollen Region erleben darf.

Nolan Ritchie in Aktion.
Ihr seid beste Freunde und spielt schon lange zusammen. Seit wann kennt ihr euch?
Calder Anderson: Das war schon sehr früh – ich glaube, wir waren drei Jahre alt. Unsere Väter haben damals in Kanada zusammen ein Team trainiert, und so haben wir uns kennengelernt. Seitdem sind wir beste Freunde. Und bei 19 Jahren Freundschaft haben wir viele Erinnerungen zusammen – auf und neben dem Eis.
In Kanada wird einem das Eishockeyspielen in die Wiege gelegt und jedes Kind träumt von der NHL. War das bei euch genauso?
Calder Anderson: Natürlich. In Kanada träumt jedes Kind davon, in der NHL zu spielen. Als wir älter wurden, wurde uns jedoch klar, dass sich dieser Traum wahrscheinlich nicht in der Realität umsetzen lässt. Durch Nolans Vater kam dann die Idee auf, vielleicht nach Europa zu gehen und dort professionell zu spielen. In unserem letzten Jahr bei den Brandon Wheat Kings in der Western Hockey League haben wir dann ernsthaft darüber nachgedacht und schließlich beschlossen, nach Italien zu gehen. Das war definitiv die richtige Entscheidung.
Nolan Ritchie: Ich hatte sogar an ein paar NHL-Camps teilgenommen, aber letztendlich war der Wechsel nach Europa für uns beide der nächste logische Schritt. Es war eine große Chance.
Wie war der Übergang nach Europa?
Nolan Ritchie: Als wir letztes Jahr in Italien ankamen, war alles neu – die Sprache, die Kultur, der Lifestyle. Die ersten Wochen waren eine Herausforderung und eine große Umstellung, aber es war wirklich aufregend. Man lernt viel Neues kennen und wächst daran. Letztendlich haben wir uns gut eingelebt.
Wie kam es dazu, dass ihr nach Heilbronn gewechselt seid?
Calder Anderson: Nach dem Jahr in Südtirol haben wir uns umgesehen und wussten durch Nolans Vater, dass Deutschland ein guter Ort zum Spielen ist. Der Falken-Sportdirektor Martin Jiranek hat uns im Mai oder Juni kontaktiert und Nolan und mir Heilbronn schmackhaft gemacht – die Stadt, das Team, den Plan für die Saison – und es klang großartig. Wir haben uns dann gemeinsam für die Heilbronner Falken entschieden und sind sehr zufrieden hier. Ich glaube es war die richtige Entscheidung (lacht).
Was macht ihr außerhalb des Eises? Habt ihr die Stadt und die Region schon erkundet?
Calder Anderson: Wir reisen ein bisschen während der Pausen – zum Beispiel waren wir im November mit unserem Teamkameraden Brett Ouderkirk und seiner Verlobten in Spanien. Ansonsten sind wir in Heilbronn unterwegs, gehen Kaffeetrinken oder machen Ausflüge.
Nolan Ritchie: Neben dem Eis sind wir tatsächlich viel in der Stadt unterwegs und genießen das Leben hier in Heilbronn. Während der Playoffs ist es nun allerdings ziemlich hektisch und der Fokus liegt natürlich allein auf dem Sport. Da entspannen wir zwischendurch einfach, regenerieren oder telefonieren mit unseren Familien zu Hause.
Wie unterscheiden sich das Eishockey und die Fans hier von denen in Kanada?
Nolan Ritchie: Das Eishockey unterscheidet sich nur minimal. In Europa sind es weniger Spiele und es ist nicht ganz so körperlich wie in Kanada. Auch die Reisen sind kürzer – in Kanada hatten wir Busfahrten von bis zu zwei Tagen. Hier ist alles viel näher beieinander und man hat letztendlich mehr Zeit für Training und Regeneration.
Calder Anderson: Die Atmosphäre ist komplett anders! In Kanada sitzen die Leute ruhig da und jubeln nur bei Toren. Hier singen die Fans während des gesamten Spiels lautstark – das hilft enorm auf dem Eis und man wird natürlich von der Atmosphäre beflügelt. Selbst unsere Familien sind begeistert von der Energie hier im Stadion, da so etwas bei uns zuhause nicht üblich ist.

Eine Flasche Kräuterlikör für den Spieler des Abends – eine ganz neue Erfahrung für Calder Anderson, die man nur beim Auswärtsspiel in Bad Tölz machen kann… 😉