Hockeyclub Heilbronn: Kenianische Nationalspieler bei der TSG

Es war eine klassische WinWin-Situation, als klar war, dass Robert Masibo und James Muthii Mwangi für drei Monate für den Hockeyclub der TSG Heilbronn spielen würden. Das erste Herrenteam der TSG kämpfte gegen den Abstieg aus der Oberliga und hatte plötzlich zwei absolute Leistungsträger im Team, die einen großen Beitrag dazu leisteten, dass die TSG-Herren Anfang Juli die Klasse halten konnten. Und die beiden aus Nairobi stammenden Kenianer konnten viele Erfahrungen sammeln, die sie in ihrer Heimat in die Hockey-Entwicklungsarbeit einbringen können. Wir haben die beiden kenianischen Hockey-Nationalspieler getroffen und sie nach ihren Erlebnissen in Heilbronn und ihre sportlichen Erfahrungen gefragt.

Autor: Lara Auchter

7. August 2023

James Muthii Mwangi (rechts) und Robert Masibo (Bild unten) sind eine große Verstärkung für die Heilbronner Hockey-Herren. Fotos: Achim Gehrig

Wie kam es, dass ihr ausgerechnet nach Heilbronn gekommen seid?

Robert Masibo: Wir haben einen Freund, der beim VfB Stuttgart Hockey gespielt und mit der Vorsitzenden Daniela Bamberg Kontakt aufgenommen hat. So hatten wir die Chance, durch Daniela und die TSG über ein Hockey-Austauschprogramm nach Heilbronn zu kommen.

Seid ihr ausschließlich da, um Hockey zu spielen, oder studiert oder arbeitet auch hier? Was macht ihr, wenn ihr hier nicht gerade Hockey spielt?

Robert Masibo: Wir sind tatsächlich nur zum Hockeyspielen da. Es ist eine Art Austauschprogramm zwischen Kenia und Deutschland.

James Muthii Mwangi: Wenn gerade kein Hockey ist, schauen wir uns gerne die Umgebung von Heilbronn genauer an. Viel Zeit zum Sightseeing bleibt jedoch nicht. Wir sind auch oft mit der U16 unterwegs, und wenn die Jungs spielen, reisen wir normalerweise mit und sehen so auch verschiedene Städte.

Wie groß ist Hockey in Kenia im Vergleich zu Deutschland?

Robert Masibo: In Kenia ist es ein wachsendes Projekt, das noch in der Entwicklung ist. Hier in Deutschland ist der Sport schon entwickelt mit verschiedenen Ligen und vielen Jugendmannschaften in den Vereinen. Wir lernen hier sehr viel und versuchen, all das mit nach Kenia zu nehmen und auch dort bei unseren Clubs und allgemein im Hockey in Kenia einzubringen.

Ihr spielt mit den Herren in der Oberliga. Wie ist das Level für euch?

Robert Masibo: Es ist ein hohes Level und das Tempo in dieser Liga ist ein anderes im Vergleich zu uns in Kenia, aber trotzdem gut. Es ist eine sehr starke Liga und wir fühlen uns total wohl.

Was sind die größten Unterschiede zwischen kenianischem und deutschem Hockey?

Robert Masibo: Hier in Deutschland spielt man den europäischen Stil und in Kenia sind wir gerade im Umbruch. Wir haben sonst immer den indischen Hockeystil gespielt, wollen aber jetzt die deutsche bzw. europäische Spielweise kopieren. Im indischen Stil geht es um individuelle Qualität, viele Einzelkönner mit herausragenden Fähigkeiten. In Deutschland und Europa ist es ein Teamspiel, es wird zusammen als Team agiert und man verlässt sich nicht auf einen Ausnahmekönner.

James Muthii Mwangi: Außerdem ist auch der Untergrund anders. In Kenia spielen wir meist auf Gras oder sogar Sand. Aber hier haben die meisten Felder Kunstrasen, und ich denke das ist der größte Unterschied. Man ist als Nicht-Europäer den Turf nicht gewohnt und muss dadurch seine Spielweise ändern. Das Ballhandling ist auf Kunstrasen z.B. nochmal ganz anders als auf Gras.

Wie gefällt euch Heilbronn und Deutschland bis jetzt? Robert, du warst letztes Jahr ja schon einmal hier, während es für dich, James, das erste Mal ist.

James Muthii Mwangi: Ja genau, es ist auch mein erstes Mal in Europa generell. Es ist echt super die Kultur zu erleben, die Kulturunterschiede kennenzulernen oder auch das wechselhafte Wetter (lacht). Es ist bis jetzt sehr schön.

Robert Masibo: Es ist immer großartig, eine neue Kultur kennenzulernen und auch neues Essen zu probieren. Es hat mir viel Spaß gemacht und die Erfahrungen waren echt toll.

 

Habt ihr in Kenia Vereine wie in Deutschland? Hier sind Vereine ja ein bisschen wie eine große bunte Familie…

Robert Masibo: Ja, wir haben Vereine in Kenia und wir spielen auch beide bei unterschiedlichen Clubs. Der größte Unterschied dabei ist aber die Jugendarbeit und die Entwicklung der Spieler im Kindesalter. Hier fängt man in der U8 oder sogar U6 an und entwickelt sich über alle Jugendteams bis hin zur U21 und dem Männerteam. In Kenia ist das ziemlich anders, dort fangen die meisten in der Highschool mit dem Spielen an, also mit 14 oder 15 Jahren. Letztendlich sind wir hier, um unsere Erfahrungen mit nach Kenia zu bringen und diese dort besonders in den Vereinen zu implementieren. Aber die typische Vereins-Mentalität, dass jeder mithilft und man eine große Familie ist, gibt es in Kenia auch.

Wie seid ihr zum Hockeyspielen gekommen?

Robert Masibo: Ich hatte das Glück, dass meine Eltern beide Hockey gespielt haben. Also habe ich früh angefangen, als ich acht Jahre alt war. Ich habe mich also ähnlich wie hier in Deutschland durch verschiedene Altersgruppen langsam entwickelt.

James Muthii Mwangi: Ich habe in der Highschool angefangen, ungefähr mit 14. Ich war auf einer sehr guten Schule mit einem Ausgeglichenen Stundenplan an Unterricht und Sport. Es gab auch ein breites Sportangebot und so bin ich zum Hockey gekommen. Robert und ich waren sogar auf der gleichen Schule, er war nur etwas älter und hat mich sogar trainiert.

Wie oft trainiert ihr in Kenia im Vergleich zu Deutschland?

Robert Masibo: Wir trainieren jeden Tag, das hat sich nicht geändert. Der Unterschied ist, dass man hier einen festen Trainings- und Zeitplan hat, wer wann und wie oft trainiert. In Kenia haben wir oft zu unseren eigenen Zeiten trainiert, auch weil es im Club nicht so viele Mannschaften gibt, die man koordinieren muss.

Robert, du hilfst auch bei der Jugend im Training?

Robert Masibo: Ja, ich helfe, wenn ich gefragt werde, und mache das auch gerne.

Habt ihr irgendwelche Ziele in Kenia? Vor allem mit der Nationalmannschaft?

James Muthii Mwangi: Es ist alles noch in der Entwicklung, aber im Oktober ist ein Turnier, bei dem wir teilnehmen und uns für die Olympischen Spiele 2024 qualifizieren können. Die Mannschaft trainiert jetzt schon dafür, wir zwei hier in Heilbronn, die anderen zuhause in Kenia. Wenn wir also zurückkommen, können wir einfach direkt in das Training des Nationalteams einsteigen.

Habt ihr eine Chance, euch für Paris zu qualifizieren?

Robert Masibo: Kann ich nicht sagen, natürlich sind wir keine Favoriten. Wir müssen uns gegen Teams aus Südafrika, Ägypten, Ghana und Nigeria durchsetzen. Das sind alles gute Teams, aber wir werden unser Bestes geben.