Handballcoach Ben Matschke: Nächster Karriereschritt in Wetzlar

„Von der Wohlfühloase ins Neuland – Ben Matschke ist entspannter denn je“, unter dieser Headline hatten wir zuletzt in Ausgabe 19 des SPORTHEILBRONN-Magazins über den Wechsel des Handballtrainers Ben Matschke von den Eulen Ludwigshafen zur HSG Wetzlar berichtet. Jetzt, über ein Jahr später, haben wir den gebürtigen Heilbronner an seinem neuen Arbeitsplatz in Mittelhessen besucht. Ob das „Neuland“ in Wetzlar so ist, wie er es sich vorgestellt hatte, und welches die Unterschiede der Trainerrolle beim „Underdog“ Ludwigshafen und jetzt beim Europapokal-Kandidaten Wetzlar sind, hat uns der 39-Jährige hier im Interview erzählt.

Autor: Lena Staiger

27. April 2022

HSG Trainer Ben Matschke im Einsatz

Fotos: Oliver Vogel

Ben als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, warst du noch Coach bei den Eulen Ludwigshafen. Nun bist du ja schon seit einiger Zeit hier bei der HSG Wetzlar. Damals war deine Aussage, dass das hier komplettes Neuland für dich werden würde. War es tatsächlich so?
Ben Matschke: Genau so war es. Keiner kannte mich hier und ich wollte mich beim Team, bei der Geschäftsleitung und den Fans als Benjamin Matschke neu beweisen. Ich kann mich noch erinnern, dass mich beim ersten Spiel gegen Lemgo ganz viele fragende Gesichter angeschaut haben, die noch nicht so recht wussten, was sie jetzt mit diesem „Neuen“ anfangen sollten. Deshalb bin ich jetzt schon sehr erleichtert, dass es so gut lief und ich inzwischen Fragen zum Europapokal beantworten „muss“. Ich habe hier in Wetzlar schnell das Gefühl vermittelt bekommen, dass man den angestrebten Weg gerne mit mir gemeinsam gehen und mit mir zusammenarbeiten möchte. Das hat mich natürlich riesig gefreut.

Deine Aufgabe hier scheint dir also ziemlich Spaß zu machen…
Ben Matschke: Auf jeden Fall! Die Aufgaben hier haben mich sehr gereizt, da Wetzlar ein absoluter Traditionsverein ist. In einem solchen Traditionsverein möchte ich natürlich dazu beitragen, dass die Mannschaft auch in Zukunft weiter spannende Spiele und Saisons spielt. Man spürt die Geschichte des Vereins, und dass die Fans schon seit Jahrzehnten dabei sind. Sie sind immer da und feuern die Jungs an. Ich sehe mich auch ein Stück weit als Trainer, der die Fans versteht, ihnen zuhört und versucht, ihre Bedürfnisse auch in seine Entscheidungen einfließen zu lassen. Schließlich bin ich nicht nur hier, um Anweisungen zu geben. Der Handball hier in Wetzlar soll attraktiv und spannend sein. Ich hoffe, dass wir in Zukunft noch viele tolle Erfolge und Feste gemeinsam feiern können.

Der bisherige Erfolg gibt dir auf jeden Fall recht. Wie sehr hat die Corona-Pandemie deine Arbeit hier noch beeinflusst?
Ben Matschke: Corona hatte und hat immer noch einen starken Einfluss auf uns. Ein großer Teil war, dass natürlich die Nähe zu den Fans gefehlt hat. Das hat sich jetzt zum Glück ja geändert und wir dürfen wieder in der vollen Halle spielen. Ein weiterer großer Faktor, der uns auch aktuell noch beschäftigt, ist, dass die Spieler ja aus ganz Europa hierher zum Trainieren und Spielen kommen. In Ludwigshafen hatte ich während der Länderspielpausen immer die ganze Mannschaft im Zugriff, hier habe ich meist nur fünf bis sechs Spieler. Man muss die PCR-Tests abwarten und genau planen, wann welcher Spieler wieder zur Mannschaft stoßen und mit dem Training beginnen kann. Es gibt wirklich viele Dinge zu beachten, das macht es natürlich schwieriger. Nichtsdestotrotz freue ich mich, dass wir wieder auf die Öffnungen und die Normalität zusteuern.

Hatte die Mannschaft auch Quarantänephasen oder seid ihr davon verschont geblieben?
Ben Matschke: Wir hatten zum Glück nie die Situation, dass die ganze Mannschaft auf einmal in die Quarantäne musste. Natürlich saßen immer wieder einzelne Spieler zuhause. Aktuell sehen es die Regeln vor, dass man erst ab fünf positiven Fällen ein Spiel absagen kann. Wir sind sehr vorsichtig und schicken die Spieler schon beim kleinsten Anzeichen in die Isolation. Auch unser Hygienekonzept ist sehr ausgefeilt mit verschiedenen Umkleidekabinen, Bussen usw.

Du wohnst aktuell noch immer in Weinheim. Wie oft bist du hier vor Ort? Weinheim – Wetzlar ist dann doch ein gutes Stückchen Fahrt.
Ben Matschke: Genau, ich fahre ungefähr 70 Minuten mit dem Auto. Ich bin jede Woche mindestens einmal hier, abhängig vom Training. Um komplett herzuziehen, sehe ich meine Frau und meine Kids zu gerne (lacht). Manchmal bleibe ich aber auch über Nacht, das hängt dann vom Trainingsplan ab. Mittwochs bin ich vormittags auch noch sechs Stunden an der Schule und unterrichte dort meine zwei 13er Klassen.

Lässt sich das dann noch mit deinem Trainerjob in Wetzlar vereinbaren?
Ben Matschke: Ja, auf jeden Fall. Dass ich weiter unterrichten kann, war ein Wunsch von mir und ich freue mich sehr, dass die HSG das möglich gemacht hat. Ein Tag ohne Handball tut mir ganz gut und ich brauche das zum Ausgleich.

Wie läuft dann das Training in Wetzlar ab, wenn du nicht vor Ort bist?
Ben Matschke: Das war auch eine kleine Umgewöhnung von den Eulen hierher nach Wetzlar. Hier habe ich viel mehr Mitarbeiter und ich musste lernen, mehr zu delegieren. Die Mannschaft hat Co-Trainer, Mental- und Athletikcoaches. Es sind also immer Ansprechpartner für die Jungs vor Ort.

Hört sich an, als ob du in Wetzlar gut angekommen bist…
Ben Matschke: Auf jeden Fall. Es macht einfach Spaß, hier auf einem anderen Niveau arbeiten zu zu dürfen. Von mir werden andere Dinge verlangt und auch die Erwartungshaltung ist anders. Hier erwartet man einen Sieg und ich habe auch eine Verantwortung für die Entwicklung der Spieler. Es geht nicht mehr nur um das nackte Ergebnis im Abstiegskampf wie in den Jahren zuvor. Der Umgang mit Beratern und Nationaltrainern und -spielern fordert mich. Allgemein merkt man, dass das hier ein höchst professionelles Wirtschaftsunternehmen ist, dessen Ziel der Erfolg sein muss.

Ben Matschke und seine Kinder Leni und Hannes mit unseren Redakteuren Steffi Hägele und Ralf Scherlinzky

Foto: Privat

Klopfen inzwischen auch schon andere große Vereine bei dir an, wenn du mit Wetzlar auf solch einem Toplevel spielst?
Ben Matschke: Ich glaube ich bin hier in dieser Hinsicht sehr gut beraten. Aktuell bin ich erst in meinem fünften Jahr in der Bundesliga und mit meinen 39 Jahren habe ich auch noch Zeit. Mein Vertrag hier läuft auf jeden Fall bis 2023 und ich schaue, dass ich einen ordentlichen Job in Wetzlar mache.

Anfang April hattet ihr ein ungewöhnliches und bestimmt sehr emotionales Freundschaftsspiel gegen die Nationalmannschaft der Ukraine. Wie war das Spiel für dich als Coach?
Ben Matschke: Außergewöhnlich. Allein schon die Nationalhymne zu hören und dabei diese schrecklichen Bilder im Kopf zu haben. Man kann nicht annähernd erahnen, was diese Sportler mit ihren Familien durchmachen mussten und noch müssen. Das Ergebnis des Spiels war Nebensache. Ich habe viel gewechselt und vier Spieler aus der U23-Mannschaft haben viel Einsatzzeit bekommen.
Toll war, dass jedes Tor beider Mannschaften vom Publikum gefeiert wurde. Ein außergewöhnlicher Abend…