Von der Wohlfühloase ins Neuland – Ben Matschke ist entspannter denn je

Benjamin Matschke ist in Ludwigshafen Kult. Seit nunmehr vier Jahren führt der Heilbronner an der Seitenlinie des Handball-Bundesligisten Eulen Ludwigshafen Regie. Der 38-Jährige schaffte mit seinem Verein drei Jahre in Folge den Klassenerhalt und kämpft mit den Eulen auch dieses Jahr wieder, um den rettenden Platz 16 zu erreichen. Seit September 2020 ist nun aber klar: Der local Hero verlässt zum Saisonende die Metropolregion Rhein-Neckar und schließt sich dem hessischen Liga-Konkurrenten HSG Wetzlar an. Wir haben mit dem sympathischen Coach über die Beweggründe für seinen Wechsel sowie über die besondere Coronablase bei den Eulen gesprochen.

Fotos: Harry Reis, Michael Sonnick, Ralf Scherlinzky

Autor: Ralf Scherlinzky

3. März 2021

Hallo Ben, wie lebt es sich in der besonderen Coronablase bei den Eulen? Eure Geschäftsführerin Lisa Heßler hat uns für unsere Titelgeschichte erzählt, dass ihr das Team zweigeteilt habt, um immer eine spielfähige Mannschaft zu haben…

Benjamin Matschke: Das ist schon anstrengend und wir versuchen alles, dass das Team gesund bleibt. Wir halten die Spieler abseits von Training und Spielen so weit wie möglich auf Distanz zueinander, damit es im Fall einer Ansteckung nur wenige „Kontaktpersonen 1“ gibt, die in Quarantäne müssen. Wir testen zweimal pro Woche und versuchen schnell und sensibel mit Symptomen umzugehen. Auch ein Spieler, der negativ getestet ist und leichte Erkältungssymptome hat, bleibt sicherheitshalber vom Training zuhause. Da so auch bei den Spielen immer wieder mal Leute fehlen, ist vieles sportlich schwierig zu bewerten. Jedes Team macht da seine unterschiedlichen Erfahrungen, aber das kann unter Umständen schon in Richtung Wettbewerbsverzerrung gehen.

Dass die „Eberthölle“ in dieser Saison wieder zur Eberthalle wurde und ihr ohne Zuschauer spielen müsst, ist sicher auch nicht zuträglich…

Benjamin Matschke: Dieses Thema sind wir schon frühzeitig angegangen. Wenn wir schon keine Fans in der Halle haben können, wollen wir unsere eigenen Fans sein. „Fan von uns selbst sein“ – das hängt auch plakativ in der Kabine. Wir wollen auf dem Feld lauter sein als die Gegner, und das gelingt uns sehr gut.

Ben Matschke und die Eulen – das hat in den letzten Jahren einfach zusammengehört. Wie kam es dennoch zu der Entscheidung für den Wechsel?

Benjamin Matschke: Ich habe sehr lange mit mir gerungen, ob ich diesen Schritt gehen soll. Mir geht es in Ludwigshafen sehr gut. Ich fühle mich wohl, habe eine Mannschaft, die brennt, ein tolles Umfeld, das mich unterstützt, und Kompetenzen, die eigentlich weit über die eines Trainers hinausgehen. Eigentlich ist Ludwigshafen meine Wohlfühloase. Und genau damit habe ich einen Punkt erreicht, an dem ich eine neue Herausforderung brauche. Ich möchte mich in einer neuen Umgebung vom Busfahrer über den Physio bis zu jedem einzelnen Spieler als Mensch Benjamin Matschke neu beweisen.

Spielt dabei auch die sportliche Situation eine Rolle? Die Eulen kämpfen Jahr für Jahr um den Klassenerhalt, während die HSG Wetzlar im sicheren oberen Mittelfeld spielt.

Benjamin Matschke: Jein. Nach vier Jahren Abstiegskampf, in denen wir 75 Prozent der Spiele verloren haben, musste ich gegenüber der Mannschaft immer wieder neue Schubladen aufziehen. Ein paar weitere Jahre in diesem extremen Rad würde ich wahrscheinlich nicht durchhalten. Durch die frühe Entscheidung für den Wechsel bin ich jetzt in jedem Fall entspannter denn je und möchte den Verein nach insgesamt 13 Jahren als Spieler und Trainer im besten Zustand verlassen – sprich, ich gebe nochmal alles, damit wir den Klassenerhalt schaffen!

Wirst du weiterhin in Weinheim wohnen oder ziehst du um?

Benjamin Matschke: Ja, ich bleibe dort und werde auch weiterhin an meiner Schule in Schwetzingen unterrichten, reduziere aber die Unterrichtszeit auf einen Tag pro Woche. Nach Wetzlar fahre ich von zuhause nur eine Stunde, so dass ich sowohl beim Training als auch bei meiner Familie präsent sein kann. Außerdem bekomme ich in Wetzlar auch eine Wohnung, in der ich übernachten kann, wenn es mal zu spät wird.