Benjamin Matschke: Cheftrainer bei FRISCH AUF! Göppingen
Seit Benjamin Matschke 2018 und 2019 jeweils am letzten Spieltag den Bundesliga-Klassenerhalt mit den Eulen Ludwigshafen geschafft hatte, gilt er als einer der vielversprechendsten jungen Handballtrainer in Deutschland. Dass er 2022, nach nur etwas mehr als einem Jahr, von seinem nächsten Arbeitgeber HSG Wetzlar freigestellt wurde, sorgte damals selbst in den Reihen der HSG-Fans für Kopfschütteln. Danach wurde es um den Heilbronner, der in Neckargartach aufgewachsen ist und seine handballerischen Grundlagen in Weinsberg gelegt hat, ruhig. Jetzt, mit 42 Jahren, ist Ben Matschke als Cheftrainer des Traditionsvereins FRISCH AUF! Göppingen wieder ins Rampenlicht der Handball-Bundesliga zurückgekehrt. Wir haben ihn beim Heimspiel gegen den SC DHfK Leipzig in der „Hölle Süd“ besucht und hatten nach dem 29:27-Sieg die Gelegenheit, uns mit ihm zu unterhalten…

Autor: Lara Auchter

Ben Matschke – eigentlich die Ruhe in Person, an der Seitenlinie aber ein „Vulkan“, der in jedem Spiel viele Kilometer zurücklegt. Fotos: Thomas Kircher
Ben, wir haben uns das letzte Mal getroffen, da warst du noch Cheftrainer bei der HSG Wetzlar. Seitdem ist einiges passiert. Nimm uns doch mal mit auf deinen Weg…
Ben Matschke: Ja, das stimmt – das war ziemlich genau vor drei Jahren, im April 2022. Damals waren wir mit der HSG Wetzlar mitten im Kampf um den Europapokal und standen auf Platz fünf. Aber wir hatten einen extremen Umbruch im Kader: viele neue Spieler, viele sehr junge Spieler – am Ende war es die zweitjüngste Mannschaft der Liga mit einem Altersdurchschnitt von 23,2 Jahren. Rückblickend war das vielleicht etwas zu viel auf einmal.
Also zu jung, zu unerfahren?
Ben Matschke: So kann man es sagen. Uns fehlten laut einem Journalisten damals rund 450 Bundesligaspiele im Vergleich zur Saison davor – einfach, weil erfahrene Spieler den Verein verlassen hatten. Wir waren trotzdem konkurrenzfähig, haben viele Spiele unglücklich verloren und waren nicht weit weg. Aber es hat nicht gereicht. Und obwohl ich einen Vertrag bis 2025 hatte, kam es dann zur Trennung.

„Privat-Pressekonferenz“ nach dem Heimsieg gegen Leipzig: Ben Matschke (links) mit den SPORTHEILBRONN-Redakteuren Ralf Scherlinzky und Lara Auchter.
Und dann kam erst eine längere Pause und jetzt seit dieser Saison FRISCH AUF! Göppingen…
Ben Matschke: Genau. Ich war eineinhalb Jahre raus aus dem Bundesliga-Geschehen. In dieser Zeit hatte ich einige Anfragen – was in unserer Branche ganz normal ist, wenn Vereine in Schieflage geraten. Aber ich wollte auf das Richtige warten. Und als Göppingen mit einer spannenden Perspektive auf mich zukam, war für mich klar: Das ist es!!!
Was hat dich an diesem Projekt so gereizt?
Ben Matschke: Alles (lacht). Ich bin Schwabe – für mich ist es etwas ganz Besonderes, für diesen Club arbeiten zu dürfen. Als Jugendlicher habe ich, als ich selbst aktiv in Weinsberg gespielt hatte, mit 16 Jahren mein erstes Bundesligaspiel als Zuschauer in Göppingen erlebt. Jetzt hier an der Seitenlinie zu stehen, ist ein Privileg. Der Club hat eine große Tradition, eine großartige Halle mit einzigartiger Atmosphäre – und ich will helfen, Frisch Auf! wieder dorthin zu bringen, wo der Verein hingehört.
Wie sieht deine sportliche Vision mit Göppingen aus?
Ben Matschke: In diesem Jahr hatten wir wieder einen Kader mit vielen neuen Spielern. Ich konnte aus meinen Erfahrungen in Wetzlar lernen – zum Beispiel, wie wichtig Kommunikation ist. Deshalb haben wir einen besonderen Wert darauf gelegt, dass die neuen Spieler, vor allem die Skandinavier, schnell Deutsch lernen. Das klappt sehr gut. Und weil sie meist auch gutes Englisch sprechen, haben wir eine gute Kommunikation untereinander. Das war in Wetzlar teilweise schwieriger.
Wie stellt man im Rahmen eines solchen Umbruchs eine neue Mannschaft zusammen? Du musst ja auch verschiedene einzelne Charaktere zu einem Team zusammenschweißen…
Ben Matschke: Wir haben versucht, uns durch gutes Scouting so aufzustellen, dass wir Spieler nach Göppingen holen, die charakterlich zu uns passen, zum anderen aber auch taktisch sehr flexibel sind und uns dadurch viele taktische Möglichkeiten geben. Im Spiel gegen Leipzig haben wir zum Beispiel sowohl eine 5:1- als auch eine 6:0-Abwehr gezeigt, dazu verschiedene Rückraumkonstellationen. So können wir auf viele Spielsituationen reagieren. Zu Beginn der Saison war es natürlich entscheidend, dass jeder Spieler schnell seinen Platz gefunden hat – sportlich wie menschlich.
Göppingen ist für seine gute Jugendarbeit bekannt. Welche Rolle spielt der Nachwuchs in der Zukunft des Teams?
Ben Matschke: Eine sehr große! Es ist ein zentraler Teil meiner Aufgabe, junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu integrieren. Elias Newel war diese Saison in einigen Spielen schon ein wichtiger Faktor, Torhüter Julian Buchele wird ebenso wie Oskar Neudeck zurückkommen und Tim Goßner wird auf Rechtsaußen spielen. Wir werden nächstes Jahr vier Spieler aus dem Nachwuchsleistungszentrum im 16er-Kader haben, die auch alle für die Junioren-Nationalmannschaft auflaufen. Das ist Qualität und Identität – das spüren auch die Fans.
Inwiefern?
Ben Matschke: Hinter dem Tor sitzen die E- bis A-Jugendspieler mit ihren Eltern, die trommeln, mitfiebern – das ist eine ganz besondere Verbindung zwischen Mannschaft und Region. Wenn ein A-Jugend-Torwart, der gestern noch bei uns trainiert hat, heute mit der Trommel in der Halle sitzt, dann merkt man: Da wächst etwas. Das macht mir große Freude.
Du bist nicht nur Trainer, sondern auch Lehrer. Wie bringst du das alles unter einen Hut?
Ben Matschke: Ich unterrichte weiterhin sechs Stunden pro Woche in Schwetzingen. Das mache ich seit meinem Referendariat. Damals hatte ich parallel Bundesliga gespielt. Die Schule ist mein Rückzugsort, ein Ort, an dem ich nicht nur Abstand vom Handball bekomme, sondern auch neue Perspektiven. Und ich bin einfach gerne Lehrer.

Wie sieht so eine Woche dann bei dir aus?
Ben Matschke: Ich bin aktuell mittwochs an der Schule, ansonsten immer in Göppingen. Auf dem Weg fahre ich das ein oder andere Mal gern im Weinsbergertal raus, um meine Eltern und Geschwister zu besuchen. Ich habe dabei das große Glück, dass meine Schule mich unterstützt, wo sie kann. Bisher passt diese Kombination recht gut für mich.
Zum Schluss: Was wünscht du dir für die kommende Saison?
Ben Matschke: Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, in Göppingen etwas Nachhaltiges aufzubauen. Wir werden nur zwei Neuzugänge haben und ansonsten mit einer eingespielten Mannschaft in die nächste Saison gehen. Ich glaube fest daran, dass wir den nächsten Schritt machen können und nicht nur sportlich wachsen, sondern auch als Gemeinschaft.