Moritz Schreiber: ELF-Champion und Sportstipendiat
Er ist einer, den man im Spiel kaum bemerkt – und das ist auch gut so. Denn wenn der Center im American Football seine Arbeit richtig macht, läuft alles reibungslos. Moritz Schreiber stammt aus Schwäbisch Hall, spielt für die Stuttgart Surge in der European League of Football (ELF) und studiert Wirtschaftsingenieurwesen an der Hochschule Heilbronn. Anfang September holte er gemeinsam mit seinem Team zum ersten Mal den ELF-Meistertitel – vor über 36.000 Zuschauern in der Stuttgarter MHPArena. Im Interview erzählt der 29-Jährige über Teamgeist, Verantwortung und das grandiose Championship Game in Stuttgart.

Autor: Lara Auchter

Moritz Schreiber wirft zum Start des Spielzugs den Ball durch die Beine zum Quarterback. Fotos: Thomas Kircher
Moritz, du bist in Schwäbisch Hall groß geworden – da kommt man am American Football kaum vorbei, oder?
Moritz Schreiber: Ja, das stimmt. Ich habe 2006 angefangen, also vor fast 20 Jahren, als die Schwäbisch Hall Unicorns noch lange keine deutschen Meister waren. Fußball war nie so meins, obwohl mein Bruder gekickt hat. Ich bin beim Football gelandet – und hängen geblieben. Bevor ich vergangene Saison zu Stuttgart Surge in die höchste europäische Football-Liga ELF gewechselt bin, war ich 19 Seasons bei den Unicorns.
Wie kam es zum Wechsel nach Stuttgart?
Moritz Schreiber: Viele Trainer und Mitspieler aus Hall sind nach Stuttgart gegangen und da war irgendwann klar, dass ich das auch machen möchte. Die ELF ist einfach die höchste Spielklasse in Europa. Natürlich will man sich mit den Besten messen. Ich hatte schon früher Gespräche mit Surge-Headcoach Jordan Neuman, mit dem ich zuvor lange bei den Unicorns gearbeitet habe. Letztes Jahr hat es dann endlich gepasst. Rückblickend war es die beste Entscheidung überhaupt – mein erstes Jahr ELF, direkt Meister, und das auch noch im eigenen Stadion. Besser geht es nicht.
Ein Magnum-“Bierchen“ für Moritz Schreiber bei der Meisterfeier auf dem Rasen der Stuttgarter MHPArena.
Das „Finale dahoim“ in der MHPArena – über 36.000 Fans, eine Wahnsinnsstimmung und am Ende ein 24:17-Sieg gegen die Vienna Vikings. Was geht einem da durch den Kopf?
Moritz Schreiber: Das war schon besonders. Normalerweise spielen wir vor 3.000, vielleicht 4.000 Leuten. Aber in so einem vollen Stadion einzulaufen ist Gänsehaut pur. Vor allem, weil du plötzlich das Gefühl hast, wirklich auf einer großen Bühne zu stehen. Die Kabinen, der Tunnel, die Porsche Lounge – alles wirkt so professionell. Und wenn du dann aufs Feld kommst, bebt alles und du musst dich bemühen, fokussiert zu bleiben. Ich bin nicht der Typ, der vorher nervös ist, aber in diesem Moment… da spürst du es schon.
Wie hast du das Spiel selbst erlebt? Es war ja bis zur letzten Sekunde spannend und die letzten 51 Sekunden hatten sich wie eine Ewigkeit angefühlt.
Moritz Schreiber: Oh ja. 51 Sekunden können im Football verdammt lang sein (lacht). Wien war stark und ist auch in Führung gegangen, aber wir haben nie das Vertrauen verloren. Die letzte Minute war heftig und das Spiel hätte nochmal kippen können. Ich konnte gar nicht hinsehen und habe lieber auf die Fans geschaut und an deren Reaktionen erkannt, was passiert. Und als der Sieg feststand, war das einfach pure Erleichterung und Freude.
Wie habt ihr den Titel gefeiert?
Moritz Schreiber: Direkt nach dem Spiel war es natürlich emotional. Viele Jungs waren seit der ersten Surge-Saison dabei und sind mit dem Team durch Höhen und Tiefen gegangen. Wir waren abends mit Fans in einer Bar, eine Woche später gab es eine interne Abschlussfeier, zwei Wochen danach waren wir beim VfB Stuttgart eingeladen. Und das Highlight war dann definitiv noch der Eintrag ins Goldene Buch der Stadt Stuttgart.
Du spielst Center – für viele Außenstehende eine eher unsichtbare Position. Was genau machst du da eigentlich?
Moritz Schreiber: Ich bin der Typ, der den Ball durch die Beine zum Quarterback wirft und dann verhindert, dass jemand ihn umhaut (lacht). Aber es steckt viel mehr dahinter. Ich gebe an der „Line of Scrimmage“ die Kommandos – wie wir blocken, wie die Defense reagiert – und ich muss blitzschnell entscheiden, wer welchen Gegenspieler nimmt. Es ist sehr viel Kommunikation und Abstimmung. Und ja, wenn man uns nicht bemerkt, ist das ein gutes Zeichen, denn dann haben wir unseren Job gemacht.
Also bist du quasi das Rückgrat der Offense. Spürt man da Druck?
Moritz Schreiber: Natürlich, du bist bei jedem Spielzug beteiligt. Aber das ist Routine. Ich habe über die Jahre Tausende „Snaps“ gemacht und wichtig ist, dass du blind weißt, was passiert. Ich spiele jetzt seit 2014 unter Coach Neuman, kenne sein System in- und auswendig. Es gibt kleine Veränderungen und neue Spielzüge, aber die Grundprinzipien sind gleichgeblieben. Und das Vertrauen im Team ist riesig – gerade zwischen den fünf Jungs in der O-Line. Da verlässt sich jeder auf den anderen.
Du sagst selbst, du bist nicht der Typ fürs Rampenlicht. Was motiviert dich dann am meisten?
Moritz Schreiber: Das Team. Wir O-Liner sind eine ganz eigene Spezies (lacht). Wir stehen nie im Rampenlicht, kriegen selten Lob, sondern eher Kritik, wenn was schiefläuft. Aber genau das schweißt uns zusammen. Wir geben uns gegenseitig die Anerkennung. Wir wissen, ohne uns geht nichts – und das reicht völlig.
Du studierst parallel an der Hochschule Heilbronn. Wie bekommst du Studium und Profisport unter einen Hut?
Moritz Schreiber: Ich studiere Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Energiemanagement und bin im sechsten Semester. Es ist stressig, klar, Training dreimal pro Woche mit dem Team, dazu eigene Einheiten im Gym, plus Pendeln nach Stuttgart. Manchmal bin ich erst nach Mitternacht daheim und am nächsten Morgen geht es in die Vorlesung. Aber es funktioniert, weil ich es will. Das Studium ist mein Plan für die Zukunft, denn Football ist zwar meine Leidenschaft, aber damit kann ich nicht aussorgen.
Du bist Teil des Spitzensport-Stipendiums der Hochschule Heilbronn. Wie hilft dir das?
Moritz Schreiber: Enorm. Es gibt eine finanzielle Unterstützung, aber vor allem auch eine organisatorische. Wenn mal eine Präsentation oder Prüfung mit einem Spiel kollidiert, hilft das Programm, Lösungen zu finden. Ich habe mit Jan Willner einen festen Ansprechpartner, der sich mit den Professoren abstimmt, und das ist Gold wert. Und der Austausch mit anderen Sportlern ist super spannend. Da triffst du Leute aus ganz unterschiedlichen Disziplinen, aber mit denselben Herausforderungen.
„Du kommst hier nicht durch!“ – Moritz Schreiber blockt den gegnerischen Defender, um seinem Quarterback mehr Freiraum für den Spielzug zu verschaffen.
Du wurdest auch in die Nationalmannschaft berufen – was bedeutet das für dich?
Moritz Schreiber: Das ist schon eine Ehre. Wir haben letztes Jahr in England und gegen Schweden gespielt, jetzt steht das Finalturnier gegen Österreich an (fand nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe statt). Nach sieben Jahren Pause wurde das Nationalteam erst vor Kurzem wieder aufgebaut. Ich bin stolz, da dabei zu sein. Österreich ist unser größter Rivale und das wird ein richtiger Schlagabtausch.
Wie ist das Niveau im deutschen Football aktuell?
Moritz Schreiber: So gut wie nie zuvor. Viele Spieler waren auf US-Colleges und das merkt man. Die Konkurrenz ist riesig und in meiner Position als Center waren zuletzt vier Jungs im Deutschen Kader – da musst du in jedem Training abliefern. Aber genau das macht es spannend. Ich liebe diesen Wettbewerb.
Und nach dem Studium – geht es dann weiter mit Football?
Moritz Schreiber: Solange der Körper mitmacht, auf jeden Fall. Ich fühle mich fit, habe Spaß, und die Balance zwischen Sport und Studium klappt. Ich plane immer Saison für Saison – aber wenn es nach mir geht, bleibe ich noch ein paar Jahre auf dem Feld.