Rasa Fuchs – Leistungssport mit neuem Herzen
Wenn Rasa Fuchs über ihr Herz spricht, dann nicht im übertragenen Sinn – sondern ganz buchstäblich. Die 27-jährige Läuferin aus Flein lebt mit einem transplantierten Herzen. Was für andere eine Grenze wäre, ist für sie zum Antrieb geworden. Nach ihrer Transplantation im Jahr 2021 steht sie wieder auf der Bahn, läuft Mittelstrecke im Trikot des VfB Stuttgart, arbeitet als Ärztin an der Uniklinik Ulm – und kämpft für ein Thema, das ihr buchstäblich das Leben gerettet hat: Organspende. Im Gespräch mit SPORTHEILBRONN spricht Rasa Fuchs über den langen Weg zurück in den Leistungssport, über mentale Stärke, über die Balance zwischen Klinikjob und Training – und darüber, weshalb Organspende für sie kein Tabuthema, sondern eine Frage der Haltung ist.

Autor: Lara Auchter

Rasa Fuchs (rechts) bei der Siegerehrung über 1.500 Meter bei den Transplantierten-Weltspielen 2025 in Dresden. In der Mitte ihre aus Öhringen stammende VfB-Vereinskollegin Bera Wierhake. Foto: WTG2005/YesVideography
Rasa, wir begleiten den Transplantiertensport schon länger über die Läuferin Bera Wierhake und freuen uns, dass mit dir quasi aus dem Nichts nun eine zweite transplantierte Läuferin aus der Region „aufgetaucht“ ist. Wie Bera startest du für den VfB Stuttgart…
Rasa Fuchs: Genau. Ich stamme hier aus der Region, bin ursprünglich beim TV Flein zuhause und kam dann über Heinriet, Leingarten und die TSG Heilbronn zum VfB Stuttgart. Bera habe ich erst später kennengelernt. Nach meiner Herztransplantation habe ich gemerkt: Ich will wieder „richtig“ laufen. Über meinen Trainer Jens Boyde bin ich dann zum VfB gekommen. Sportlich finde ich dort genau die Struktur, die ich jetzt brauche – und der „rote Brustring“ des VfB hilft natürlich sehr bei der Sichtbarkeit.
Bevor wir nach vorn blicken: Wie hat alles angefangen und wie kam es zur Transplantation?
Rasa Fuchs: Mit 13 Jahren bin ich in der Läufergruppe voll eingestiegen und habe fünf- bis sechsmal pro Woche trainiert. 2013 wurde bei einer sportärztlichen Untersuchung in der Sportklinik Tübingen ein angeborener Herzfehler entdeckt – ein Zufallsbefund. Auf einmal hieß es, keine Wettkämpfe mehr. Wenn du 15 bist und dich gesund fühlst, trifft dich das hart. Ich bin daraufhin nur noch locker und mit angezogener Handbremse gelaufen. Jahre später, mitten im Studium, hat es mich dann beim Wandern erwischt – erst ein seltsamer Husten, dann ging es mir plötzlich extrem schlecht. Ich kam sofort auf die Transplantationsliste und wurde eine Woche später operiert. Im Rückblick ging alles rasend schnell. Zwei Wochen später fühlte es sich an, als hätte jemand den Motor getauscht.
Wie war die Rehabilitation – körperlich wie mental?
Rasa Fuchs: Körperlich ging das alles erstaunlich schnell. Nach drei Monaten habe ich wieder Liegestütze gemacht und ich bin sicher, dass meine Grundkondition aus den Jugendjahren die Erholung massiv beschleunigt hat. Mental war es eine Achterbahnfahrt. Diese eine Woche auf der Transplantationsliste kam mir vor wie zehn Jahre. Danach habe ich dann vieles anders sortiert: Gesundheit ist die Basis – und wenn sie da ist, koste ich sie aus.
Wie fühlt sich Leistungssport mit einem transplantierten Herzen an?
Rasa Fuchs: Anders, aber machbar. Das Herz reagiert träger, weil die Steuerung anders läuft. Heißt: Ich starte behutsamer und werde dann schneller. Fortschritte brauchen länger, denn Immunsuppression und Infektanfälligkeit spielen mit. Ich trainiere strukturiert, plane Pausen bewusst, achte auf Hygiene und Ernährung. Es gibt Regeln, z.B. keine rohen Nüsse essen und von Salat im Restaurant lieber die Finger weglassen. Klingt streng, ist aber ein kleiner Preis für diese zweite Chance.
Welche Disziplinen läufst du – und wo stehst du leistungsmäßig?
Rasa Fuchs: Ich laufe die Mittelstrecke, also 800 Meter und auch 1.500 Meter. Die World Transplant Games in Dresden dieses Jahr waren mein Wiedereinstieg und ich holte direkt Silber über 800 Meter, Bronze über 1.500 Meter sowie Team-Silber über fünf Kilometer. Mit meinen Zeiten war ich noch nicht ganz zufrieden und will diese in der nächsten Saison deutlich verbessern. In Dresden waren die Bedingungen aber auch nicht optimal und wir standen beim 800-Meter-Start mit Decken an der Startlinie – von daher kann ich eigentlich zufrieden sein (lacht).
Was unterscheidet die „Transplantierten-Szene“ vom „normalen“ Leistungssport?
Rasa Fuchs: Der Gemeinschaftsgedanke. In Dresden wurden nicht nur die Ersten beklatscht, sondern auch die Letzten, weil jeder seine eigene Geschichte hat und auf deren Basis Höchstleistungen erbringt. Alle kennen dieses „Nichts-geht-mehr“-Gefühl. Die Wettkampf-Woche war pure Lebensfreude und auch die Familien waren sehr präsent. Es ist alles ein bisschen emotionaler als sonst.
Wie sieht dein Training heute aus?
Rasa Fuchs: Mein Training in Stuttgart und in Ulm wird im engen Kontakt mit meinen Trainern immer nach Tagesform und Wettkampfplanung angepasst. Ich muss das Training auch mit meinem Job als Assistenzärztin an der Uniklinik in Ulm vereinbaren können. Wichtig ist Ehrlichkeit zum eigenen Körper. Ein Infekt bedeutet heute konsequent: kein Training.
Früher wärst du vermutlich auch mit einem Schnupfen gelaufen…
Rasa Fuchs: Genau. Heute höre ich dagegen auf meinen Körper. Früher hätte ich gesagt, ach, das geht schon. Heute weiß ich, was ich riskiere. Meine Prioritäten haben sich geändert und heute trainiere ich lieber einmal weniger und laufe dafür langfristig besser. Ich teste meine Grenzen immer noch – aber klug. Und ich nehme die Freude sehr bewusst wahr. Wenn es läuft, dann laufe ich, ohne ständig an übermorgen zu denken.
Du sprichst auch immer wieder öffentlich über Organspende. Warum ist dir das Thema so wichtig?
Rasa Fuchs: Weil ich ohne eine Spende heute nicht hier sitzen würde. Jemand hat in einem unglaublich schweren Moment eine Entscheidung getroffen, die mir ein zweites Leben ermöglicht hat. Das verpflichtet mich, darüber zu sprechen. Aber mir geht es nicht darum, jemanden zu bekehren. Ich will nur, dass Menschen sich mit dem Thema beschäftigen – ehrlich und bewusst.
Was wünschst du dir von den Menschen konkret?
Rasa Fuchs: Eine Entscheidung. Dafür oder dagegen – beides ist völlig in Ordnung. Wichtig ist, dass sie getroffen wird und die Angehörigen Bescheid wissen. Viele denken, der Organspendeausweis reicht, aber das Gespräch in der Familie ist genauso wichtig. Wenn der Tag X kommt, ist es für die Hinterbliebenen eine enorme Entlastung, wenn sie wissen, was du wolltest. In Deutschland wird kaum darüber gesprochen und es herrscht große Zurückhaltung – oft aus Angst, sich mit dem Thema Tod zu befassen. Aber am Ende geht es dabei nicht nur um Tod, sondern auch um Leben.
Du bist Ärztin, Betroffene und Athletin – das gibt dir eine besondere Perspektive. Was möchtest du vermitteln?
Rasa Fuchs: Dass das Leben nach einer Transplantation lebenswert ist. Viele denken, man müsse sein Leben danach einschränken oder ständig Angst haben. Natürlich gibt es Regeln und Risiken, aber ich kann Sport treiben, arbeiten, reisen, lachen – alles. Ich möchte Mut machen, denn Organspende bedeutet nicht Ende, sondern Anfang.
Was gibst du Eltern von transplantierten Kindern mit?
Rasa Fuchs: Bitte die Kinder nicht in Watte packen, sondern ihnen etwas zutrauen, Grenzen gemeinsam austesten und Freiräume lassen. Viele, die in Dresden am Start waren, durften immer alles machen. Dieses Ermöglichen prägt – und trägt.
Jetzt der Blick nach vorn: Welche Ziele setzt du dir sportlich?
Rasa Fuchs: Ich möchte gesund bleiben, im Winter solide trainieren und 2026 die Deutsche Meisterschaft der Transplantierten sowie die Europameisterschaft laufen. Über 800 Meter möchte ich Richtung 2:50 Minuten kommen. In der Region liebäugle ich mit der Fleiner Crosslauf-Serie, und perspektivisch würde ich gern wieder mehr Bahnrennen bestreiten, dort, wo das Feld und die Zeiten für mich Sinn ergeben.
Welche Rolle spielt dabei dein neuer Verein VfB Stuttgart?
Rasa Fuchs: Er gibt mir Sichtbarkeit und macht auch sein Netzwerk zugänglich. Der Verein erreicht Menschen, die sonst nie über Transplantation und Sport nachgedacht hätten. Diese Bühne will ich nutzen, um mehr Reichweite für das Thema Organspende und den Sport mit Spenderorgan zu schaffen.
Rasa Fuchs mit ihrer Silbermedaille über 800 Meter. Foto: privat