Ute Pawlik: Bronzemedaille bei der Para-Tischtennis DM

Rollstuhltischtennis ist eine hochdynamische, taktisch anspruchsvolle und oft unterschätzte Sportart. Für Ute Pawlik vom Rollstuhlsportverein Heilbronn ist es weit mehr als das: Es ist ihre neue sportliche Heimat, ihr Motor und ihre Bühne. Mit 54 Jahren gehört die Neuen-städterin zu den engagiertesten Parasportlerinnen im Südwesten Deutschlands.

Dabei hat ihre Karriere erst vor wenigen Jahren begonnen – nach einem langen gesundheitlichen Weg, der sie von der Fußgängerin zur Rollstuhlfahrerin machte. Heute kämpft sie nicht nur um Punkte und Medaillen, sondern auch für mehr Aufmerksamkeit und bessere Trainingsbedingungen im Parasport.

Autor: Lara Auchter

4. August 2025

Ute Pawlik holte bei der DM 2025 im Sindelfinger Glaspalast die Bronzemedaille. Fotos: Linda Grof

Vom Leistungssport zur Zwangspause – und wieder zurück

Ute Pawlik war schon immer sportlich. Als Sport- und Gymnastiklehrerin war Bewegung ihr Leben: Schwimmen, Turnen, Volleyball – kein Sport war ihr fremd. Doch eine genetische Erkrankung und zahlreiche Operationen machten ihr einen Strich durch die Rechnung. Von der Diagnose bis zum dauerhaften Rollstuhl vergingen drei Jahre – eine Zeit voller Hoffnung, Rückschläge und Neuanfänge.

„Ich hatte damals sehr hohe Ansprüche an mich und meinen Körper. Ich dachte: Wenn ich die Schmerzen nicht mehr spüre, kann ich ja weitertrainieren – dann wird er schon wieder“, erinnert sie sich. „Aber das war ein Trugschluss. Jetzt weiß ich, dass ich auf meinen Körper hören muss. Ich musste lernen, Grenzen zu akzeptieren.“ Heute blickt sie nicht mit Bitterkeit zurück, sondern mit Dankbarkeit: „Ich durfte so viele Erfahrungen machen, die ich als Fußgängerin nie gemacht hätte.“

Neustart im Parasport – mit 50 zum ersten Mal an der Platte

Vor wenigen Jahren entdeckte sie durch den Verein für Rollstuhlsport Ludwigsburg das Tischtennis für sich – zunächst skeptisch: „Früher fand ich die Bälle viel zu klein, das war mir alles zu hektisch. Ich habe gedacht: Was ist denn da los?“ Doch schnell packte sie der Ehrgeiz. Heute spielt Ute Pawlik Turniere in ganz Deutschland und gewann im April bei den Deutschen Meisterschaften zu ihrer eigenen Überraschung die Bronzemedaille. „Ich bin da hin und dachte, ich werde eh alles verlieren. Und dann – zack, zack – plötzlich Bronze gewonnen. Eine Medaille bei der Deutschen Meisterschaft, damit hätte ich nie gerechnet.“

„Ich will wissen, wie weit ich kommen kann“

Ute Pawlik hat Ambitionen. Sie möchte sich in ihrer Klasse verbessern, vielleicht einmal international spielen. Der Weg dorthin ist jedoch alles andere als einfach: Trainingsmöglichkeiten sind rar, oft steht sie alleine an der Platte. In ihrem Verein VfR Ludwigsburg trainiert sie einmal pro Woche, zusätzlich spielt sie in Oedheim mit Fußgängern. „Ich versuche, jedes Wochenende zu nutzen und nehme jeden Lehrgang und jedes erreichbare Turnier mit, da mir sonst einfach die Spielzeiten fehlen.“

Das Ziel: von der Neulingsklasse N in die Klasse C aufzusteigen. Dafür sammelt sie Punkte beim Deutschlandpokal, kämpft sich durch Ranglistenturniere – und sitzt nebenbei auch noch als Übungsleiterin der Abteilung Tischtennis, Badminton und Darts beim RSV Heilbronn in der Halle.

Voller Fokus auf den kleinen, weißen Ball…

Training ohne Trainer – und mit viel Eigeninitiative

Professionelles Training? Meist Fehlanzeige. Beim VfR Ludwigsburg wird sie von den erfahrenen Spielern in vielerlei Hinsicht unterstützt. Technische Details wie Rollstuhleinstellungen, Sitzhaltung oder Schlagvarianten bringt sie sich oft selbst bei – oder lernt von anderen bei Lehrgängen. „Man muss sich vieles selbst aneignen. Jeder hat andere körperliche Voraussetzungen – manche können mit dem Becken gut nach vorne, andere haben kaum Oberkörperstabilität. Da gibt es keine One-size-fits-all-Lösung“, sagt die 54-Jährige. „Du brauchst Leute, die dir von außen sagen: ‚Probier mal mehr Vorlage‘ oder ‚Verändere deinen Schubwinkel‘ – aber solche Trainer haben wir nicht.“

Mehr Sichtbarkeit und Struktur

Ein großes Problem ist die fehlende Struktur – gerade im ländlichen Raum. „Heilbronn hat so gut wie nichts im Bereich des leistungsorientierten Behindertensports“, bemängelt die gebürtige Dortmunderin. Auch Trainingspartner oder Trainer sind rar. Die Folge: viel Eigeninitiative, lange Anfahrtswege, hoher Aufwand.

„Wir bräuchten mehr Trainer, mehr Hallenzeiten, mehr Angebote. Viele Vereine sagen, sie hätten kein Interesse oder keine Ressourcen. Aber wenn man nie etwas anbietet, kann auch niemand kommen. Ich glaube, vielen ist nicht bewusst, wieviel Potenzial im Parasport steckt.“ Für Ute Pawlik ist klar: Nur wer Angebote schafft, kann auch Sportler anziehen. Und: Wer Parasport ernst nimmt, muss ihn besser fördern.

Zwischen Ehrgeiz und Achtsamkeit – ein Weg mit Hürden

Dass sie heute wieder Auto fahren kann, sei ein großer Schritt in Richtung Selbstständigkeit gewesen. „Viele Jahre lang ging das nicht – jetzt ist das wieder Freiheit.“ Doch auch im Sport hat sie gelernt, auf den Körper zu hören. „Früher habe ich einfach weitergemacht, mir und meinem Körper keine Pause gegönnt und dadurch vermutlich vieles Schlimmer gemacht. Heute weiß ich: Der Körper sagt dir, wann Schluss ist.“

Vorbilder, Fairness und das Miteinander

Ute Pawlik begeistert sich für die Vielfalt im Parasport – und für Persönlichkeiten wie die Stuttgarter Paralympics-Fünfte Jana Spegel, die trotz schwerster Einschränkungen auf höchstem Niveau spielt. Doch diese Einschränkungen sind besonders beim Para-Tischtennis entscheidend. Die Klassifizierung ist nicht immer fair, das findet auch Ute Pawlik: „Bei Turnieren sitzen Leute am Tisch, die mit deutlich mehr Beweglichkeit spielen. Wenn ich sehe, wie groß die Unterschiede innerhalb einer Schadensklasse sind, frage ich mich schon, ob das gerecht ist.“

„Ich bin erst am Anfang“

Für Ute Pawlik ist Tischtennis mehr als ein Hobby. Es ist Lebensfreude, Herausforderung, Teilhabe – und vielleicht ein dritter beruflicher Weg. Sie macht derzeit eine Übungsleiterausbildung für Rehasport im Bereich Neurologie, engagiert sich in der Vereinsarbeit und will langfristig Nachwuchs aufbauen.

„Ich sehe mich schon ein bisschen im Leistungssportbereich – zumindest so, wie es meine Möglichkeiten zulassen. Ich will aktiv bleiben, solange ich kann. Und ich möchte das, was ich gelernt habe, weitergeben. Gerade für Neueinsteiger ist es wichtig, dass jemand da ist, der sie an die Hand nimmt.“

Ihre Geschichte zeigt: Leistungssport kennt keine Altersgrenzen. Und Parasport ist nicht der kleine Bruder des „normalen“ Sports – sondern echte Leistung auf Augenhöhe.