„Turnfamilie“ Pfeil: Pendeln zwischen Leingarten, Stuttgart und Cottbus

Seit rund zwei Jahren berichten wir regelmäßig über Amelie Pfeil. Die 13-jährige Turnerin der TG Böckingen besucht das Internat am Olympiastützpunkt Stuttgart, wurde jüngst zum zweiten Mal Deutsche Mannschaftmeisterin mit dem MTV Stuttgart und holte bei den Deutschen Jugend- Meisterschaften 2020 gleich drei Medaillen. Doch Amelie ist nicht die einzige erfolgreiche Turnerin der Familie. Ihr Bruder Leon besucht schon seit rund fünf Jahren das Sportinternat in Cottbus, ist wie seine Schwester Mitglied im Juniorenkader vom Turnteam Deutschland und holte bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften 2020 ebenfalls zwei Medaillen. Und dann gibt es da noch den großen Bruder David, der einst als Erster von zuhause auszog, um im Internat in Cottbus seiner Sportart Handball nachzugehen. Während David inzwischen wieder zurückgekehrt ist, pendeln die Eltern Tina und Jürgen Pfeil zwischen Leingarten, Stuttgart und Cottbus, um ihre beiden jüngeren Kinder regelmäßig zu sehen. Wir haben die Gelegenheit genutzt, als sowohl Amelie als auch Leon nach den Feiertagen zuhause waren, um beim gemeinsamen Spaziergang mehr über das Leben der „Turnfamilie Pfeil“ zu erfahren.

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Donna Scherlinzky

5. März 2021

Die Haustüre öffnet sich. Heraus tritt erst Tina Pfeil, wenig später folgen ihre Tochter und ihr Sohn. Beide gehen auf ein Sportinternat, Amelie (13) in Stuttgart, Leon (16) in Cottbus. Es ist selten, dass beide Kinder gleichzeitig da sind, die Entfernung macht das oft unmöglich.

Gemeinsam mit uns machen sie sich auf den Weg zu den Feldern am Rande Leingartens. Sie laufen mit schnellen Schritten, bis sie schließlich am Weg angekommen sind. Leon erzählt, wie er vor etwa fünf Jahren den Weg nach Cottbus fand, wie es ihm dort gefällt und geht. „Die ersten paar Monate war es komisch, nicht zuhause zu sein. Vor allem am Wochenende, weil ich niemanden so richtig gekannt habe. Irgendwann war es dann aber okay.“

Der 16-jährige Turner war damals an einem Punkt angelangt, an dem er sich im kleinen Turnzentrum in der Mörikehalle bei seiner Trainerin Annett Wiedemann sportlich nicht mehr gut genug weiterentwickeln konnte. Die Voraussetzungen waren für den Sportler in Cottbus besser. 2020 durfte Leon nun zum ersten Mal für den SC Cottbus in der Deutschen Turnliga turnen. Beim Wettkampf in Frankfurt holte er gleich drei Punkte am Reck und trug so zum Sieg seines Teams bei. 2021 stehen für ihn nun die Deutschen Meisterschaften an, bei denen Leon als Teil des deutschen Nationalkaders der Junioren dabei sein wird.

Trotz Leistungssport muss Leon seinen Fokus auch auf die Schule legen. Damit er schnell und ohne Umwege vom Unterricht zum Training gelangen kann, liegen Internat und Trainingszentrum direkt nebeneinander. „Ich laufe vielleicht dreißig Sekunden vom Training zur Schule“, erklärt Leon, die Hände locker in seinen Jackentaschen.

Nun beginnt Amelie zu erzählen. Sie fährt mit der Bahn eine Station, um von ihrem Zimmer am Olympiastützpunkt Stuttgart zur Schule zu kommen. Mit zehn Jahren ist sie damals ins Internat gewechselt. Auch wenn es anfangs schwer war, fühlt sie sich nun wohl. Mit ihrer ruhigen Stimme erzählt die 13-Jährige von ihrer Anfangszeit in Stuttgart. „Ich kannte schon vorher meine Gruppe. Bevor ich auf das Internat gekommen bin, war ich wöchentlich in Stuttgart trainieren.“ Sie wechselt mit ihrem Bruder einen Blick, grinst leicht. „Vielleicht habe ich mir das mit dem Internat etwas von Leon abgeguckt. Und von David.“ David ist ihr ältester Bruder. Er war der erste Pfeil-Sohn, der an einen fremden Ort gezogen ist, um sein sportliches Level zu verbessern. In Cottbus besuchte er Leons Schule. Der gemeinsame Traum der Kinder? Einmal bei den Olympischen Spielen dabei zu sein! Besonders für Amelie ist das alles andere als abwegig, da sie bereits jetzt an der deutschen Spitze ihrer Altersklasse turnt.

Das Jahr 2020 scheint sich für die junge Athletin trotz aller Hindernisse gelohnt zu haben. Anfang des Jahres trat Amelie für den MTV Stuttgart in der Bundesliga an. Eine langwierige Knieverletzung verhinderte zwar zeitweise ihr Training, trotzdem hat sie bei den deutschen Jugendmeisterschaften im November 2020 nach überstandener Operation zweimal Bronze und einmal Silber gewonnen. Seit zwei Jahren trainiert sie in der Gruppe der „Großen“, zusammen mit deutschen Spitzenturnerinnen wie Kim Bui und Elisabeth Seitz, mit denen sie schon zweimal Deutsche Mannschaftsmeisterin werden konnte.

Für einen kurzen Moment denkt die Pfeil-Familie an die Zeit des ersten „Corona-Lockdowns“ zurück. Tina sieht zu ihren Kindern. „Während des Lockdowns waren Leon und Amelie sechs bis sieben Wochen da, weil sie wegen der geschlossenen Hallen nicht trainieren konnten. Das kommt selten vor.“ Dann ging es wieder los. Leon fuhr zurück nach Cottbus, während Amelie von Leingarten aus zum Training nach Stuttgart pendelte. Die Bundesländer handhaben einiges unterschiedlich.

 

„Die Regelungen der Bundesländer erschweren uns oft die Urlaubsplanung“, meint Tina dann. Für einen Moment Schweigen, dann wirft sie kopfschüttelnd ein: „Nicht, dass das momentan mit Corona möglich ist.“ Sie schmunzelt leicht. „Brandenburg hat zum Beispiel andere Sommerferien als Baden-Württemberg. Wenn Amelies Ferien beginnen, enden Leons teilweise schon eine Woche später.“ Damit die „Turnfamilie Pfeil“ zusammen Urlaub machen kann, ist nicht selten eine Absprache mit den Trainern und der Schule der Kinder nötig. Generell sei gerade die Entfernung zwischen Cottbus und Heilbronn nicht einfach, erklären Tina und Leon dann. Knappe 600 Kilometer trennen den Sohn von seiner Familie. Amelie kann ihre Eltern jede Woche sehen, der 16-Jährige hat dieses Privileg nicht. „Ich sehe meine Eltern vielleicht ein Mal im Monat, es ist unterschiedlich.“ Tina sieht zu ihrem Sohn und nickt. „Wir geben unser Bestes, ihn regelmäßig zu besuchen.“

Was früher neu und ungewohnt war, ist inzwischen schon lange eine Routine. Elternfreundschaften haben sich gebildet, man merkt den Zusammenhalt. „Wenn ich nach Cottbus fahre, kann ich oft bei befreundeten Eltern übernachten. Man freut sich immer, sich mit den Leuten wieder austauschen zu können.“ Mit einem leichten Lachen fügt sie hinzu: „Klar, ich habe auch in Stuttgart Freunde.“ Auch da sind die anderen Eltern eine große Hilfe, lassen Amelie bei ihren Töchtern übernachten oder geben ihr in den Ferien für die Mittagspause manchmal Essen mit.

Im Gegensatz zum ersten Lockdown war es während des zweiten immer noch möglich, vor Ort zu trainieren. Durch eine Aufteilung der Klassen trainierten die Sportler sogar noch mehr. Amelie fügt hinzu: „Corona- Tests gibt es eigentlich nur während den Lehrgängen der Nachwuchsmannschaft. Während des Trainingsbetriebs eher weniger.“

Mehr Information, Bilder und News der beiden gibt es hier:  Amelie Pfeil  Leon Pfeil