Titelfavorit Red Devils: Blick über den Tellerrand

Dass sie wissen, wie man aus der Not eine Tugend machen kann, haben die Ringer der RED DEVILS Heilbronn 2017 bewiesen. Durch eine Ligenreform zwangsweise in die Bundesliga „aufgestiegen worden“, hat die Ringer-Abteilung des SV Heilbronn am Leinbach gezeigt, wie man auch in einer vermeintlichen Randsportart zu einem der Topacts in einer Stadt werden kann. Während das erste Bundesliga-Jahr sportlich mit dem Erreichen des Viertelfinales endete, war der Name RED DEVILS in Sachen Außendarstellung und Zuschauerzuspruch bereits über die Region hinaus in aller Munde. Im September begann nun nach dem Lehrjahr das Gesellenjahr, das unter Umständen im Januar sogar mit dem „Meisterbrief“ enden könnte. Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen des Titelfavoriten.

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

2. Oktober 2018

Mit dem erklärten Ziel Halbfinale sind die RED DEVILS Heilbronn Anfang September mit einem Auswärtskampf in Witten in die Bundesliga-Saison gestartet – und wurden dort gleich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Mit einer 13:14-Niederlage und hängenden Köpfen mussten sie die 370 Kilometer lange Heimfahrt nach Heilbronn antreten. Erste Selbstzweifel machten sich breit. Hatte man das Ziel doch zu hoch angesetzt?

„Im Nachhinein gesehen war diese Niederlage genau das, was wir gebraucht haben“, sagt Andrei Puscas. Der bisherige Co-Trainer hatte sich sein Debut als Headcoach anders vorgestellt, ist sich aber sicher: „Nach dem ersten Kampf in Witten waren wir quasi zum Gewinnen verdammt und gehen seither mit einer ganz anderen Fokussierung in die Kämpfe.“

Nach Kantersiegen über Düren-Merken, Lübtheen, Nackenheim und Aachen-Walheim, einem unglaublich spannenden 14:12-Sieg im Spitzenkampf gegen Mainz sowie einem überaus deutlichen 24:1 zum Ende der Vorrunde gegen den direkten Verfolger aus Kleinostheim grüßen die RED DEVILS von der Tabellenspitze der Bundesliga Nordwest und zählen in Ringerkreisen zu den Favoriten auf die Deutsche Meisterschaft.

„Selbst wenn uns in diesem Jahr der ganz große Wurf gelingen sollte, wäre das nur eine Momentaufnahme“, sagt RED DEVILS-Chef Jens Petzold. „Viel wichtiger als der sportliche Erfolg ist die Nachhaltigkeit. Daran arbeiten wir hinter den Kulissen auf Hochtouren.“

Schon während der letzten Saison erarbeiteten Sportmanagement-Studenten der DHBW Heilbronn im Auftrag der RED DEVILS ein Organigramm, das inzwischen zum Einsatz kommt. „Dennoch sind unser organisatorischer und sportlicher Leiter Jürgen Koch und ich immer noch die letzte Instanz, wenn es irgendwo klemmt“, so Petzold. Sowohl er als auch Jürgen Koch investieren in die RED DEVILS nicht nur viel Zeit. Beide zählen mit ihren Unternehmen auch zu den Hauptsponsoren. „Die RED DEVILS sind so etwas wie unser Baby, da macht man das natürlich gerne. Doch Jürgen und ich sind seit anderthalb Jahren zeitlich am Anschlag. Hier müssen wir dringend etwas ändern.“

Um eine Entlastung der beiden Macher herbeizuführen, fanden in den letzten Wochen einige Gespräche zur strategischen Ausrichtung statt. Die bereits Anfang des Jahres angedachte Lösung der Ausgliederung des Bereichs Bundesliga in eine Spielbetriebs-GmbH nimmt Formen an, und auch bei der Besetzung der dann notwendigen Stelle eines Geschäftsführers zeichnet sich eine Lösung ab.

„Die Saison 2018/19 ist zwar erst ein paar Wochen alt, aber wir müssen jetzt schon die Weichen für 2019/20 stellen. Dazu hinterfragen wir uns in regelmäßigen Abständen selbst und ziehen auch mal Experten von außen hinzu, die unsere Arbeit neutral betrachten und uns wichtige Anregungen geben können“, so Jens Petzold.

Gerade beim Thema Sponsoring hat ein solches Expertengespräch zu Tage gefördert, dass die RED DEVILS ihr Licht als Bundesligist momentan noch weit unter den Scheffel stellen. Eine Analyse der Medienpräsenz habe ergeben, dass die Heilbronner Ringer über die Saison 2017/18 in Print- und Online-Medien insgesamt eine Medienreichweite von rund 30 Millionen Kontakten erzielen konnten. Jens Petzold: „Das ist ein immenser Wert, der uns zeigt, dass wir bei bisherigen Gesprächen mit potenziellen Sponsoren bisher nur emotional aus unserer eigenen Sicht argumentiert haben. Einem potenziell großen Sponsor geht es aber um die Reichweite – darum, wieviele Menschen er im Rahmen seines Engagements erreichen kann. Hier werden wir unsere Verkaufsunterlagen zügig anpassen, um mit der richtigen Argumentation in die Akquise von neuen Partnern zu gehen.“

Während im Hintergrund strategisch gearbeitet wird, haben die RED DEVILS zur neuen Saison auch in anderen Bereichen nachgelegt.Vor allem beim Thema Stimmung in der Halle gibt es noch Nachholbedarf – wie auch Ringer Christian Fetzer feststellt: „Wir haben in der Römerhalle zwar mehr Zuschauer als die meisten anderen Bundesligavereine. Doch der Fansupport während der Kämpfe hatte in der letzten Saison noch etwas Luft nach oben.“

Um hier Abhilfe zu schaffen, haben die RED DEVILS zusammen mit ihrem Fanbeauftragten Markus Bertele den Fanclub „DEVILS Fanatics“ gegründet, der nun für die nötige Anfeuerung sorgt.

Unterstützung haben die Fanatics zum Saisonbeginn von den Cheerleadern der Salt Crystals Heilbronn bekommen. Die gut 20-köpfige Cheerleading-Gruppe des American Football-Clubs USSC Heilbronn Salt Miners feuert nicht nur die Ringer während der Kämpfe lautstark an, sondern steigert mit ihrem Akrobatik-Showprogramm in den Pausen den ohnehin schon hohen Eventcharakter der Heimkämpfe in der Römerhalle.

Diesen gibt es in der Römerhalle nicht erst seit der Saison 2018/19 – dafür sorgen schon allein die Athleten auf der Matte. Seit dem 11:18 gegen den ASV Mainz 88 am 30. September 2017 haben die RED DEVILS zuhause nicht mehr verloren – was umso interessanter ist, weil ihnen auf den Tag genau ein Jahr später, am 30.9.18, die Revanche gegen die Mainzer geglückt ist.

Um die Punkte gegen den größten Konkurrenten um Platz eins zu holen, hatte das Trainerteam um Andrei Puscas und Marcus Mackamul personell alles aufgeboten, was der Kader zu bieten hat. Selbst Doppelweltmeister Frank Stäbler hatte für diesen Spitzenkampf seine WM-Vorbereitung unterbrochen. Sein Einsatz ganz zum Schluss der zehn Kämpfe machte am Ende dann auch den Unterschied, denn Stäbler machte aus einem 10:12-Rückstand noch einen 14:12-Sieg.

Der Heimkampf gegen Mainz zeigte den 800 Zuschauern aber auch, dass die Neuzugänge der RED DEVILS durch die Bank Verstärkungen sind. Kamal Malikov, George Bucur und vor allem Dustin Scherf haben sich schon mit ihren ersten Aktionen in die Herzen der Fans gekämpft.

Ein weiterer Neuzugang konnte beim Auswärtskampf in Aachen-Walheim seinen eigenen besonderen Sieg erringen: Marius Braun war im Frühjahr schwer erkrankt und hatte mehrere Operationen über sich ergehen lassen müssen. Eigentlich hatte man bei den RED DEVILS frühestens zum Ende des Jahres mit seinem ersten Einsatz gerechnet, doch ging die Genesung des 25-Jährigen so schnell vonstatten, dass er bereits am 6. Oktober sein Comeback feiern konnte – siegreich, versteht sich!