MOCOS „Stille Helden des Sports“: Salome Hermann (Anpfiff Hoffenheim)

Eigentlich stellen wir in dieser Rubrik die „stillen Helden“ des Heilbronner Sports vor – doch aus gegebenem Anlass machen wir in dieser Ausgabe eine Ausnahme und richten unseren Blick nach Hoffenheim. Wir alle erinnern uns an den tragischen Zwischenfall bei der Fußball-Europameisterschaft, als der dänische Spieler Christian Eriksson auf dem Platz kollabierte und reanimiert werden musste. Nur wenige Stunden, bevor sich diese tragische Szene abspielte, hatte uns Salome Hermann gerade per Sprachnachricht von ihrer Herzmuskelentzündung mit dem Risiko eines plötzlichen Herztodes berichtet. Die 35-Jährige, der im Alter von 16 Jahren nach einer Krebserkrankung der Oberschenkel amputiert worden war, kämpft nach einer verschleppten Erkältung seit Anfang 2021 mit den Folgen einer Herzmuskelentzündung und möchte Sportlerinnen und Sportler nun unbedingt zu diesem Thema sensibilisieren – dabei unterstützen wir sie sehr gerne. „Inzwischen schaffe ich es wieder, 600 Meter am Stück zu gehen. Das hört sich total wenig an, fühlt sich aber an wie ein ganzes Trainingslager“, sagt die Sitzvolleyball-Nationalspielerin Ende Juni. Salome kämpft sich mit kleinen Schritten wieder zurück – und für uns ist sie die „Stille Heldin“ der SPORTHEILBRONN-Sommerausgabe, auch wenn sie keine Heilbronnerin ist. 

Autor: Lena Staiger

12. August 2021

Salome Hermanns Masterplan: im Schneckentempo auf dem Weg zurück zur alten Stärke…

Salome, du hattest am Anfang des Jahres eine Herzmuskelentzündung. Wie kam es dazu und was waren die ersten Anzeichen?
Salome Hermann: Wie es dazu kam, ist nicht ganz klar. Eine Möglichkeit ist, dass ich mich im Dezember 2020 eventuell mit dem Coronavirus angesteckt haben könnte. Ich hatte engen familiären Kontakt und wurde danach krank wie bei einem Schnupfen. Ich könnte diesen Schnupfen aber auch verschleppt haben, woraus sich dann die Herzmuskelentzündung gebildet hat. Nach der Quarantäne ging es mir wieder gut, und Anfang Januar habe ich dann wieder begonnen zu arbeiten. Da ich als Ergotherapeutin mit Menschen aus der Hochrisikogruppe Kontakt habe, habe ich mich testen lassen. Dieser Test war negativ und auch Antikörper konnte man nicht nachweisen. In der dritten Januarwoche habe ich dann gemerkt, dass ich ziemlich schlapp bin, habe das aber noch auf die mentale Belastung durch die Coronasituation geschoben.

Und dann haben sich deine Symptome weiter verschlimmert?
Salome Hermann: Ja, Ende Januar ging ich dann zum Arzt, weil ich das Gefühl hatte, dass mein Puls mal rast, mal sehr langsam ist. Er hat mich aber nach dem Messen meiner Vitalwerte ohne Befund nach Hause geschickt. Im Training konnte ich nicht mal mehr die Hälfte des Pensums absolvieren, dann musste ich abbrechen. Durch meine Beinprothese brauche ich auch gut 60% mehr Energie als zweibeinige Menschen. Als ich dann im März kaum noch die Treppe vor meiner Wohnung hochkam, wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Mir wurde Blut abgenommen und ich wurde erneut auf Corona-Antikörper getestet. An einem Morgen bin ich einfach wieder im Sitzen eingeschlafen und hatte dann im Liegen einen Ruhepuls von 100. Im Sitzen war er bei 130. Ich ging in die Notaufnahme und zum Kardiologen. Beim Langzeit-EKG zeigte sich dann, dass die Herzfrequenz unter Belastung auf bis zu 185 Schläge pro Minute anstieg. Ich hatte richtig Angst, ich wusste, etwas stimmt ganz und gar nicht.

Wie ging es dann weiter?
Salome Hermann: Mein Mannschaftsarzt der Nationalmannschaft hat dann den Kontakt zum Chef der Kardiologie in Heidelberg hergestellt, wofür ich auch heute noch unendlich dankbar bin. Bis zum Kardio-MRT musste ich zwei Wochen Bettruhe halten. Im MRT kam heraus, dass mein Herz wohl eine Herzmuskelentzündung mitgemacht hatte. Es waren einige Vernarbungen im Gewebe erkennbar, die auch für immer bleiben werden. Dann ging alles ganz schnell, ich schluckte noch am Abend meinen ersten Betablocker, wurde auf Medikamente eingestellt und hatte Bettruhe. Die Ärzte haben ganz offen über das Risiko eines plötzlichen Herztodes mit mir gesprochen, das war schon sehr angsteinflößend.

Wie war die Zeit für dich als Sportlerin?
Salome Hermann: Es war und ist natürlich auch mental sehr schwierig. Ich war in manchen Phasen wirklich sehr deprimiert. Ich verpasse jetzt die Europameisterschaft, den Worldcup und die Nations League im Sitzvolleyball – alles Turniere die man als Leistungssportlerin auf keinen Fall verpassen möchte. Via Livestream habe ich mein Team zur Nations League begleitet und die Spiele geschaut. Die Ärzte haben mir aber eindringlich vermittelt, dass ich vorerst auf das alles verzichten sollte, um es später wieder machen zu können. Dafür habe ich mir eine Art „Masterplan“ (siehe Abbildung oben) gezeichnet, der meinen Weg beschreiben sollte. Ihn habe ich regelmäßig in die Hände genommen, um mich an meine Ziele und den Weg dorthin zu erinnern.

Wie geht es dir jetzt und wie sehen die Prognosen der Ärzte aus?
Salome Hermann: Ich nehme immer noch Betablocker, um mein Herz zu entlasten. Jetzt kann ich auch endlich wieder den ganzen Tag wach sein. Zu Beginn habe ich oft zusätzlich zum Nachtschlaf am Tag nochmal sechs Stunden geschlafen. Allgemein fühle ich mich wieder recht fit, aber sobald auch nur eine kleine Belastung auftritt, bin ich sehr schnell erschöpft. Dazu zählt zum Beispiel auch den Müll runterzubringen. Eine sichere Aussage zur vollständigen Regeneration der Herzfunktion gibt es bisher nicht, das wird eine Folgeuntersuchung im Herbst zeigen. Im Moment sieht alles recht positiv aus und ich hoffe, dass sich die momentane Herzinsuffizienz ganz zurückbildet und sich nicht chronifiziert. Mein klares Ziel: Ich will wieder in meinen normalen Alltag und in den Sport zurück.

Was möchtest du unseren Leserinnen und Lesern auf den Weg geben?
Salome Hermann: Viele Sportlerinnen und Sportler haben schon mal von dem Thema Herzmuskelentzündung gehört – vor allem auch jetzt nach dem Vorfall mit Christian Eriksson. Als Leistungssportlerin wusste auch ich um das Risiko. Aber das Thema ist so abstrakt, dass man denkt, das betrifft mich nicht. Dann trainiert man eben doch mit laufender Nase oder mit Husten. Man fühlt sich ja eigentlich wieder gut. Wenn es schiefläuft, kann man sich aber genau durch solche Aktionen eine Herzmuskelentzündung einfangen. Ich bin sehr froh, dass es bei mir noch recht frühzeitig erkannt wurde. Einer Teamkameradin ging es noch schlechter. Sie hatte damals das volle Programm bis hin zum Multiorganversagen. Auch Trainerinnen und Trainer müssen mit dem Thema sensibler umgehen und ihre Schützlinge notfalls zur Trainingspause zwingen, bis die Erkältung wieder zu 100% auskuriert ist. Darauf möchte ich die Leute gerne aufmerksam machen und appellieren: Leute, bitte kuriert eure Erkältungen aus und kehrt nicht aus falschem Ehrgeiz zu früh wieder ins Training zurück!

Hinweis der Redaktion: Solltet ihr mit dem Thema Herzmuskelentzündung konfrontiert sein oder Fragen dazu haben, könnt ihr Salome Hermann gerne per Mail an s.hermann@ail-ev.de kontaktieren.