Sportgeschichte: Wie das Eishockey nach Heilbronn kam

Eishockey ist in Heilbronn seit Jahrzehnten die publikumsträchtigste Sportart. Ende des letzten Jahres wurde bei einem Heimspiel der Heilbronner Falken der 33. Geburtstag des Heilbronner EC gefeiert. Doch Eishockey gab es schon einige Jahre vor der Gründung des HEC im Jahr 1986. Bereits 1980 waren die ersten Hobbyspieler auf der damals neu erbauten Eisbahn aktiv. Ein Jahr später startete man als Eishockey-Abteilung des REV Heilbronn in den Ligabetrieb. Kurz vor Weihnachten 2019 lud nun HEC-Vorstand Jörg „Jogy“ Metzler, von 1982 bis 1984 selbst als Spieler für den REV aktiv, den „Gründervater“ Dieter Rahmer (70) zu einem Heimspiel der Eisbären ein, um ihn zum Ehrenpräsidenten des HEC zu machen. Mit dabei waren mit Robert „Hugo“ Morgenstern und Reinhard Zehetner (beide 57) zwei Spieler, die schon 1980 der ersten Hobbytruppe angehörten und bis zum Aufstieg in die 2. Bundesliga 1987 im Team des HEC standen. sportheilbronn-Redakteur Ralf Scherlinzky, der die Anfangszeiten als Jugendlicher selbst als Zuschauer live in der Halle miterlebte, nutzte die Gelegenheit, um im Gespräch mit den drei Heilbronner Eishockey-Ikonen längst vergessene Insider-Geschichten zu Tage zu fördern.

Autor: Ralf Scherlinzky

31. Januar 2020

Wie hat das Eishockey in Heilbronn seine Anfänge genommen?

Dieter Rahmer: 1980 hatten sich ein paar Leute zusammen getan, um hobbymäßig Eishockey zu spielen. Irgendwie wurde die Gruppe immer größer, und eines Tages stand mit Josef Matoušek ein ehemaliger tschechoslowakischer Nationalspieler mit auf dem Eis, der dort Struktur reingebracht hat. Mit ihm als Trainer sind wir dann 1981 in den Ligabetrieb eingestiegen.

Robert Morgenstern: Ich bin ganz am Anfang über meinen Cousin Oskar Moser dazugekommen. Er hatte mich gefragt, ob ich Lust hätte mal Eishockey auszuprobieren. Also bin ich mitgegangen. Wir standen dann zu acht auf dem Eis – Oskar, Leo Wiesner, Sepp Egwolf, Reinhard Dürrschmidt, Paul Köhler, Reinhard Zehetner, Frank Zehetner und ich.

Reinhard Zehetner: Mein Bruder Frank und ich hatten damals ein paar Jahre in den USA gelebt und waren dort beim Rollhockey. Das wollten wir auch in Heilbronn machen, doch hatten die Rollhockeyspieler beim REV ganz andere Schläger. Das hatte uns nicht gefallen. Deshalb waren wir erstmal in den Kasernen der US Army beim Taekwondo. Als wir dann hörten, dass in Heilbronn eine Eishalle eröffnet hat, sind wir dorthin gegangen und haben ein paar Jungs in Jeans übers Eis laufen sehen. Das hat uns gefallen. Wir haben mitgemacht und sind dabei geblieben.

Stichwort US Army: Die in Heilbronn stationierten US-Boys haben dem Heilbronner Eishockey in den Anfangsjahren ihren Stempel aufgedrückt…

Dieter Rahmer: Genau. Das Gute an denen war, dass sie nicht nur super Eishockey spielen und hart checken konnten, sondern keine Kontingentspieler waren und wie Deutsche eingesetzt werden konnten. Wir hatten mit den Heilbronner Kasernen natürlich einen Standortvorteil gegenüber der Konkurrenz, denn da gab es viele gute Spieler.

Robert Morgenstern: Von den ganzen Amis möchte ich an dieser Stelle unbedingt den Fred Rehbein herausstellen, denn dem hatte ich in der Anfangszeit viel zu verdanken. Da ich immer einer der Kleinsten und Schnellsten im Team war, wurde mir Fred als Beschützer zur Seite gestellt. Immer wenn mich einer hart angegangen ist, hat Fred ihn quer über die Eisfläche gejagt und ich konnte meine Tore machen.

Die Tatsache, dass die US-Soldaten nicht als Ausländer zählten, hat den Verein damals auf die abenteuerlichsten Ideen gebracht. Überlieferungen zufolge war der vermeintliche US-Soldat Grant Campbell damals eigentlich Kanadier. 35 Jahre später kann einen glaub ich keiner mehr dafür belangen – deshalb die Frage: Was hattet ihr damals wirklich gedreht?

Dieter Rahmer: Unser Spieler Remi Johnson war bei der Army und brachte irgendwann den Grant Campbell mit, der tatsächlich Kanadier war. Dummerweise hatten wir schon zwei Kontingentspieler im Team, also mussten wir uns etwas einfallen lassen. Im ersten Spiel hat er ein Gitter vors Gesicht bekommen und mit dem Spielerpass des ehemaligen Spielers Wolfgang Hönnige gespielt. Das war für ein Spiel okay. Darauf hatte keiner geachtet. Remi meinte dann, den machen wir zum Ami. Er hat eine Army-Uniform mitgebracht, wir haben Grant am Bahnhof in einer Kabine fotografiert und er erhielt einen Army-Spielerpass. So weit, so gut. Bei den damaligen Black Panthers Bad Liebenzell hatten dann aber einige dort stationierte Kanadier gespielt, die unseren Trick anhand Grants Akzent entlarvten. Sie erstatteten beim Deutschen Eishockey-Bund Anzeige. Das ging so weit, dass sogar die CIA eingeschaltet wurde. Die forschten nach und fanden tatsächlich zufälligerweise einen in Ludwigsburg stationierten Grant Campbell, so dass die Sache für uns erstmal gut ausging. Am Ende flog der Schwindel aber doch auf und wir bekamen nachträglich die Punkte aus allen Spielen mit Grants Beteiligung abgezogen.

Und dann kamen die Kölner Nationalspieler Wim Hospelt, Detlef und Dieter Langemann. Wie war es dazu gekommen?

Dieter Rahmer: Unser Eishallen-Betriebsleiter Sigi Stotz hatte früher bei den Kölner Haien gespielt. Er kam zu mir und erzählte von seinen Kumpels, die in der Altherrenmannschaft der Haie rumzockten und Bock hatten, mit ihm zusammen nochmal richtig Eishockey zu spielen. Jeder der vier wollte 300 Mark haben, dazu kamen noch 300 Mark Spritgeld. Ich sagte mir, die 1.500 Mark pro Spiel setze ich und finanziere sie aus eigener Tasche. Ich wollte wissen, was in Heilbronn geht. Bis dahin hatten wir im Schnitt 200 Zuschauer, mit den Kölnern wurden es dann schnell 2.000. „Heilbronn holt Kölner Nationalspieler“ – das war eine Sensation. Der Kassier des REV kam nicht mehr aus dem Geldzählen raus…

Wie kam es dann 1986 zur Ausgliederung aus dem REV und der Gründung des Heilbronner EC?

Dieter Rahmer: Wir hatten in der Saison 1985/86 in der Oberliga Mitte einen Kanadier namens Adam Brown, der in 32 Spielen 177 Scorerpunkte gemacht hat. Den wollte halb Deutschland haben und wir haben ihn für 20.000 Mark an die ESG Kassel verkauft – richtig filmreif mit Bargeld-Übergabe an der Autobahnraststätte. Der damalige Kassier des REV hat die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen und hat uns die Gründung eines eigenen Vereins nahegelegt, da er mit den hohen Einnahmen um die Gemeinnützigkeit des REV bangen musste. Also habe ich zusammen mit Joachim Weitzel, Werner Albus, Michael Northe, Klaus Göller, Hanspeter Göggelmann und Uli Mögle den HEC gegründet.

Reinhard und „Hugo“, ihr habt das alles live als Spieler miterlebt. Was waren eure persönlichen Highlights in all den Jahren.

Robert Morgenstern: Ganz klar das Aufstiegsspiel 1987 gegen Sonthofen, als der HEC zum ersten Mal in die zweite Liga aufgestiegen ist. Ich hatte zwar nicht allzu viel Eiszeit, aber diesen Tag vergisst man nicht.

Reinhard Zehetner: Ich habe in diesem Spiel im dritten oder vierten Block gespielt, um die Leistungsträger zu entlasten. Die einzige Aufgabe war „halten“. Aber nicht nur dieses Spiel war ein Highlight, sondern die ganze Saison 1986/87. Wir hatten einen unglaublichen Zusammenhalt im Team und es sind enge Freundschaften entstanden, die zum Teil heute noch Bestand haben. Hugo und ich waren damals zusammen mit Steffen Neutz die einzigen, die den ganzen Tag gearbeitet haben. Die anderen waren Halbprofis, die Ausländer haben gar nichts gearbeitet. Mein persönliches Highlight war aber auch, dass ich nach einer schweren Knieverletzung 1985 wieder zurückgekommen bin.

Robert Morgenstern: Für mich unvergesslich ist auch das Abschiedsspiel unseres ehemaligen Torhüters Barny Köpf gegen die Bronzemedaillengewinner der Olympischen Spiele von 1976. Ich durfte gegen den legendären Erich Weishaupt einen Penalty schießen, den ich dann sogar versenkt habe. Was auch haften blieb: 1986, ein Heimspiel gegen Stuttgart. Meine Frau Petra saß hochschwanger auf der Tribüne. Ich bekam im Spiel einen Puck ins Gesicht und habe geblutet, was bei Petra die Wehen aulöste. Wir sind gemeinsam ins Krankenhaus gefahren und kurz darauf wurde unsere Tochter geboren.

Entstehungsgeschichte der Heilbronner Eishalle

Dieter Rahmer erinnert sich:

„1979 bauten Heilbronn und Neckarsulm parallel ihre Eishallen. Es gab einen wahren Wettstreit der beiden Bürgermeister. Diesen gewann am Ende der Neckarsulmer Erhard Klotz gegen seinen Heilbronner Kollegen Hans Hofmann, obwohl Neckarsulm viele Monate später mit dem Bau begonnen hatte. Die Heilbronner hatten schlichtweg vergessen, einen Blick auf den Baugrund zu werfen. Wo heute die Eishalle steht, war früher ein Seitenarm des Neckars, der nach dem 4. Dezember 1944 mit dem Schutt der Stadt aufgefüllt wurde. Beim Baubeginn haben sie gemerkt, dass der Boden nur aus Backsteinen und Sumpf bestand. Hans Hofmann hat in einem Amtszimmer getobt, als er von dem Baustopp erfuhr. Man musste rund 30 große Löcher in den Boden bohren, Stahlkörbe hinunter lassen und diese mit Beton füllen, damit die Halle auf diesen Säulen stabil gebaut werden konnte. Das kostete viele Monate und am Ende war die Neckarsulmer Halle im Herbst 1979 zwei Monate vorher fertig.
Die ganzen Eisläufer fuhren in die Neckarsulmer Halle, in der sich heute das Bauhaus befindet. Diese war von der Autobahn gut zugänglich und wurde förmlich überrannt. Ganz anders in Heilbronn: Der Pächter Tennis- und Skischule Schwaben war nach einem Jahr pleite. Von den 28 Investoren der Betreibergesellschaft hatten sich zehn bereits zurückgezogen. Die Eisbahn konnte nur mit weiteren Investorengeldern gerettet werden. Da mein Vater Emil und ich die einzigen Heilbronner unter den Investoren waren, haben wir dann eben 200.000 Mark nachgeschossen, damit es weitergehen konnte. Daraufhin hat mich die Betreibergesellschaft darum gebeten, ehrenamtlicher Geschäftsführer zu werden.
1980 haben Werner Neutz als Abteilungsleiter des REV Heilbronn und ich dann mit dem Eishockey begonnen – erst hobbymäßig und ab 1981 in der Liga.“