Sport-Union Neckarsulm: Handball-WM in Zeiten von Corona

Mit Irene Espínola Pérez (Spanien), Lynn Knippenborg (Niederlande) und Johanna Stockschläder (Deutschland) gingen in Spanien bei der Handball-Weltmeisterschaft 2021 der Frauen gleich drei Spielerinnen der Sport-Union Neckarsulm für ihre jeweilige Nation an den Start. Im SPORTHEILBRONN-Interview vor der Neckarsulmer Pichterichhalle berichten die drei Athletinnen über ihre Erfahrungen bei dem Turnier und darüber, wie es ist, als eigentliche Teamkameradinnen plötzlich gegeneinander zu spielen. Wie es nach der WM in Neckarsulm weiterging, und wie die drei die coronabedingte Teamquarantäne überstanden haben erfahren unsere Leser hier.

Autor: Lena Staiger

21. Februar 2022

Foto: (von links) Irene Espínola Pérez (Spanien), Lynn Knippenborg (Niederlande) und Johanna Stockschläder (Deutschland)

Lynn, du durftest für die Niederlande bereits bei vier Welt- und drei Europameisterschaften auflaufen und hast so einige Erfahrung international gesammelt. Beim niederländischen WM-Titel 2019 warst du allerdings nicht dabei. Wie war es jetzt, wieder ins Team zurückzukommen?
Lynn Knippenborg: Ja das stimmt. Für mich lief das Turnier ganz okay. Ich wusste schon von vornherein, dass ich nicht so viel spielen würde. Trotzdem war es sehr schön, wieder in die Nationalmannschaft zurückzukehren und die Mädels wiederzusehen. Leider sind wir ja recht früh ausgeschieden…

Schon in der Hauptrunde war hinter Norwegen und Schweden für euch Schluss. Woran hat es gelegen?
Lynn Knippenborg: Wir hatten eigentlich eine eingespielte Mannschaft, die Mädels waren alle erfahren. Natürlich muss man sich aber mit einem neuen Trainer erstmal zusammenfinden, das lief nicht ganz reibungslos. Norwegen und Schweden sind zwei Nationen, die im Handball sehr stark sind. Gegen Norwegen haben wir mit 34:37 auch nur knapp verloren und Norwegen hat ja später auch den Titel geholt. Es war also auch ein gewisses Maß an Pech dabei.
Irene und Johanna, für euch war es ja die erste Weltmeisterschaft für Spanien bzw. Deutschland. Eure Mannschaften haben jeweils die Hauptrunde geschafft und ihr standet euch im Viertelfinale auf dem Spielfeld gegenüber, wobei Deutschland mit

21:26 den Kürzeren gezogen hat. Wie war das für euch?
Irene Espínola Pérez: Spanien hat zum Glück gewonnen, ich hatte schon Angst, dass ich sonst hier im Team damit aufgezogen werde (lacht). Im Ernst: Wir wussten, dass wir im Viertelfinale entweder Deutschland oder Dänemark bekommen. Das spanische Team hat sich Deutschland gewünscht aber mir persönlich wäre Dänemark schon lieber gewesen.
Johanna Stockschläder: Wir haben eigentlich sogar zweimal gegen Spanien verloren. Einmal im Viertelfinale und einmal in der Vorbereitung. Aber so ist das eben im Handball, es geht immer ein Gewinner und ein Verlierer aus der Halle und es war klar, dass die Besseren weiterkommen. Für uns war es natürlich trotzdem sehr schade, da Spanien ein Gegner war, den man auch hätte schlagen können.

Irene, für dich war es ja noch einmal eine besondere Situation als Spanierin im eigenen Land eine WM zu spielen. Hast du den Heimvorteil wahrgenommen?
Irene Espínola Pérez: Da ich davor noch nie auf einer Weltmeisterschaft war, fehlt mir der Vergleich. Aber natürlich war es toll, im eigenen Land zu spielen. Man hat die Unterstützung durch Freunde, Familie und Fans schon gemerkt, obwohl wir durch die Coronamaßnahmen nicht wirklich Kontakt nach Außen hatten. Umso bedauerlicher war es dann, dass wir das Spiel um den dritten Platz verloren haben und am Ende Vierte wurden.

In Spanien waren ja einige Fans in der Halle zugelassen. Merkt man da als Spielerin, ob diese hinter einem Team stehen oder nicht?
Johanna Stockschläder: Auf jeden Fall! Wir hatten im Viertelfinale gegen Spanien die Situation, dass wir nach einem guten Start, bei dem wir auch einen Vorsprung aufbauen konnten und in Führung lagen, kurz mal aus dem Spielfluss rausgekommen sind. Gleichzeitig hat Spanien das Tempo angezogen, und auf einmal war die ganze Halle da und hat für unsere Gegnerinnen gebrüllt. Für uns Spielerinnen ist es, unabhängig von der Nation, jedoch sehr schön, überhaupt wieder vor Publikum spielen zu dürfen. Das hatte in der Zeit davor schon sehr gefehlt.

Stichwort Corona: Waren die Vorgaben und Maßnahmen für alle Mannschaften gleich, oder wurde das von Nation zu Nation unterschiedlich gehandhabt?
Irene Espínola Pérez: Für Spanien als Ausrichtungsnation war es schon sehr anstrengend. Wir mussten uns besonders gut an die Vorschriften halten und als gutes Beispiel vorangehen. Wir wollten uns alle auf gar keinen Fall infizieren, und als es im Turnier die ersten positiven Fälle gab, war man vor jedem Schnelltest schon sehr nervös.
Lynn Knippenborg: Die Vorgaben waren natürlich für alle Mannschaften gleich. Ich glaube, insgesamt hat es auch ganz gut geklappt, nur die Österreicherinnen hatten einige Probleme mit Infektionen. Zunächst mussten sich die Mannschaften auch nur beim Weiterkommen in die nächste Runde testen, nach den positiven Fällen dann aber vor jedem Spieltag.
Johanna Stockschläder: Ich meine, ein paar Ungarinnen hätte es ebenfalls erwischt. Unsere drei Mannschaften sind aber gut davongekommen. Das Team Deutschland war auch schon im Vorfeld der WM gemeinsam im Trainingslager in einer abgegrenzten Bubble, da wären Infektionen noch vor dem Turnierbeginn aufgefallen. Ich denke wir hatten auch Glück, dass die ansteckendere Variante Omikron zu diesem Zeitpunkt noch nicht so verbreitet war. Das hat uns ja dann später eingeholt…

Du spielst damit auf die Infektionen in der Neckarsulmer Mannschaft an. Zum Jahreswechsel musste sich das gesamte Team in Quarantäne begeben. Wie erging es euch dabei?
Lynn Knippenborg: Ich war glaube ich die erste positiv Getestete im Team und obwohl ich die Mannschaft kaum, und wenn, dann nur mit Abstand, gesehen habe, mussten am Ende alle in Quarantäne, da sie sich angesteckt hatten. Ich persönlich hatte so gut wie keine Symptome. Den leichten Druck auf der Brust habe ich sogar zunächst für Muskelkater aus dem Training gehalten.
Irene Espínola Pérez: Ich war die ersten vier Tage schon krank, wie bei einem grippalen Infekt eben. Danach ging es mir aber schnell wieder besser.
Johanna Stockschläder: Es ist ja auch ein Unterschied, in welcher Art von Quarantäne man ist. Ich war zum Beispiel bereits in Isolation, weil es einen Kontakt mit infizierten Gegnerinnen gegeben hatte. Vor allem wenn man selbst dann eigentlich gar nichts hat, ist es für uns Profisportler schon eine Qual, zehn Tage daheim zu verbringen. Irgendwann hat man auch Netflix satt.

Wie steigt man nach so einer langen Pause nach der Infektion wieder ins Training ein?
Johanna Stockschläder: Sehr langsam. Wir haben ein festes Programm, welches wir durchlaufen müssen. Es erfolgen natürlich auch viele medizinische Check-ups und Tests. Da wird dann zum Beispiel geschaut, ob mit der Lunge und dem Herz alles in Ordnung ist.
Lynn Knippenborg: Unsere Trainerin Tanja Logvin hat im Training auch gefühlte zehntausend Mal gefragt, wie es uns geht. Ich habe zum Beispiel mit einer Pulsuhr trainiert. So konnte ich überwachen, wie mein Puls auf die Belastung reagiert. Aber ein komisches Gefühl bleibt schon. Wenn ich eine Verletzung am Knie habe, weiß ich ganz genau, was ich dagegen machen kann. Bei Corona ist man ja bis heute unsicher, was genau es im Körper anstellt.

Noch ein ganz anderes Thema, welches zuletzt ziemlich durch die Medien ging: In den Kabinen verschiedener Frauenmannschaften der Handball-Bundesliga wurden heimlich installierte Kameras gefunden, unter anderem auch beim TuS Metzingen. Wie geht man als Sportlerin der Liga mit solch einer Information um?
Irene Espínola Pérez: Ich finde es sehr gut, dass diese Vorfälle medial so aufbereitet und veröffentlicht werden. Das schafft Aufmerksamkeit auf das Problem und man wird sensibel in diesem Bereich. Wir unterstützen die betroffenen Mädels natürlich voll und ganz und stehen geschlossen hinter ihnen.
Lynn Knippenborg: Leider gibt es diese Vorfälle nicht nur im Handball, sondern immer wieder im gesamten Sport. Das verunsichert einen auch zu einem gewissen Grad im Alltag.

Irene, du wechselst nach dieser Saison von Neckarsulm nach Bukarest. Ist das der nächste Schritt in deiner sportlichen Karriere?
Irene Espínola Pérez: Ja, ich war jetzt vier Jahre hier und es ist an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren und mich weiterzuentwickeln. Die Mannschaft, zu der ich wechseln werde, steht momentan auf Platz eins der Tabelle und ich freue mich auch schon sehr auf die neuen Herausforderungen in Rumänien. Das Team hier werde ich natürlich sehr vermissen, ich habe mich mit den Mädels wirklich gut verstanden.