Spitzenringer Abdolmohammad Papi – Olympia-Traum nach der Einbürgerung

Erstmals tauchte der Name Abdolmohammad Papi in der Saison 2018/19 in der Ringer-Bundesliga auf, als die RED DEVILS Heilbronn den Iraner als Neuzugang vorstellten. Der dreifache Weltmeister und Olympia-Dritte Frank Stäbler hatte den Griechisch-Römisch Spezialisten, der in der Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm zuhause ist, seinem Verein ans Herz gelegt – und er hatte nicht zu viel versprochen. Abdolmohammad Papi absolvierte sechs Bundesliga-Kämpfe, die er allesamt deutlich gewann. Nachdem er zwischenzeitlich zum ASV Schorndorf gewechselt war, kehrte der 34-Jährige im letzten Sommer wieder zu den RED DEVILS zurück – inzwischen als Deutscher, denn am 10.09.2021 wurde der mehrfache iranische Meister eingebürgert. Auch in der laufenden Saison ist Abdolmohamad, der von allen nur „Papi“ genannt wird, wieder einer der wichtigsten Punktesammler des Heilbronner Bundesliga-Teams. Im Interview erzählt er uns, unterstützt von seinem Freund Alireza Rabiyan, über seine
Flucht, den nervenaufreibenden und bürokratischen Prozess der Einbürgerung und seine sportlichen Ambitionen.

Autor: Lena Staiger

9. Februar 2022

Papi, wie sah dein Weg nach Deutschland aus? Was war deine erste Anlaufstation?
Abdolmohammad Papi: Ich bin zusammen mit meiner Familie im Jahr 2017 aus dem Iran geflohen. Ich bin sehr froh, dass ich immer mit meiner Frau und meinen beiden Kindern zusammenbleiben konnte. Mein Sohn kommt nun im Sommer in die Schule, meine Tochter besucht den Kindergarten. Unser Weg nach Europa führte uns über die Niederlande nach Köln. Dort hatten wir Freunde, die uns unsere erste Unterkunft gewährt haben.

Konntest du dann in Deutschland direkt weiter trainieren? Als Profisportler fällt es dir ja bestimmt schwer, lange Pause zu machen oder?
Abdolmohammad Papi: Ja, auf jeden Fall. Zu Beginn bin ich von Köln nach Heidelberg zum Olympiastützpunkt gependelt, um dort zu trainieren. Später sind wir dann direkt nach Heidelberg gezogen, was die Trainingssituation natürlich nochmal erleichtert hat. Ich durfte bei vielen Trainingslagern mit dem Nationalkader des Deutschen Ringerbundes zusammen mit den Top-Athleten trainieren. Bei einem meiner ersten Trainings in Heidelberg wurde ich auch auf Frank Stäbler angesprochen, der sich dann anschließend bei mir gemeldet hat.

Und seitdem trainierst du mit Frank zusammen?
Abdolmohammad Papi: Genau. Wir haben uns dann an einem Abend bei Franky getroffen und uns kennengelernt. Danach bin ich über Monate hinweg zu ihm nach Musberg gependelt. Das hatte es wirklich in sich, da ich zu Fuß und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln hinkommen musste. Insgesamt war ich für eine Strecke über zwei Stunden unterwegs. Als dann endlich die Genehmigung kam, dass ich umziehen darf, hat mich das schon erleichtert. Inzwischen wohnen wir in Oberaichen, direkt neben Musberg.

Im September 2021 wurdest du dann offiziell eingebürgert. Wie lange war der bürokratische Weg bis dorthin?
Abdolmohammad Papi: Das war schon sehr langwierig und kompliziert. Zunächst haben wir nur eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Dafür muss man zum Beispiel einen festen Job über drei Jahre mit einem gewissen Gehalt hier in Deutschland vorweisen können. Wir hatten viel Papierkram und Bürokratie zu überwinden. Während des Prozesses der Einbürgerung mussten wir immer wieder Nachweise und verschiedene Belege und Papiere einreichen, das war schon relativ belastend. Vom Antrag bis zur offiziellen Einbürgerung hat es dann auch fünf bis sechs Monate gedauert. Meine Kinder sind mit mir eingebürgert worden, meine Frau wartet noch darauf.

Mit dem deutschen Pass bist du nun auch offiziell Mitglied des Bundeskaders. Auch im Iran warst du Teil des dortigen Nationalteams. Was sind für dich die Unterschiede?
Abdolmohammad Papi: Das Ringen hat im Iran schon einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Hier ist es eher eine Randsportart, und dort liebt die Bevölkerung den Ringsport. Erfolgreiche iranische Ringer haben auch gewisse Vorteile. Sie dürfen zum Beispiel ein Auto importieren, ohne groß Zoll zahlen zu müssen. Auch das Training läuft komplett anders ab. Wir waren elf Jahre lang in einer Art Kaserne und haben dort trainiert. Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat. Das lief schon ziemlich militärisch ab. Hier gehst du für eine Woche ins Trainingslager und fährst danach wieder nach Hause. Im Iran war ich mehrfacher nationaler Meister in meiner Gewichtsklasse. Bei den Asienmeisterschaften habe ich sogar einmal Silber und einmal Bronze geholt. Der Weg auf die Weltmeisterschaft blieb mir leider dennoch verweht, obwohl ich mich sportlich qualifiziert hatte. Im Iran hing viel von Beziehungen und Einfluss ab. Aus diesem Grund haben inzwischen einige Athleten, vor allem im Bereich des Kampfsports, das Land verlassen. Hier in Deutschland habe ich nun die Chance, mich objektiv zu beweisen.

Was sind nun deine sportlichen und persönlichen Ziele hier in Deutschland?
Abdolmohammad Papi: Ich möchte mir den Traum von Olympia auf jeden Fall erfüllen. Bis zu den Spielen 2024 in Paris halte ich mich definitiv fit. Ich möchte Schritt für Schritt gehen und mich gut auf die kommenden internationalen Turniere wie die Europa- und Weltmeisterschaft vorbereiten. Außerdem werde ich natürlich alles für mein Bundesligateam, die RED DEVILS Heilbronn, geben. Ich denke, dass ich dem Ringen auch nach meiner sportlichen Karriere erhalten bleibe. Ich habe sogar vor kurzem meine Trainer-A Lizenz abgeschlossen und darf jetzt auch Ringer trainieren.

Weltmeister Frank Stäbler über Abdolmohammad Papi

„Abdolmohammad Papi ist auf und neben der Matte ein absolutes Juwel. Wie man weiß, hat er maßgeblich zu meiner olympischen Bronzemedaille beigetragen, indem ich mich intensiv mit ihm vorbereiten durfte. Als er nach Deutschland gekommen ist, haben mir auf einmal ganz viele Iraner geschrieben, dass ein Topathlet in Heidelberg sei. Ich habe dann Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, damit wir uns kennenlernen und zusammen trainieren können. Nach einem unglaublichen Kampf gegen die Bürokratie wurde er erst hierher nach Musberg verlegt, hat dann aber sogar einen Abschiebungsbescheid bekommen. Zum Glück konnten wir diesen aber abwenden. Wir haben ihm dann einen Job und seiner Familie eine Wohnung besorgt. Inzwischen sind wir unglaublich zusammengewachsen. Wir haben uns gegenseitig sehr weitergebracht. Er hat den deutschen Pass und die Möglichkeit, sich und seiner Familie hier ein Leben in Ruhe und Sicherheit aufzubauen. Und ich durfte durch ihn meinen Traum der Medaille in Tokio verwirklichen. Eine absolute WinWin-Situation.“