Selbstversuch Kältesauna: Unerwartete Glücksgefühle bei -130 Grad
Eigentlich begann alles mit einem Anruf von Alexandra Sever bei der SPORTHEILBRONN-Redaktion. „Ich betreibe in Neckarsulm eine Kältesauna und würde gerne eine Anzeige bei euch im Magazin platzieren“, sagte sie zu unserem Chefredakteur Ralf Scherlinzky. Kältesauna? Die Neugier war geweckt. Aus dem kurzen Gespräch wurde ein 45-minütiges Telefonat, bei dem die Idee entstand, eine Sportlerin oder einen Sportler aus der Region die Kältesauna testen zu lassen und einen Magazinbeitrag darüber zu schreiben. Mit der siebenfachen Weltmeisterin der Transplantierten-Leichtathletik, Bera Wierhake, war auch schnell eine Sportlerin gefunden, die neugierig auf die Effekte der Kältesauna war. Kurz vor dem Termin Anfang Januar stellte Alexandra Sever dann nachdrücklich die ganz entscheidende Frage: „Ralf, du willst die Kältesauna doch bestimmt auch gleich probieren, oder?“
Autor: Ralf Scherlinzky
Zugegeben, ich winde mich an diesem Samstagmorgen und suche Auswege, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Draußen hat es minus drei Grad und ich komme schon frierend bei Alex an. Aber kneifen ist nicht – schließlich sind ja auch Bera und ihr Freund da, und man möchte dann nicht derjenige sein, der einen Rückzieher macht. Gerne lasse ich aber Bera den Vortritt…
Als sie nach 140 Sekunden bei Temperaturen von -130 bis -150 Grad fertig ist, gibt es kein Zurück mehr für mich. Ausziehen bis auf die Unterhose und ein paar trockene Wollsocken, mein Badehandtuch rumwickeln, in Handschuhe und warme Crocs schlüpfen und rein in die Röhre. Alex schließt den Einstieg, nimmt mir mein Handtuch ab, und dann geht es los. Von unten kriecht eine trockene Kälte hoch, die mich erstmal heftig nach Luft schnappen lässt. Anfangs kurz unangenehm, dann aber ganz okay. Währenddessen versucht mich Alex mit „nützlichen“ Tipps wie „ganz ruhig weiteratmen“ und „mach dir warme Gedanken“ abzulenken – was ihr recht gut gelingt, denn plötzlich sind die 140 Sekunden schon wieder vorüber.
Statt, wie ich erwartet hatte, als Eiszapfen wieder auszusteigen, fühle ich mich wie der glücklichste Mensch der Welt und ziehe mich leicht fröstelnd wieder an. Mein Blick auf Bera, die strahlend mit dem Handy fotografierend dasteht, zeigt mir, dass es ihr genauso ging. „Ich fühle mich total gut“, lacht sie, und Alex bestätigt uns, dass es jedem so geht, der aus der Kältesauna steigt.
„Der Körper schüttet Glückshormone aus, die seine Leistungsfähigkeit für die nächsten Stunden anheben“, berichtet sie. „Das kommt daher, dass er, überspitzt gesagt, in der Kälte erst in den Überlebensmodus schaltet und dann realisiert, dass er überlebt hat.“
Deshalb ist die Kryotherapie im Sport auch als eine Art „natürliches Doping“ anerkannt. Während der zwei bis drei Minuten werden rund 500 Kalorien verbrannt und die Muskeln nehmen mehr Sauerstoff auf als normal.
Als wir anschließend bei Kaffee und Tee zusammensitzen und ich mich gerade wundere, wie intensiv meine Arme und Beine durchblutet werden, spricht auch Bera von einem „total angenehmen Kribbeln“ und Alexandra Sever erklärt: „Diese verstärkte Durchblutung sorgt unter anderem dafür, dass du als Sportlerin keinen Muskelkater bekommst, wenn du ein paar Stunden nach dem Training in die Kältesauna steigst.“
Alexandra Sever, Ralf Scherlinzky und Bera Wierhake. Fotos: SPORTHEILBRONN
Bera berichtet von unangenehmen Erinnerungen an die Kältekammer im Trainingslager bei bis zu -110 Grad, die auf sie gerade den umgekehrten Effekt hatten als die -130 bis -150 Grad in der Kältesauna. „Das wundert mich nicht“, sagt Alex, „denn in der Kältekammer hast du, wie auch im Eisbad, eine nasse Kälte, wogegen wir mit trockener Kälte arbeiten. Das Wichtigste bei uns ist, dass der Kopf warm bleibt, denn dann verträgt der Körper die Kälte viel besser.“
Die Kältesauna wird mit flüssigem, -196 Grad kaltem Stickstoff betrieben. Das Gerät saugt Luft an, kühlt diese durch den Stickstoff herunter und bläst sie als angenehme Kälte zurück in die Röhre.
Die Kryotherapie findet ihren Einsatz normalerweise vor allem bei der Schmerzbehandlung. Alexandra Sever berichtet uns von zahlreichen Kunden mit Rheuma und Arthrose: „Die extreme Kälte unterbricht den Entzündungsvorgang und lindert deshalb die Schmerzen. Bei regelmäßiger Behandlung ca. zweimal pro Woche bekommen wir bei fast 90 Prozent unserer Kunden die Schmerzen gelindert, und bei gut der Hälfte sind die Schmerzen irgendwann sogar ganz weg. Das ist das Schönste für mich, wenn sie mir strahlend berichten, dass ich ihnen helfen konnte.“
Kryotherapie ist inzwischen eine anerkannte Therapie, die vor allem in Rheuma- und Kurzentren angewandt und zum Teil auch von Krankenkassen übernommen wird.
Spannender Side Fact zu unserem Selbsttest: Bera laboriert seit einiger Zeit an einer Knieverletzung und hat schon kurz danach weitere Termine in der Kältesauna vereinbart. Auch von mir gibt es ein „Jederzeit gerne wieder“!