Schwimmerin Lisa Höpink: Sport-Union Neckarsulm-Neuzugang mit Olympia-Flair

Lisa Höpink wechselt nach 13 Jahren in Essen zur Sport-Union Neckarsulm. Die 23-jährige Schwimmerin, die ursprünglich aus Wanne-Eickel stammt, möchte nach 2021 in Tokio auch 2024 wieder bei den Olympischen Spielen in Paris für Deutschland an den Start gehen. Eine Olympia-Teilnehmerin, die in die Region wechselt? Da mussten wir natürlich gleich genauer nachfragen und haben bei unserem Treffen eine sympathische Sportlerin kennengelernt, die nun das Ruhrgebiet gegen die Idylle zwischen Neckar und Weinbergen eingetauscht hat. Im Interview redet sie über die Gründe für ihren Wechsel nach Heilbronn, ihren neuen Trainer und das Leben als Sportsoldatin.

Lisa Höpink in Aktion.
Foto: Jo Kleindl

Autor: Nils Arnold

26. Oktober 2022

Willkommen in der Region! Du bist erst vor kurzem von Essen nach Neckarsulm gewechselt. Seit wann bist du hier und hast du dich schon eingelebt?
Lisa Höpink: Ich wohne seit Anfang September hier, wobei ich seitdem noch nicht viel Zeit in meiner Wohnung in Untereisesheim verbracht habe. Nachdem ich umgezogen bin und eine Woche zum Einziehen hatte, bin ich für drei Wochen ins Höhentrainingslager in die Türkei geflogen. Aus der Türkei zurück, musste ich am nächsten Tag für weitere drei Wochen zum Bundeswehrlehrgang nach Warendorf fahren. Ich wurde schon mehrmals gefragt, ob mir die Region gefällt und ob ich mich schon gut eingelebt hätte. Ich kann immer nur sagen, dass ich noch keine Zeit hatte, um mich einzuleben.

Du bist im letzten Jahr in Tokio für Deutschland bei den Olympischen Spielen an den Start gegangen. Was ist das für ein Gefühl?
Lisa Höpink: Das ist schon ein wahnsinniges Gefühl. Ich war auch 2016 in Rio dabei. Zwar nicht als Sportlerin, sondern nur als Touristin, aber da hatte ich schon dieses olympische Gefühl aufgeschnappt. Auch wenn wir etwas weiter von den Sportstätten und dem olympischen Dorf entfernt waren, konnte ich mir danach ganz gut vorstellen, wie es bei den Spielen ist. Das wollte ich alles gerne selbst einmal erfahren und konnte mir diesen Traum in Tokio erfüllen. Durch Corona hat man leider nicht ganz das Gefühl bekommen, da man nicht aus der Bubble des olympischen Dorfs rausdurfte. Es waren auch keine Zuschauer bei den Veranstaltungen erlaubt. Die einzelnen Nationen haben aber immer ganz gut für Stimmung gesorgt. Es war auf jeden Fall eine großartige Erfahrung, aber ich würde gerne das volle Erlebnis der Spiele in Paris noch einmal mitnehmen, ohne, dass es Einschränkungen gibt.

Was waren die Gründe für den Wechsel nach Neckarsulm?
Lisa Höpink: Der hauptsächliche Grund war vor allem Matthew Magee, der zur Zeit Trainer in Neckarsulm ist. Er ist Australier und vermittelt uns Schwimmer:innen eine andere Weise, das Training oder den Wettkampf anzugehen, und hat andere Trainingsmethoden als ich es gewohnt bin. Ich bin die letzten 13 Jahre in Essen geschwommen und hatte nach den Olympischen Spielen in Tokio das Gefühl, noch einmal etwas Neues ausprobieren zu wollen. Nachdem ich mich über Bekannte etwas informiert hatte, fand ich Neckarsulm als Standort sehr interessant. Daraufhin habe ich ein paarmal mit dem Team trainiert und mit Matt geredet. Seine ganze Art und Weise fand ich einfach gut. Sie inspiriert mich und hat im Endeffekt auch dazu geführt, dass ich hierher gekommen bin.

Was macht Matt anders als deine vorherigen Trainer?
Lisa Höpink: Er redet viel mit uns Sportlern und gibt seine ganze Erfahrung im Umgang mit Topathleten an uns weiter. Wir versuchen alte Strukturen und Routinen abzulegen und von den klassischen DSV-Methoden etwas wegzukommen. Wir trainieren hart, aber es herrscht eine angenehme Atmosphäre. Ein Beispiel dafür war unser erster Wettbewerb. Da beim Training andere Schwerpunkte als in Essen gesetzt werden, war alles noch sehr anstrengend und ich war im Vorfeld ziemlich kaputt. Matt hat mich dennoch davon überzeugt, in Frankreich anzutreten. Ich sollte es einfach als erste Vorbereitung auf die wichtigen Wettkämpfe gegen Ende der Saison sehen und ohne Druck ins Rennen gehen. In Australien ist es typisch, dass man über schlechte Wettkämpfe lacht, sich amüsiert und locker damit umgeht, vor allem wenn es wie jetzt in Frankreich um nichts geht. Die deutsche Verbissenheit und den Ärger über schlechte Leistung versuchen wir etwas abzulegen.

Wie bist du zum Schwimmsport gekommen?
Lisa Höpink: Mein Vater ist selbst geschwommen, bevor er zum Wasserball gewechselt ist. Als ich klein war, habe ich Fußball gespielt, Ballett getanzt und geturnt. Ich bin aber beim Schwimmen hängen geblieben. Von zuhause wurde ich immer schon gefördert, weil mein Vater erkannte, dass ich ein gewisses Talent mitbringe. Von Wanne-Eickel wechselte ich dann nach Recklinghausen. 2009 ging ich ab der 5. Klasse auf ein Sportinternat nach Essen, von wo aus das Ganze so seinen Lauf nahm.

Wie ist das Leben in einem Sportinternat?
Lisa Höpink: Sehr eng getaktet. Um 5:15 Uhr war Trainingsstart. Das hieß jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen, schnell etwas frühstücken und rüber in die Schwimmhalle. Es gab dann ein kleines Aufwärmprogramm und ab 5:30 Uhr war man im Wasser. Nach dem Training musste man sofort weiter in die Schule. Das Gute waren die kurzen Wege. Internat, Schule und Schwimmhalle waren zu Fuß maximal fünf Minuten voneinander entfernt, sodass sich zumindest die Wegzeiten in Grenzen hielten. Es war eine sehr schöne Zeit. Vor allem wenn man als Einzelkind auf einmal mit ganz vielen Gleichaltrigen zusammen in einem Haus wohnt.

Wie hat sich dein Tagesablauf im Vergleich zu damals verändert?
Lisa Höpink: Das ist noch schwierig zu sagen. Ich habe meine Trainingszeiten, um die ich mein Leben zu legen versuche. Ich habe neun Wassereinheiten und zwei Landeinheiten in der Woche. Trainingsbeginn ist um 5:45, also stehe ich, wie damals, früh auf. Montags, dienstags und freitags trainieren wir morgens und abends. Am Mittwoch gibt es eine Einheit am Abend und donnerstags gehen wir morgens ins Wasser, woraufhin wir noch eine Krafteinheit machen. Die letzte Einheit der Woche ist am Samstagmorgen. In der Mittagszeit versuche ich Zeit für mein Studium zu finden. Den restlichen Rhythmus werde ich in den kommenden Wochen herausfinden.

Wie lange geht eine Einheit?
Lisa Höpink: Meistens gehen die Wassereinheiten zwei Stunden. Manchmal sind sie auch etwas kürzer oder länger. Die Krafteinheiten pendeln sich zwischen einer und zwei Stunden ein.

Gibt es im Leben eines Leistungssportlers auch Freizeit?
Lisa Höpink: Ja, die gibt es. Man muss sich die Zeit aber freischaufeln. Lange Wochenenden nutze ich gerne, um wegzufahren, weil ich dann meinen Kopf abschalten kann und mich nicht mit dem Sport befasse. Man versucht sich Zeiten einzubauen, in denen man nichts machen muss oder vor hat. Das ist oft eine Sache der Priorisierung.

Was sind deine Lieblingsstrecken?
Lisa Höpink: 100 Meter Kraul und Schmetterling sind meine Disziplinen. Das sind auch die Strecken, die ich bei den Spielen geschwommen bin. Die liegen mir gut. Ich komme von den langen Strecken und bin 200, 400 und 800 Meter geschwommen, aber das muss ich jetzt nicht mehr haben. Ich bin keine „Edelsprinterin“. Die schwimmen die 50 Meter. Das liegt mir noch nicht ganz so, ich hoffe aber, mich da in den nächsten Monaten zu verbessern.

Entspannte Gesprächsrunde beim Kaffee: Lisa Höpink (2. von links) mit der SPORTHEILBRONN-Redaktion.

Trainierst du nur diese Strecken oder auch alle anderen Disziplinen und Lagen?
Lisa Höpink: Unter Matt trainiere ich wieder alles. In den letzten vier Jahren hatte ich sehr sprintfokussiert trainiert – viel Krafttraining, viel kurze Strecken, entweder schnell oder langsam und sehr wenig Mittelbereiche. Jetzt schwimme ich fast nur Mittelbereiche. Ich schwimme hier auch wieder sieben Kilometer, was ich ewig nicht gemacht habe. Das ist eine große Umstellung, was dazu führt, dass alles noch sehr kräftezehrend ist. Ich habe aber das Gefühl, dass ich Fortschritte mache, zwar nicht so schnell wie ich es mir wünschen würde, weil ich da sehr ungeduldig bin, aber es geht voran.

Du hast am Anfang schon den Bundeswehrlehrgang angesprochen. Was machst du bei der Bundeswehr?
Lisa Höpink: Meine Berufsbezeichnung ist Obermaat und ich bin in der Marine tätig. Mein Job ist es Sport zu treiben. Dafür bezahlt mich die Bundeswehr. Ich muss aber nicht vor Ort in einer Kaserne sein, sondern befinde mich im Heimtraining. Wir bekommen jedes Jahr einen Einjahresvertrag, an dessen Ende eine Evaluation stattfindet, ob man auch im nächsten Jahr einen Vertrag erhält. Wenn die Leistungen nicht ausreichend waren oder man verletzt war, wird man aber nicht direkt rausgeschmissen, sondern wird zum Reservisten und hat ein Jahr Zeit, durch gute Leistungen einen neuen Vertrag zu sichern und weiter von der Bundeswehr bezahlt zu werden.

Was hast du auf dem Lehrgang gemacht?
Lisa Höpink: Ich habe jetzt meinen Trainerschein gemacht. 2018 habe ich meine Grundausbildung abgeschlossen. Bei uns Sportlern sind es nur vier Wochen anstatt regulär drei Monate Ausbildung, wobei in meinem Jahrgang noch sechs Wochen Pflicht waren. Wir werden trotzdem als reguläre Soldaten behandelt, auch wenn unsere primäre Aufgabe der Sport ist und wir mehr eine repräsentative Funktion haben. Letztes Jahr war ich auf einem Unteroffizierslehrgang. Dieser war sehr militärisch und es wurden auch Themen wie Soldatenrecht beleuchtet. Eigentlich macht man erst den Trainerschein und dann den anderen Lehrgang. Der Unteroffizierslehrgang dauert länger als der Trainerschein und die Sportler haben nach den Olympischen Spielen meistens etwas länger Zeit. Deshalb hat man gesagt, dass ich zuerst den Lehrgang und danach meine Trainerlizenz mache.