Rugby-Nationalspielerinnen made in Heilbronn

Johanna und Sophie Hacker sind Rugbyspielerinnen mit Leib und Seele. Die beiden aus Heilbronn stammenden Wahl-Heidelbergerinnen spielen nicht nur in der erfolgreichen Bundesliga-Frauenmannschaft des Heidelberger Ruder- und Rugbyklubs (HRK), sondern sind auch feste Bestandteile der deutschen Nationalmannschaft. Ihr Vater Guntram, der fleißig neue Rugbyspielerinnen in Heilbronn rekrutiert, ist bei der TSG Heilbronn Abteilungsleiter der Rugby-Abteilung. Wir haben Johanna (23) und Sophie (19) beim Training sowie beim 54:0-Sieg gegen den FC St. Pauli besucht und dabei sehr viel über die doch nicht so „gewöhnliche“ Frauensportart Rugby erfahren.

Fotos: Achim Gehrig

Autor: Steffi Hägele

3. Mai 2022
Johanna Hacker

Ihr kommt ja aus einer Rugbyfamilie und die Sportart scheint in euren Genen zu liegen. Trotzdem die Frage: Wie seid ihr zum Rugby gekommen?
Johanna Hacker: Unser Opa und unser Papa waren beide Trainer bei der Rugby- und Rudergesellschaft in Heidelberg (RGH), und daher hatten wir schon immer etwas mit der Sportart zu tun. Ich habe erst mit 13 Jahren bei der TSG Heilbronn angefangen Rugby zu spielen, also sehr spät. Nach einem halben Jahr bin ich zu meinem Papa nach Heidelberg gewechselt, wo bereits acht oder neun andere Mädels aus Heilbronn gespielt hatten. Kurz darauf habe ich schon in der Baden-Württemberg-Auswahl und mit 14 Jahren dann in der Deutschen Jugend-Auswahl gespielt. Mit 19 bin ich zusammen mit einigen weiteren Spielerinnen aus der Frauenmannschaft des RGH zum Heidelberger Ruder- und Rugbyklub (HRK) gewechselt.
Sophie Hacker: Ich habe schon mit sieben Jahren mit Rugby begonnen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine Jugendmannschaft in Heilbronn, deshalb habe ich direkt in Heidelberg angefangen. Aber ja, irgendwie liegt das Talent schon bei uns in der Familie. Unser Papa hat, zusammen mit unseren Halbgeschwistern, insgesamt sechs Kinder und fünf davon spielen Rugby – und das auch noch so gut, dass es bis jetzt alle in die Nationalmannschaft geschafft haben. Die Tochter von unserem ältesten Halbbruder spielt inzwischen auch bei uns in der Mannschaft des HRK. Er scheint die Gene auch weiterzugeben…

Seid ihr von Anfang an mit dem Leistungsgedanken an die Sportart herangegangen?
Johanna Hacker: Da ich ja erst spät mit dem Rugby angefangen habe, war bei mir schon von Anfang an ein Leistungsgedanke dahinter. Ich hatte auch das Ziel in die Nationalmannschaft zu kommen und dort dann ein fester Bestandteil des Teams zu werden.
Sophie Hacker: Bei mir war nicht sofort der Leistungsgedanke da. Ich war ja noch recht jung, als ich mit dem Sport begonnen habe. Als ich dann aber älter wurde, war ich mir auch schnell sicher, dass ich auf Leistung spielen möchte. Deshalb bin ich dann auch zum HRK gewechselt, denn hier hat man einfach bessere Voraussetzungen, um es in die Nationalmannschaft zu schaffen.

Ist Heidelberg einer der zentralen Rugby-Standorte in Deutschland oder gibt es noch weitere solche Hochburgen?
Sophie Hacker: Wir haben in Heidelberg sowohl den Olympiastützpunkt als auch den Landesstützpunkt Baden-Württemberg. Hier kommen die meisten Spielerinnen zusammen, die für die Nationalmannschaft oder für den Landesverband trainieren. Hannover ist noch eine weitere Rugby-Stadt. Dort gibt es ebenfalls einen Stützpunkt.

Ihr wohnt und studiert in Heidelberg?
Sophie Hacker: Ja. Ich studiere im zweiten Semester Sport und Psychologie hier an der Uni. Mit 17 Jahren bin ich nach Heidelberg in eine WG gezogen, so konnte ich mir die Fahrten von Heilbronn zum Training sparen.
Johanna Hacker: Ich studiere an der Universität Heidelberg Biologie und Sport im Masterstudiengang auf Lehramt. Wir beide haben auch ein Spitzensportstipendium. Ohne das würden wir es auch nicht schaffen, alles unter einen Hut zu bekommen. Leider sind bei mir in Biologie die Dozenten nicht so kulant wie bei Sophie. Ich hatte in den ersten zwei Semestern viele Vorlesungen mit Anwesenheitspflicht und das wurde manchmal ein wenig schwierig. Da hat mir das Stipendium schon sehr geholfen. Durch das Stipendium bekommen wir beide zusätzlich zur Unterstützung durch die Deutsche Sporthilfe auch nochmal eine kleine monatliche Förderung dazu. Heidelberg ist ja nicht gerade die billigste Stadt…

Könnt ihr mit dem Rugbyspielen Geld verdienen oder müsst ihr zusätzlich zu Sport und Studium auch noch arbeiten? Wie läuft bei euch ein „normaler“ Tag ab?
Johanna Hacker: Generell verdient man beim Rugby schon etwas, aber leider nur bei den Männern. Wir Frauen werden weniger gefördert und brauchen nebenher einen Job. Vom HRK haben wir in den Spielwochen dreimal pro Woche Training. Das Ausdauertraining teilen wir uns selbst über den Tag ein. Wir trainieren jeden Morgen eine Stunde und gehen dann nochmal nachmittags in den Speedcourt für die Schnelligkeit. Nebenher coachen Sophie und ich zusätzlich eine Kindermannschaft. Und die Sachen für die Universität schieben wir auch noch über den Tag ein.

Ihr seid darüber hinaus auch noch im Verein engagiert?
Johanna Hacker: Ja, wir sind im Eventvorstand tätig und versuchen gerade, frischen Wind reinzubringen. Unsere Mannschaft ist mit fünf aktuellen und drei ehemaligen Nationalspielerinnen sowie vier U18-Nationalspielerinnen so gut aufgestellt, dass man sie gut vermarkten und so Sponsoren für den Verein gewinnen kann. Auch daran arbeiten wir.

Sophie Hacker
Sophie Hacker beim Aufwärmen für das Spiel gegen den St. Pauli

Wie ist generell die Konkurrenz in eurer Sportart? Und wie steht der HRK momentan da?
Johanna Hacker: Sophie und ich spielen beide Disziplinen, das heißt sowohl in der 7er- als auch in der 15er-Mannschaft. 7er-Rugby ist olympisch, und wie die Zahl schon aussagt, sind sieben Spielerinnen auf dem Feld. Die 7er-Bundesliga ist in den letzten Jahren in Deutschland stark gewachsen. Da man dafür insgesamt mit Ersatzspielern nur 15 Sportlerinnen braucht, bekommt man hier halt auch schneller ein Team zusammen. Die 15er-Liga wurde in zwei Bundesligen mit jeweils vier Teams aufgeteilt. Hier ist es einfach schwieriger, eine vollständige Mannschaft zusammen zu bekommen, denn insgesamt braucht man eine Teamstärke von ca. 30 Sportlerinnen. Acht Spielerinnen können auf der Ersatzbank sitzen – und dies sollte man schon ausschöpfen, sonst wird es echt anstrengend für diejenigen, die auf dem Feld stehen. In der 15er-Bundesliga ist unser größter Konkurrent der SC Neuenheim, der ist hier auch um die Ecke.
Sophie Hacker: Unsere Mannschaft hat dieses Jahr die Möglichkeit, Triple-Meister zu werden, was verdammt cool wäre und auch ein großes Ziel von uns ist. Bis jetzt sind wir schon Deutscher Pokalsieger und haben gute Chancen, auch die Meistertitel in der 7er- und in der 15er-Bundesliga zu gewinnen. Das wäre für uns dann schon eine sehr erfolgreiche Saison, wenn wir drei Titel gewinnen können.

Welche Ligen gibt es in Europa und wie seid ihr mit der Nationalmannschaft auf internationalem Niveau mit Deutschland positioniert?
Johanna Hacker: In Europa gibt es drei Ligen für Nationalteams: die Grand Prix Series (1. Liga), die Trophy (2. Liga) und die Challenger Series (3. Liga). Jede dieser Ligen besteht aus zwölf Teams. Hier ist es eigentlich wie im Fußball, dass man absteigen und aufsteigen kann.
Sophie Hacker: Wir sind eine sehr junge Mannschaft und spielen derzeit in der obersten Liga – momentan im Mittelfeld, aber wir wollen uns von Jahr zu Jahr steigern. Alle vier Jahre findet eine Weltmeisterschaft statt. Unser Ziel ist es, dass wir uns dafür qualifizieren. Das wird zwar schwierig, ist aber dennoch machbar. Insgesamt können nur 16 Mannschaften zur Weltmeisterschaft fahren. Fünf oder sechs Teams haben sich bereits qualifiziert, und unsere Chancen stehen auch nicht ganz so schlecht.

Könntet ihr euch auch vorstellen, mal zu einem Team im Ausland zu wechseln, vielleicht sogar in eine echte Rugby-Nation?
Johanna Hacker: Ich habe tatsächlich schon Angebote von verschiedenen internationalen Vereinen bekommen, aber momentan will ich erstmal meinen Master fertig machen. Aber danach wäre das schon eine Option für mich, klar…
Sophie Hacker: Ich hatte letzte Saison meine erste richtige Bundeskader-Saison, daher habe ich noch keine Angebote bekommen. Generell könnte ich es mir aber vorstellen, wenn ein gutes Angebot kommt.

Wie sehr war der Rugbysport durch die Corona-Pandemie betroffen? Wie haben euer Training und die Wettkämpfe ausgesehen?
Sophie Hacker: Erstmal wurde das Training komplett zu uns nach Hause verlegt. Aber so ab Mai durften wir, die im Bundeskader waren, wieder vor Ort das Training aufnehmen – natürlich unter strengen Hygieneregeln. Die Spiele wurden alle abgesagt, aber immerhin konnten wir wieder gemeinsam trainieren. Der HRK durfte auch wieder relativ früh eingeschränkt trainieren, da waren unsere Coaches dann mit den Übungen auch sehr kreativ. Nach einer Zeit wurden die internationalen Wettkämpfe wieder aufgenommen. Wir haben jeweils PCR-Tests gemacht, wenn wir losgeflogen und gelandet sind, sowie am Abend vor dem Spiel. Auf internationalen Wettkämpfen hatten alle Mannschaften immer ihr eigenes Zelt, in dem sie sich ohne Kontakt zu anderen aufhalten konnten. Normalerweise treffen sich alle Teilnehmer beim Essen und können sich dann dort unterhalten, aber das ging aufgrund von Corona nicht. Deshalb hat jede Nation für sich gegessen und war in ihrer eigenen „Bubble“. Es durften auch keine Zuschauer kommen – wie in vielen anderen Sportarten auch.
Johanna Hacker: Der Deutsche Rugbyverband hat im Januar auch eine Sonderregelung für die 15er-Mannschaften eingeführt. Wenn eine Mannschaft aufgrund von Corona-Infektionen oder Verletzungen nur mit einem Auswechselspieler kommen kann, wird die Spielzeit auf zweimal 30 Minuten gekürzt. Hat die Mannschaft zwei Spielerinnen zum Auswechseln, dauert das Spiel zweimal 35 Minuten. Sobald die Mannschaft drei oder mehr Spielerinnen auf der Bank hat, wird wieder auf die normale Spieldauer von zweimal 40 Minuten erhöht.

Was liegt für euch im Sommer noch alles an?
Johanna Hacker: Wir haben eigentlich fast jedes Wochenende ein Spiel. Die Wettkämpfe mit der Nationalmannschaft fangen meistens so Ende April an und gehen bis Mitte Juli. Parallel gibt es auch für unseren Verein noch ein paar Spiele. Deswegen ist unser Terminkalender im Sommer immer relativ voll.
Sophie Hacker: Um das alles parallel zum Studium zu schaffen, muss die Leidenschaft für das Rugby schon vorhanden sein – aber das ist ja bei uns beiden der Fall.

Die zwei Schwestern Johanna und Sophie Hacker (von links)