Rudi Christiansen: Erst Abitur, dann Profi- oder Collegetennis

Den Tennisexperten in Deutschland geht sein Name schon seit ein paar Jahren locker von den Lippen, und inzwischen ist er auch den meisten sportinteressierten Heilbronnern geläufig. Die Rede ist von Rudi Christiansen, einem 16-jährigen Tennis-Talent aus dem Heilbronner Osten, das beim TC Heilbronn am Trappensee groß wurde und in seiner Altersklasse in Deutschland inzwischen auf Platz fünf geführt wird. Wir haben uns mit dem Württembergischen U16-Meister von 2017 und seiner Mutter Katja Christiansen getroffen und haben einen fokussierten jungen Mann kennengelernt, der nach seinem Schulabschluss den Sprung nach Übersee wagen und testen möchte, wie weit er im Tennisgeschäft kommen kann.

Fotos: Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

16. Januar 2018

An normalen Tagen sei er von 6.00 bis 19.30 Uhr unterwegs, berichtet uns Rudi Christiansen, der seit September die elfte Klasse der Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule in Stuttgart besucht. „Um halb sieben steige ich in den Zug nach Stuttgart, wo dann um acht Uhr die Schule beginnt. Wenn diese um 13.10 Uhr zuende ist, fahre ich nach Stammheim zum Olympiastützpunkt des Württembergischen Tennis-Bundes, wo um 15.30 Uhr das Training beginnt. Wir trainieren dort dann bis 18.30 Uhr, und da holt mich meine Mutter ab und wir sind gegen 19.30 Uhr wieder zuhause“, so der 16-Jährige, der sich dann meist noch bis 22 Uhr auf den nächsten Schultag vorbereitet.

„Natürlich ist der Aufwand nicht gering“, bestätigt Katja Christiansen, die Tag für Tag nach Stuttgart fährt, um ihren Sohn abzuholen. „Bis letzten Sommer war das aber alles noch umständlicher. Da ist er in Heilbronn zur Schule gegangen und ich habe ihn vier Jahre lang nachmittags zum Training gefahren und musste drei Stunden in Stuttgart warten, ehe wir wieder nach Hause fahren konnten. Da ist das jetzt schon eine Erleichterung.“

In der Cotta-Schule wandelt Rudi Christiansen unter anderem in den Fußstapfen von Fußball-Nationalspieler Mario Gomez, der wie er einst die Sportförderklasse besucht hat. „Dort bin ich mit Gleichaltrigen aus den Sportarten Fußball, Handball, Speedskating, Schwimmen, Hockey, Wasserball, Tanzen und Leichtathletik zusammen, die allesamt Leistungssport betreiben und am dortigen Wirtschaftsgymnasium das Abitur machen wollen“, so Rudi Christiansen.

„Mit drei Jahren hatte er zum ersten Mal einen Tennisschläger in der Hand“, erinnert sich Katja Christiansen. „So richtig ging es dann mit den Ferienfreizeiten der Tennisschule von Metehan Cebeci los, an denen er mit einer Ausnahmegenehmigung schon mit fünf statt mit sechs Jahren zum ersten Mal teilnehmen durfte. Cebi hat dabei gleich sein Talent erkannt, und dann war der Weg quasi vorgezeichnet.“

Bezirkskader, Verbandskader, Oberliga, ITF (International Tennis Federation) Future-Turniere – so lautet der bisherige Weg des Talents, das mit einem Wechsel in die Vereinigten Staaten nach dem Abitur liebäugelt. „Natürlich ist es mit 16 Jahren noch schwer zu sagen, ob man es im Profi-Tennis schaffen wird oder nicht. Ich möchte es aber in jedem Fall probieren und habe bereits Kontakt zu Scouting-Agenturen, über die ich einen College-Platz bekommen könnte“, gibt uns Rudi Christiansen einen Einblick in seine Zukunftspläne. „Wenn ich aber sehe, es wird nichts, dann werde ich es schnell wieder sein lassen“, ergänzt er und erntet damit die Zustimmung seiner Mutter. „Es gibt viele Spieler, die bis Ende 20, Anfang 30 an dem Traum festhalten ohne eine Ausbildung zu haben – das würden wir auch nicht unterstützen. Man muss realistisch bleiben“, sagt Katja Christiansen, die bei Rudis Spielen laut eigener Aussage nervöser ist als er selbst.

Einen Vorgeschmack auf das Level, das er erreichen muss, um eine Chance auf eine Profikarriere zu haben, bekam Rudi Christiansen beim NECKARCUP 2017: „Da habe ich eineinhalb Stunden bei gefühlten 40 Grad zusammen mit dem 19-jährigen Alexander Bublik trainiert, der kurz vor den Top 100 der Weltrangliste steht. Das war schon nochmal ein ganz anderes Tempo, und das konstant und ohne nachzulassen. Da besteht schon noch ein großer Unterschied zu meinem aktuellen Level.“

In der abgelaufenen Saison spielte er auf Position zwei beim Oberligisten TC Heilbronn am Trappensee (Katja Christiansen: „Das war noch eine Nummer zu groß, er hat sich aber gut geschlagen.“) und sammelte erste Weltranglistenpunkte beim ITF-Turnier in Schweden. Letzteres bezeichnet Rudi Christiansen gleichzeitig als sein bisheriges Karrierehighlight: „Mir war es nur darum gegangen, vielleicht zwei, drei Runden zu überstehen und ein paar Punkte zu holen. Am Ende konnte ich das Turnier gewinnen. Daran möchte ich 2018 gerne anknüpfen.“