Ringer Frank Stäbler: „Bronze ist das neue Gold“

Fünf Jahre lang hatte Frank Stäbler sein Leben nach dem Gewinn einer Olympischen Medaille ausgerichtet. Der dreifache Ringer-Weltmeister von den RED DEVILS Heilbronn hatte alles gewonnen, was es zu gewinnen gab – alles, außer einer Medaille bei den Olympischen Spielen. Da seine Gewichtsklasse 72 kg für Tokio aus dem Olympischen Programm gestrichen worden war, musste der 32-Jährige in der Klasse bis 67 kg ran, um noch eine Chance auf den Gewinn der ersehnten Olympiamedaille zu haben. Ganze acht Kilogramm musste der Musberger von seinem Normalgewicht 75 kg abbauen – eine Tortur für Körper und Geist. Erschwerend kam noch hinzu, dass das Aushängeschild des deutschen Ringersports während der Olympia-Vorbereitung durch eine Corona-Erkrankung sowie eine langwierige Schulterverletzung um Wochen zurückgeworfen worden war. Bei seinem gemeinsamen Empfang mit Eduard Popp vor der Römerhalle hat Frank Stäbler seine Geschichte erzählt.

Autor: Ralf Scherlinzky

18. November 2021

Du hattest schon lange davon gesprochen, dass du mit dem Gewinn der Olympischen Goldmedaille deine internationale Karriere beenden möchtest. Jetzt ist es „nur“ Bronze geworden. Schlimm?
Frank Stäbler:
Nein, überhaupt nicht. Nach der ganzen Tortur im Vorfeld ist diese Bronzemedaille für mich genauso viel wert wie eine Goldmedaille. Bronze ist das neue Gold (lacht).

Nach deinem Medaillengewinn hast du dich auf die Matte gesetzt, symbolträchtig deine Ringerschuhe ausgezogen, hast sie auf die Matte gestellt und als strahlender Bronze-Gewinner auf Socken die Kampfzone verlassen. War das eine spontane Aktion?
Frank Stäbler:
Diese Szene hatte ich tatsächlich schon seit Jahren für meinen letzten Kampf im Kopf. Ich habe schon lange angekündigt, dass am 4. August 2021 meine Schuhe in Tokio stehen bleiben würden. Ich hatte die letzten 17 Jahre Leistungssport auf diesen einen finalen Moment ausgelegt und bin die Szene vor meinem inneren Auge so oft durchgegangen. Zuletzt war wirklich jeder Tag eine große Qual mit dem Gewichtmachen und den Schmerzen in der Schulter. Der Gedanke an diesen Moment hat dazu beigetragen, dass ich alles durchziehen konnte. Als ich meinen letzten Kampf dann gewonnen hatte, habe ich ein Gefühl der Glückseligkeit verspürt, eine neue Freiheit, als ob ich tausend Ketten abgesprengt hätte. Im Augenblick des größten Erfolgs so symbolträchtig abtreten zu dürfen, schaffen die Wenigsten.

Weißt du eigentlich, was aus den Schuhen wurde?
Frank Stäbler:
Dazu gibt es tatsächlich eine Geschichte. Der deutsche Kampfrichter Uwe Manz hatte sich auf die Matte durchgekämpft, um sich die Schuhe zu schnappen. Allerdings ist er nicht weit gekommen, dann wurden sie ihm wieder entrissen. Sie waren für das Deutsche Sportmuseum in Köln bestimmt, wo sie inzwischen auch stehen.

Als du wieder in Deutschland angekommen warst, hatte es noch am Flughafen in Frankfurt eine große Party gegeben…
Frank Stäbler:
Ja, das war für mich so spontan wie grandios. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Mein Coach hat mich gehetzt von wegen schnell Gepäck holen, weil wir sonst den Zug verpassen – und dann kommen wir raus und da stehen meine Frau und meine Kinder, zusammen mit rund 70 Freunden. Wir haben bis tief in die Nacht in der DOSBLounge gefeiert und es war unglaublich schön zu spüren, dass die Medaille für so viel mehr steht als für meinen sportlichen Erfolg. Es ist unglaublich, wie viele Menschen diese Medaille glücklich gemacht hat.

Im Rahmen der Reha nach deiner Corona-Erkrankung hattest du ja unter anderem Atemübungen für dich entdeckt, die dir dabei geholfen haben, deine Leistungsfähigkeit zurück zu erlangen. Daraus ist jetzt sogar ein Bühnenprogramm entstanden. Erzähl mal, was dahinter steckt…
Frank Stäbler:
Ich hatte durch meine Covid-Erkrankung im letzten Herbst diagnostiziertes Belastungsasthma mit einem 20-prozentigen Leistungseinbruch. Gemeinsam mit meinem Atemtrainer Yasin Seiwasser habe ich es durch seine Atemtechniken geschafft, innerhalb weniger Monate wieder zu meiner alten Stärke zurück zu finden. Nachdem ich das Ganze öffentlich bekannt gemacht habe, haben Yasin und ich von mehreren tausend Menschen Nachrichten bekommen, wie wir das genau gemacht haben. Viele von ihnen haben selbst Long-Covid Symptome. Daraus entstand dann die Idee, dass Yasin und ich gemeinsam etwas auf die Beine stellen, um den Leuten zu helfen. Über Andreas Sadri von den RED DEVILS kam dann eine Veranstaltungsagentur auf uns zu, mit der wir nun eine Seminarreihe veranstalten. Die Premiere findet am 7. Januar im Theaterhaus Stuttgart unter dem Motto „Entfesselt die unsichtbare Kraft“ statt.