Profisport – Ein Privileg mit Verzicht

Autor: Denise Krebs

23. April 2018

In meinem Leben als Profisportlerin durfte ich bisher die tollsten Städte weltweit bereisen. Ich besuchte Peking, Rio de Janeiro, Stockholm, Hongkong, Las Vegas – um einige davon einmal aufzuzählen. Doch gesehen habe ich meist nur die Leichtathletikstadien dieser Erde. Denn bei meinen Reisen steht nicht das Sightseeing im Vordergrund, sondern die Arbeit als Läuferin. Oftmals ist es sogar so, dass ich an Tag X in ein Flugzeug steige, am nächsten Tag den Wettkampf bestreite und mich dann auch schon wieder in Richtung Heimat aufmache, fast immer ohne die bekannten Sehenswürdigkeiten, Naturparks oder Altstädte gesehen zu haben.

 

Ist das nun ein Verzicht oder ein Privileg? Momentan sehe ich es als ein Privileg, die unterschiedlichsten Kulturen dieser Welt kennenlernen zu dürfen und als Verzicht die Städte nicht richtig besichtigt zu haben. Aber das Besuchen der schönsten Plätze in diesen Städten kann ich nach meiner Karriere noch nachholen – und das ist prinzipiell sicherlich ein Luxusproblem.

In meinem Leben regiert momentan zu 100 Prozent der Leistungssport. Das bedeutet, ich stricke alles um das Training herum: Meine Arbeit als Journalistin, meine Ernährung, meine Beziehung, meine Familie und Freunde – sieben Tage und zwölf Einheiten die Woche, das ist nicht immer leicht.

Als freie Journalistin bin ich derzeit drei Tage die Woche beim Leichtathletik-Magazin tätig. Diese drei Tage, beziehungsweise diese acht Stunden pro Tag, tun mir gut, um mit den Gedanken weg von meinem persönlichen Trainingsalltag zu kommen. Aber keine Sorge, denn ich trainiere jeweils vor und nach der Arbeit. Tja, und die anderen zwei Tage, an denen ich nicht in der Redaktion sitze, nutze ich ausgiebig für das Training und die Nachbereitung, wie zum Beispiel Physiotherapie, Gymnastik, Blackroll usw.

Rechnet man meine Woche als Läuferin einmal zusammen, komme ich auf mehr als 30 Stunden. Auch hier ist wieder die Frage: Ein Verzicht oder ein Privileg? Derzeit erachte ich es als Verzicht, nicht voll in mein persönliches Berufsleben einsteigen zu können, aber als ein Privileg meinen Traum als Profisportlerin gestalten zu dürfen.

Ein wichtiger Faktor neben genug Schlaf und Erholung ist dabei die Ernährung. Ich gehöre zu den Athletinnen, die nicht alles wild in sich hinein schaufeln können, ohne ein Gramm zuzunehmen – und das auch nicht, obwohl ich ca. 140 Wochenkilometer absolviere. Ich verfolge einen strikten Ernährungsplan. Lange haben mein Arzt Dr. Oxfort und ich an meinem persönlichen Essensleitfaden gearbeitet – mit dem Ergebnis, dass ich mich nun hauptsächlich vegetarisch ernähre.

Durch diese Essensumstellung nahm ich fast sechs Kilo ab und verfolge diesen Plan seit knapp zwei Jahren. Also esse ich derzeit weniger Fleisch, aber dafür mehr Kohlehydrate. So greife ich auch bei Grillabenden zu den Salaten und Brot. Wieder ein Verzicht oder Privileg? Beides. Es fällt mir nicht mehr schwer auf Fleisch und Wurst zu verzichten, das bekomme ich hin. Nervig hingegen ist, dass ich auf Speisekarten manchmal vergeblich vegetarische Gerichte suche und diese nicht finde. Das ist dann für meine Mitmenschen manchmal etwas anstrengend, weil ich mich an diesen Plan halte. Aber keine Sorge, denn auch wir Sportler gönnen uns hin und wieder Süßkram zur Belohnung nach getaner Arbeit – und das ist auch wichtig!

Nicht nur ich verzichte auf gewisse Dinge, auch meine Familie, meine Freunde und vor allem mein Freund müssen oft verzichten – auf mich. Momentan führe ich eine Fernbeziehung. Eine Fernbeziehung, die ich nach Beendigung meines Studiums im Oktober längst hätte verändern können… Doch das tat ich nicht – des Sports wegen. Denn ich beschloss im Oktober, noch einmal alles für eine Saison auf den Sport zu setzen. Und so wechselte ich meinen Wohnort nicht zu ihm, sondern zu einem neuen Trainer und einem neuen Verein. Eine Entscheidung, die ich nicht bereue, und eine Entscheidung bei der mich mein Freund dankenderweise unterstützt. Verzicht oder Privileg? Es ist definitiv ein Verzicht, aber ein Verzicht auf absehbare Zeit, da mein Sportlerleben nicht ewig dauern wird. Und solange nutze ich die Chance meine Ziele zu erreichen.

Dass meine Freunde auf mich bei so manch einer Geburtstagsfeier, aufgrund von Trainingslagern oder Wettkämpfen, verzichten müssen, liegt dabei fast auf der Hand. Aber auch da sage ich: „Es ist nur für eine bestimmte Zeit!“

Ich denke, dass generell ehrgeizige Ziele immer einen „Verzicht“ mit sich bringen, ob im Berufsleben oder in unserem Sportleralltag. Die Frage ist nur, was wir daraus machen. Ist es wirklich ein Verzicht oder ein Privileg?! Ich jedenfalls betrachte es als Privileg mit Verzicht auf absehbare Zeit!