Praxisbeispiel Kreuzbandriss – Teil 1: Die ersten drei Monate nach der Verletzung

Ein Kreuzbandriss – das weiß jeder, der irgendwie mit dem Sport zu tun hat – ist eine der gravierendsten Knieverletzungen, die sich ein Sportler zuziehen kann. Ausfallzeiten von sieben, acht, neun Monaten sind die Folge. Und wenn der Sportler zu schnell wieder zu viel möchte, können weitere, oft langwierige Folgeverletzungen auftreten. Wie schwer ist der Eingriff? Weshalb dauert die Regenerationsphase so lange und wie geht es eigentlich dem Patienten dabei? Unser sportheilbronn-Orthopäde Nils Haupt hatte im Dezember die Idee, einen Patienten bzw. eine Patientin vom Zeitpunkt der Kreuzbandriss-Diagnose bis zur vollständigen Genesung zu begleiten und die einzelnen Phasen zu dokumentieren. „Getroffen“ hat es Luisa Weik, Landesliga-Handballspielerin in der zweiten Mannschaft der Neckarsulmer Sport-Union, die sich bei ihrem Spiel am 16. Dezember 2017 das vordere Kreuzband gerissen hat und die wir nun gemeinsam mit Nils Haupt im sportheilbronn-Magazin so lange begleiten werden, bis sie wieder Handball spielen kann.

Fotos: Marcel Tschamke (3), Luisa Weik (1)

Autor: Ralf Scherlinzky

23. April 2018

Wir treffen Luisa zum ersten Mal am 20. Januar, also etwas mehr als einen Monat nach ihrer Verletzung und neun Tage vor der Operation. „Ich habe im Spiel gegen die HSG Hohenlohe einen Sprungwurf gemacht und habe bei der Landung ein Schnalzgeräusch gehört. Danach hat mein Knie gebitzelt“, erzählt uns die 17-Jährige. „Es tut eigentlich nicht weh, ich brauche auch keine Krücken und manchmal frage ich mich, ob eine Operation überhaupt notwendig ist.“

„Genau das ist das Trügerische“, sagt Nils Haupt dazu. Der selbständige Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie beim MediCross Zentrum in Neckarsulm berichtet von Patienten, die sich leicht humpelnd vorstellen und davon berichten, sich das Knie verdreht zu haben. „Hier ist natürlich die Gefahr groß, eine so schwere Verletzung zu übersehen. Die Folgen eines dauerhaften instabilen Kniegelenkes gerade beim jungen Sportler können frühzeitige Knorpelschäden und Meniskusrisse sein. Deshalb sollte man nach einem solchen Sportunfall unbedingt nach dem Knie schauen lassen. Wir haben dafür auch extra eine E-Mailadresse (Anm. d. Red: sport@medicross-zentrum.de) eingerichtet, über die sich Sportler melden können und dann auch zeitnah einen Termin bekommen.“

Luisa Weik stellte sich zwei Tage nach ihrem Unfall bei Nils Haupt vor. Durch die Untersuchung am betroffenen Gelenk wurde bereits der Verdacht auf einen vorderen Kreuzbandriss gestellt. Zusätzlich wurde ein MRT durchgeführt, in dem sich dann die Diagnose auch nochmal bestätigte. „Am wichtigsten ist allerdings die Untersuchung, denn nur so kann festgestellt werden ob das Kreuzband noch eine Funktion hat oder nicht“, so der Sportarzt. „Der Untersucher, aber auch der Patient, spürt dies an dem typischen Anschlag des vorderen Kreuzbandes wenn es in Vollspannung ist, dem sogenannten Lachmann-Test. Fehlt dieser, deutet dies auf eine Verletzung des vorderen Kreuzbandes hin. Nicht immer müssen die Gelenke dabei stark schmerzhaft oder geschwollen sein.“

Am 29. Januar wurde Luisa von Nils Haupt und seinem Team mittels einer Arthroskopie minimal-invasiv operiert. Dabei wurde das Kreuzband nicht – wie es der Laie vermuten könnte – zusammengenäht. Vielmehr wurde das defekte Kreuzband entfernt und durch eine Sehne ersetzt, die unterhalb der Knieinnenseite entnommen wurde.

Nils Haupt: „Wir bedienen uns dabei quasi am körpereigenen Ersatzteillager. Um das neue Band in das Gelenk zu bekommen, mussten wir jeweils eine Bohrung in den Ober- und Unterschenkel setzen – und zwar genau dort, wo das vordere Kreuzband ursprünglich aus dem Oberschenkel in den Unterschenkel gewachsen ist. Das neue Band haben wir dann durch die Bohrungen eingezogen und in Luisas Fall mit auflösbaren Schrauben fixiert. “

Am Tag nach der Operation meldete sich die Patientin dann abends guter Dinge bei der sportheilbronn-Redaktion: „Die OP ist gut verlaufen. Gestern hatte ich keine Schmerzen, da ich mein Bein wegen dem Nervenblocker gar nicht gespürt habe. Heute fühlt es sich ein bisschen an wie Muskelkater, aber mit Kühlen geht s gut. Nils kam nach seinen weiteren OPs vorbei, um nach mir zu schauen und mir zu sagen, wie es gelaufen ist. Im Moment liege ich noch im Krankenhaus, werde aber morgen früh entlassen.“

Nach der Operation durfte sie das betroffene Bein für zwei Wochen nur mit 20 Kilogramm belasten – die wohl schwierigste Zeit, in der Luisa mit Krücken unterwegs war. Die nächste Wasserstandsmeldung an die Redaktion folgte dann am 14. Februar: „Schmerzen hab ich mittlerweile gar keine mehr und seit Montag darf ich auch mehr als 20 kg belasten. Mit den blauen Flecken bin ich wirklich gut weg gekommen, da hab ich schon andere gesehen. Ich gehe momentan zwei- bis dreimal pro Woche zum Physio für Krankengymnastik und Lymphdrainage.“

Es sei wichtig, sofort mit Physiotherapie und manueller Lymphdrainage zu beginnen, wobei das Knie je nach Schmerz frei bewegt werden darf, erklärt Nils Haupt. „Der direkte Beginn fördert die Heilung und reduziert das Risiko für Vernarbungen und Blutgerinnsel. Luisa hat zuhause eine Motorschiene verwendet, um mehrmals täglich das operierte Bein durchzubewegen. Außerdem verwendet sie eine ‚Fußpumpe‘ für den frühen Rückgang der Schwellungen sowie ein Elektrostimulationsgerät zur Schmerzreduktion und Muskelstimulation.“

Sechs Wochen nach der Operation durften wir von der Redaktion im MediCross-Zentrum bei der Untersuchung dabei sein. „In den ersten sechs Wochen haben wir die Beweglichkeit hergestellt.

Nils Haupt demonstriert am Modell, wie die Sehne als neues Kreuzband eingesetzt wird.

Luisas Knie direkt nach der Operation (links) und zwei Wochen danach.

Wenn wir sie jetzt ein paar Schritte gehen sehen, sieht man ihr nicht an, dass sie vor sechs Wochen ein neues Kreuzband bekommen hat“, beschreibt Nils Haupt. „Jetzt gilt es, die Muskulatur in Schwung zu bekommen – aber ohne etwas zu überstürzen. Denn das Kreuzband braucht schon allein drei Monate um knöchern wieder einzuheilen.“

Deshalb dürfe sie frühestens nach drei Monaten leicht mit Joggen beginnen. „Auch wenn sie jetzt böse guckt“, zwinkert Nils Haupt, „darf sie an Handballspielen erst nach sieben oder acht Monaten denken.“

Gerade wenn die Kreuzband-Patienten nach sechs Wochen beschwerdefrei seien und vor Tatendrang sprühen, sei die Gefahr für erneute Risse am höchsten. „Da muss man sich einfach bremsen“, hebt der Arzt den Zeigefinger.

„Das Aufwändige an der Kreuzband-Operation ist die Rehaphase danach, denn da müssen die Muskeln wieder aufgebaut werden – und zwar an beiden Beinen. Wenn sie jetzt schon wieder aktiv Sport treiben, reflexartig eine Ausgleichsbewegung machen und sich dabei auf das operierte Bein stützen würde, würde sie gnadenlos einknicken, und dabei bestünde dann auch die Gefahr, dass die andere Seite etwas abbekommt.“

Nils Haupt hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Patienten wieder in den Sport hinein zu führen: „Luisa muss mir regelmäßig zeigen, dass sie gut arbeitet und nicht zu früh mit dem Sport beginnt. Deshalb sehen wir uns in sechs Wochen hier bei mir in der Praxis wieder.“

sportheilbronn wird mit dabei sein, um in der Juli-Ausgabe weiter über Luisa Weiks Heilungsprozess zu berichten!