Patrick Assenheimer: „Über lange Zeit das Beste geben“

2019 war für Patrick Assenheimer das wohl erfolgreichste Jahr seiner Karriere. Der 27-jährige Lehrensteinsfelder wurde nicht nur Speed-Trophäenmeister der VLN Langstreckenmeisterschaft auf der Nürburgring-Nordschleife, sondern holte sich auch noch Platz zwei im Silver Cup der Blancpain Endurance Series. Anfang Februar 2020 folgte mit dem dritten Platz beim Saisonauftakt der Intercontinental GT Challenge im australischen Bathurst ein weiteres Highlight – das vorerst Letzte, ehe das Corona Virus den Sport lahm legte. Die SPORTHEILBRONN-Redakteure Ralf Scherlinzky und Enny Bayer haben sich bei unserem Werbepartner Heilbronner Brauhaus mit dem gebürtigen Heilbronner getroffen, um Patrick Assenheimer kennenzulernen und mehr über die verschiedenen GT-Langstreckenserien zu erfahren. Der geplante Besuch unseres Redaktionsteams beim Saisonauftakt am Nürburgring fiel dagegen leider Corona zum Opfer…

Fotos: Marks GmbH, Marcel Tschamke

Autor: Ralf Scherlinzky

26. April 2020

Der klassische Werdegang eines erfolgreichen Rennfahrers führt vom Kartsport über diverse Juniorklassen des Formel- und Tourenwagensports rein in die namhaften Rennserien. Du warst da eher die Ausnahme der Regel, oder?
Patrick Assenheimer: Genau. Ich hatte nie wirklich geplant Rennfahrer zu werden und bin eigentlich nur durch eine Verkettung von glücklichen Zufällen im Rennsport gelandet. Und dann hatte ich das Glück, immer im richtigen Moment auf die richtigen Leuten zu treffen.

Klingt spannend! Geh doch mal ein bisschen ins Detail und lass unsere Leser teilhaben, wie das alles angefangen hat…
Patrick Assenheimer: Das ist eine längere Geschichte und ich muss etwas weiter ausholen. Unsere Familie betreibt ja die Mercedes-Benz Vertretung im Raum Heilbronn und ist schon lange in verschiedenen Sportarten als Sponsor aktiv. Irgendwann wurde von Seiten der Mitarbeiter angeregt, dass man sich doch auch im Motorsport engagieren könnte, da dies ja eigentlich der Bereich ist, für den ein „Autohaus“ steht. Aus diesem Vorschlag wurde recht schnell das Mitarbeiter-Projekt „AutoArenA Motorsport“. Die Geschäftsleitung von AssenheimerMulfinger stellte 2007 dann einen gebrauchten Mercedes Serienwagen zur Verfügung, den die Mitarbeiter in ihrer Freizeit zum Renneinsatz umbauten. Man fuhr in den folgenden Jahren erfolgreich VLN-Läufe, sowie das legendäre 24-Stunden-Rennen am Nürburgring. Da es 2010 berufliche Veränderungen bei den hauseigenen Fahrern gab, wurde das ganze Projekt jedoch in Frage gestellt. Es wurde nach Fahrern gesucht… Marc Marbach war eine perfekte Wahl und auch ich zeigte mein Interesse. Werner Gusenbauer, welcher die bisherigen Fahrer coachte, ging mit mir Kartfahren, um zu sehen, ob ich Talent habe und es Sinn macht. Das hat anscheinend gut gepasst. Und so bekam ich die Möglichkeit mein erstes Rennen am Nürburgring auf der AutoArenA Mercedes C-Klasse zu fahren. Danach ging es Schlag auf Schlag. Petronas Deutschland/Österreich kam ein Jahr später auf mich zu und bot mir einen Platz in der Mini Trophy Rennserie an. Mit unserer C-Klasse bin ich parallel am Nürburgring regelmäßig aufs Podest gefahren und 2014 saß ich als 22-jähriger Quereinsteiger dann plötzlich in der GT-Masters Serie im Cockpit der Callaway Corvette.

Inzwischen bist du in verschiedenen GT-Langstreckenserien unterwegs. VLN, NLS, SP9, Blancpain Endurance, GT World Challenge, Intercontinental GT Challenge – für Außenstehende klingt das ziemlich verwirrend. Kannst du unsere Leser bitte aufklären, worum es sich bei diesen Serien genau handelt?
Patrick Assenheimer: Das ist tatsächlich nicht ganz so leicht zu durchschauen, aber wir können die Begriffe auf NLS, GT World Challenge Europe und Intercontinental GT Challenge reduzieren. Die bisherige VLN (Veranstaltergemeinschaft Langstreckenmeisterschaft Nürburgring) wurde inzwischen in NLS (Nürburgring Langstrecken-Serie) umbenannt und SP9 steht für die PS-stärkste Klasse innerhalb des NLS-Starterfelds. Diese konnte ich 2019 gewinnen. Für die GT World Challenge Europe als europaweit größte GT-Langstreckenserie war der Uhrenhersteller Blancpain für die letzten zehn Jahre als Sponsor der Namensgeber. Und dann gibt es noch die Intercontinental GT Challenge, die aus fünf Rennen auf fünf Kontinenten besteht.

Dein Fokus liegt dabei auf der NLS, deren Rennen allesamt auf der Nürburgring-Nordschleife stattfinden. Was macht die Serie für dich aus?
Patrick Assenheimer: Das Besondere an der Serie beginnt schon bei der Strecke. Die Nordschleife ist für mich die geilste Strecke der Welt. Der dreifache Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart hatte sie nicht umsonst einst mal „Grüne Hölle“ getauft. Die Topographie mit 300 Höhenmetern ist einmalig. 25 Kilometer verteilt auf einer Berg- und Talfahrt, mit über 70 Kurven, ist sie für uns Fahrer höchst anspruchsvoll und für die Zuschauer spektakulär. Vor allem beim Saisonhighlight, dem 24-Stunden-Rennen, muss man über seine Grenzen gehen, um erfolgreich ins Ziel zu kommen. Bei den acht NLS-Läufen sind jeweils zwischen 150 und 200 Fahrzeuge aus 17 verschiedenen Kategorien gleichzeitig auf der Strecke. Da fahren wir in der Klasse SP9 mit 550 PS gegen den Opel Corsa aus der Klasse SP1 mit 150 PS.

Ist es für euch GT3-Fahrer nicht eher ein Hindernisrennen, wenn ihr gegen Gegner antretet, die weit weniger Leistung unter der Motorhaube haben?
Patrick Assenheimer: Das macht gerade den Reiz und den hohen Anspruch aus. Wir fahren in der SP9-Klasse unser eigenes Rennen, müssen uns aber während unserer Positionskämpfe auch noch durch leistungsschwächere Fahrzeuge durchschlängeln, die sich ihrerseits auch wieder in Positionskämpfen gegen die Gegner aus ihren Klassen befinden. Man darf dabei aber auch nicht vergessen, dass sich die Fahrzeuge schon allein aufgrund der Länge der Strecke weit verteilen.

Wie kann man sich bei weit über 100 Teilnehmern den Start vorstellen? Es gibt ja schon bei Starterfeldern von 25, 30 Teilnehmern oftmals Unfälle in der ersten Kurve.
Patrick Assenheimer: Bei der NLS gibt es drei Startgruppen mit je 60 Fahrzeugen, die zeitlich versetzt auf die Strecke gehen. Auf der langen Strecke ist das kein Problem.

Patrick Assenheimer beim Redaktionsgespräch im Heilbronner Brauhaus.

Was die NLS für Deutschland ist, sind die GT World Challenge Europe und die Intercontinental GT Challenge dann europa- bzw. weltweit?
Patrick Assenheimer: Genau, bis auf den Unterschied, dass dort ausschließlich GT3-Fahrzeuge auf der Strecke sind. In der World Challenge werden die Fahrer aufgrund ihrer Erfahrung in verschiedene Klassen eingeteilt. Ehemalige Formel 1- und DTM-Piloten sowie Werksfahrer sind Gold- und Platin-Fahrer, Halbprofis wie ich Silber- und Amateure dann Bronze- oder Gentlemenfahrer. Die GT World Challenge gibt es für Europa, Asien und Nordamerika. Sie ist weltweit die stärkste Langstreckenserie. Die Intercontinental ist dagegen keine extra Serie. Sie setzt sich aus fünf Rennen zusammen, die innerhalb anderer Serien stattfinden, unter anderem dem 24-Stunden-Rennen in Spa, das ich im Rahmen der World Challenge Europe fahre.

Anfang Februar bist du ein 12-Stunden-Rennen in Bathurst, Australien gefahren – bestimmt ein absolutes Highlight für dich. Ging dieses Rennen auch in die Wertung der Intercontinental Challenge ein?
Patrick Assenheimer: Ja, genau. Meine Partner Sergei Afanasiev und Michele Beretta und ich sind auf Platz drei der „Silver Class“ gefahren und haben damit entsprechend Punkte für die Challenge-Wertung gesammelt. Bathurst war ein unglaubliches Rennen, eine der schönsten Strecken neben der Nordschleife. Beim Rennen hatten wir brutale 42 Grad Außentemperatur und haben uns mit Kühlweste und Helmkühler gegen die Hitze geschützt.

Wir haben deine Instagram-Posts verfolgt und Bilder von Kängurus auf der Stecke gesehen. Was einen Europäer auf den ersten Blick zum Schmunzeln bringt, kann ganz schön gefährlich werden…
Patrick Assenheimer: Die Kängurus sind dort tatsächlich ein Problem. Klar zückt man auch als Fahrer sein Handy, wenn ein Känguru durch die Boxengasse hüpft, aber auf der Strecke ist das gefährlich. Da gibt es leider immer wieder schwere Unfälle. Manche Kängurus können bis zu elf Meter weit springen, für die stellen auch 1,50 Meter hohe Absperrzäune keine große Hürde dar.

Du hast gerade von deinen Partnern gesprochen – Langstreckenrennen fährt man ja nicht allein. Wie funktioniert das Zusammenspiel der Fahrer und wer entscheidet, welcher Pilot wann wie lange fährt?
Patrick Assenheimer: Zunächst hat jede Rennserie hier ihre eigenen Regeln. Am Nürburgring könnte ich theoretisch sogar allein fahren, da sind wir bei den Vier-Stunden-Rennen aber zu zweit. Bei der World Challenge sind drei Fahrer als Mindestbesetzung vorgeschrieben, genauso wie bei 24-Stunden-Rennen. Wer wann fährt, entscheiden in der Regel die Ingenieure. Die Beschränkung der Fahrtzeit ist letztendlich auch vom Tank abhängig. Die Tankfüllung reicht im Normalfall für ca. eine Stunde. Bei einem Vier- oder Sechs-Stunden-Rennen zu zweit entscheidet die Taktik, wann getankt wird und ein Fahrerwechsel stattfindet. Bei einem Drei-Stunden-Rennen zu dritt, wie bei der GT World Challenge, wechselt man den Fahrer nach einer Stunde. Die Maximalfahrzeit pro Fahrer am Stück liegt bei 24-Stunden-Rennen bei drei Stunden, dann muss gewechselt werden.

Bei einem 24-Stunden-Rennen zu dritt sitzt du also acht Stunden bei maximalen Geschwindigkeiten hoch konzentriert hinter dem Lenkrad. Wie kann man es schaffen, unter solchen extremen Bedingungen ständig hoch konzentriert zu sein. Legt ihr euch zwischendurch hin und schlaft?
Patrick Assenheimer: Das ist mental schon eine extreme Anstrengung, auf die wir uns mit Fitnesstraining, mentalen Übungen, Atemtechniken etc. vorbereiten. Bei den 24-Stunden-Rennen ist ein Physiotherapeut dabei, der einen direkt beim Aussteigen aus dem Auto in Empfang nimmt. Danach geht es in die Dusche, gefolgt von einer Ruhepause. Die Ingenieure schauen, dass nachts jeder Fahrer vier Stunden Schlaf bekommt. Nach zwei, drei Stunden voller Konzentration zu schlafen, hört sich aber einfacher an als es ist.

Was macht den besonderen Reiz dabei aus?
Patrick Assenheimer: Meine Motivation ist, über eine lange Zeit permanent das Beste zu geben und dabei besser zu sein als die anderen. Gegenüber den Sprintserien wie der ADAC GT-Masters Serie wird bei den Langstreckenrennen vor allem beim Start umsichtiger gefahren, da man nicht unter dem extremen Zeitdruck steht. Es macht einfach Spaß, so viel Fahrzeit zu haben. Und je länger ich fahre, desto schneller werde ich.

Alle Serien, über die wir gesprochen haben, sind ja GT3-Serien. Könnt ihr in allen Serien mit dem gleichen Wagen fahren?
Patrick Assenheimer: Ja, das sind alles GT3-Serien, bei denen man theoretisch überall mit dem gleichen Fahrzeug starten könnte. In der Praxis hat jede Serie allerdings ihre eigenen Einstellungen, die am Fahrzeug getroffen werden müssen. Es geht hier um die sogenannte „Balance of Performance“, über die alle am Rennen teilnehmenden Fahrzeuge so aufeinander angeglichen werden, dass sie eine ähnliche Motorleistung bringen. Die Angleichung wird hauptsächlich über Luft-Restriktoren und durch Zusatzgewicht erreicht, das den schnelleren Teams ins Auto gelegt wird.

Der Rennsport ist extrem zeit- und reiseaufwändig und vor allem auch eines: teuer. Wie finanzierst du das alles?
Patrick Assenheimer: Ich habe über 60 tolle Partner und Sponsoren, die hinter mir stehen und mir diese Leidenschaft ermöglichen. Gemeinsam mit meiner Mutter habe ich ein Marketingkonzept für meine Partner entwickelt. Wir kennen die Seite des Sponsors und wissen, was man als Partner erwartet und worauf man Wert legt. Für uns ist es eine Partnerschaft. Man setzt sich für den anderen ein, d.h. wir bringen die Menschen zusammen, die hinter den Firmen stehen, veranstalten gemeinsame Events, um sich näher kennen zu lernen. So sind sie zum einen immer top informiert, was wir machen. Und auf der anderen Seite können sie die Plattform, die wir ihnen bieten, nutzen, um untereinander Geschäfte zu machen. Bei den Sponsoringpaketen gehen wir auf jedes einzelne Unternehmen individuell ein. So machen wir beispielsweise Azubi-Events. Wir ermöglichen jungen Leuten durch den Besuch vor Ort auf einer Rennstrecke einen Einblick hautnah in den Motorsport zu bekommen. 75 Azubis eines Partners waren unter anderem im Fahrerlager des Nürburgrings zelten. Sie haben dort von Freitag auf Samstag übernachtet. Am Samstag waren sie dann hautnah beim Rennen dabei.

Und dazu hast du dann für den sportlichen Bereich mit dem fünffachen DTM-Champion und ehemaligen Formel-1-Fahrer Bernd Schneider auch noch eine Rennsport-Legende an deiner Seite. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Patrick Assenheimer: Bernd habe ich vor einigen Jahren bei einem 24-Stunden-Rennen in Dubai kennengelernt. Bei einem Sichtungstraining in Portugal war er dann einer der Vergleichsfahrer, mit denen ich mich messen musste. Wir haben uns schon damals gut verstanden und sind uns über die Jahre immer wieder über den Weg gelaufen. Mit dem Ende seiner aktiven Karriere wollte er als Fahrer-Manager starten und hat Bruno Spengler, den DTM-Champion von 2012, und mich gefragt, ob wir mit ihm zusammenarbeiten wollen. Bernd ist ein top Berater mit einem riesigen Netzwerk. Wir harmonieren aber auch menschlich super und bewegen uns nicht nur auf professioneller, sondern auch auf freundschaftlicher Ebene.

Wie geht es bei dir weiter, wenn der Corona bedingte „Boxenstopp“ vorüber ist?
Patrick Assenheimer: Das kommt ganz darauf an, wann es weitergehen kann. Ich sitze unruhig in den Startlöchern. Momentan gibt es aber auch Wichtigeres als den Rennsport. Ich hoffe, dass wir alle diese Phase gesund überstehen und es schon bald einen Impfstoff gegen Covid-19 gibt.