Natalie Rothenbächer + Enni Wielsch: „Schuhtausch“ zweier Sportlerinnen

Es war einst beim Sportstammtisch Heilbronn, als die Sontheimer Rollkunstläuferin Natalie Rothenbächer (19, REV Heilbronn) und die Horkheimer Shorttrack Skaterin Enni Wielsch (16, Mannheimer ERC) die Idee hatten, ihre Schuhe zu tauschen und jeweils die Sportart der anderen auszuprobieren. Im September war es nun soweit: Enni versuchte sich im Karl-Heinz-Losch Rollsportstadion im Rollkunstlauf, Natalie übte sich in der Heilbronner Eishalle im Shorttrack Skating. Wie es den beiden dabei ergangen ist, fassen sie hier für unsere Leser zusammen:

Fotos: Achim Gehrig

Autor: Natalie Rothenbächer / Enni Wielsch

4. November 2020

In eine ganz andere Rolle schlüpfen – ein Konzept, aus dem viele TV-Sender bereits vor unserem ausgefallenen Projekt Profit geschlagen haben. Im Gegensatz zu „Frauentausch“ haben wir nicht die Familien, sondern lediglich unsere Schlittschuhe, bzw. Rollschuhe getauscht – und das einfach aus purer Neugier.

„Wie macht ihr das, wie ist es bei euch?“ Diese klassische Frage müssen wir uns ab jetzt nicht mehr gegenseitig stellen, denn wir haben es ausprobiert. Enni, die Shorttrackerin von uns beiden, war auf der Rollschuhbahn zu Gast und Natalie, die Rollkunstläuferin, versuchte sich auf Kufen und mit wesentlich mehr Tempo bei Enni auf dem Eis.

Schuhe an und auf die Fläche! Das war für uns beide anders als sonst:

Enni:„Es war komisch keine Freiheit über dem Knöchel zu haben, da der Schuh ja deutlich höher geschlossen ist als meiner. Mir war zwar bewusst, dass Rollschuhe Absätze haben, aber es war trotzdem ungewohnt. Da habe ich mich schon ein bisschen elegant gefühlt, vor allem weil ich ansonsten eher in Sneaker, Sportschuhen und Adiletten unterwegs bin.“

Natalie: „Da ging es mir in deinen Schlittschuhen tatsächlich ganz ähnlich: Es war ein seltsames Gefühl, dass die Schuhe auf einmal nicht bis über die Knöchel gehen, das kam mir sehr instabil vor – und dann noch die schmale Kufe anstatt meiner vier Rollen! Außerdem habe ich bei deinen Schuhen erst recht gemerkt, dass meine Achillessehnen vom Training in Absätzen eher verkürzt sind. Deshalb war es am Anfang für mich schwer so tief in die Knie zu gehen. Und deine Schuhe sind hart wie Stein, dagegen sind meine Rollschuhe Hausschlappen.“

Enni: „So sicher habe ich mich in den Rollschuhen aber auch nicht gefühlt. Das hätte ich nicht gedacht, gerade weil ich unter mir vier breite Rollen habe, sogar zwei in zwei hintereinander stehend.“

Da hatten wir also einen guten Trainer bitter nötig. Wie gut, dass wir uns gegenseitig coachen konnten. Auf Rollschuhen wurde Enni langsam über laufen auf großem Kreis, einzelne Figuren, bis hin zu einem einfachen Sprung und einer Pirouette herangeführt, Natalie lernte die richtige Haltung und ein paar taktische Kniffe für viel Speed in der Kurve und auf der Geraden, aber natürlich auch Start- und Schlussschritt. Eine Sache kam uns beiden allerdings sehr bekannt vor: das Übersetzen. Das braucht man sowohl auf Rollschuhen, als auch auf Schlittschuhen, wenn man schnelle Kurven laufen möchte. Beim Shorttrack-Training hat sich Natalie lediglich mit der Länge der Kufen schwer getan:

Natalie: „Ich musste wirklich aufpassen, nicht über meine eigenen Füße zu stolpern, weil die Kufen so ungewohnt lang sind. Schwierig für mich war es auch während des Laufens, so permanent in den Knien zu bleiben und den Körperschwerpunkt dementsprechend tief zu halten. Es war nicht einfach, diese andere, gebückte Körperhaltung einzunehmen. Das ist beim Rollkunstlauf ganz anders.

Enni: „Für mich war es eher schwer beim Laufen mit den Armen eine elegante Haltung einzunehmen.“

Aber vor allem die kleinen Schwierigkeiten sind es, die manche Situationen dann doch wieder TV-würdig gemacht hätten:

Enni: „Ganz witzig war, als ich versucht habe dir das Gefühl zu vermitteln, wie man mit einer Hand in der Kurve das Eis berührt. Die Kurve war zur Orientierung mit Pucks markiert. Wir haben einen Mülleimer umgedreht, auf dem du dich in der Kurve abstützen solltest. Im Schwung hast du aus Versehen bestimmt die Hälfte der Pucks weg gestoßen.“

Natalie: „ Ja, haha, stimmt. Oder als ich mitten aus dem Schwung in der Kurve hingefallen bin und mich verzweifelt versucht habe am Boden festzuhalten, um nicht über die ganze Bahn zu rutschen. Auf Beton-Boden hat man das Problem nicht, da muss ich mir keine Sorgen machen bis ins Niemandsland zu schlittern.“

Enni: „Genau dafür ist die Bande bei uns mit Matten ausgepolstert. Das habe ich auf der Rollschuhbahn kurz vergessen und habe die harte Bande zu spüren bekommen.“

So brutal sich das auch anhört, Spaß hatten wir auf jeden Fall.

Enni: Mein persönliches Highlight war die Kür am Ende des Trainings. Aus allen erlernten Elementen haben wir eine Kür zusammengebaut, die ich zum Abschluss mit Musik und Performance vortragen durfte – und ich bin sogar ohne Sturz durchgekommen!

Natalie: „Am Coolsten war für mich das Gefühl bei viel Tempo auf dem Eis. Mit so wenig Bodenkontakt durch die Kufe und im Vergleich zum ständigen Geratter der Rollen unglaublich leise, es ist fast wie schweben.“

Dass jeder Spaß auch seinen Preis hat, erkannten wir spätestens am nächsten Morgen, als sich wegen der ungewohnten Belastung der Muskelkater zu Wort gemeldet hat:

Enni: „Bei mir vor allem im Schulter- und Nackenbereich, denn sonst muss ich weder eine gerade Haltung einnehmen, noch meine Arme strecken.“

Natalie: „Durch das permanente im Knie Laufen beim Shorttrack waren es bei mir eher die Beine, die am nächsten Tag mehr gestreikt haben als nach einem normalen Training. Zum krönenden Abschluss des Trainings haben wir ein kleines Rennen veranstaltet, um die Wettkampfsituation zu imitieren. Es ist etwas ganz anderes, sich unmittelbar auf der Fläche mit seinen Konkurrenten zu messen, als alleine seine Kür vorzutragen. Ich glaube ich bevorzuge Letzteres, vor allem nachdem mir klar geworden ist, dass man die Kontrolle vor allem dann verliert, wenn der Verursacher eines Sturzes oder Fehlers nicht man selber sondern ein anderer ist. Da sind der Helm und der schnittfeste Anzug beim Shorttrack mehr als berechtigt.“

Der rein äußerliche Unterschied ist also unverkennbar. Während Enni in voller Montur ihre Runden läuft, wirbelt Natalie im Wettbewerb mit Kür-Kleid und eleganter Frisur über die Bahn.

Wenn wir aber danach suchen, finden wir mit Leichtigkeit mehrere Gemeinsamkeiten bei unseren Sportarten:

Enni: „Die Beinarbeit für die ersten Schritte auf Rollen ist nahezu gleich, würde ich sagen. Außerdem ist Konzentration bei beiden Sportarten extrem wichtig, weil man beim Shorttrack oft sehr taktisch handeln und sich beim Rollkunstlauf auf die Reihenfolge der Elemente und deren Ausführung konzentrieren muss.“

Natalie: „Genau, aber auch die Tatsache, dass man sich bei beiden Sportarten auf eine besondere Weise fortbewegt. Ich denke, wenn ein Leichtathlet auf Rollschuhe oder Schlittschuhe gestellt wird, wird es schon komplizierter als bei uns zweien. Übrigens hatte ich den Eindruck, dass die Angst vor dem Hinfallen und vor schneller Fortbewegung bei uns beiden kein zu großes Thema war. Das muss man bei beiden Sportarten lernen abzustellen. Wie erwartet, bringen wir beide die Grundstabilität, die Koordination und die Kraft in den Beinen mit, um schneller in die neue Sportart rein zu kommen.“

Trotzdem haben wir viel dazu gelernt…

Natalie: „Ich werde auf jeden Fall von unserem Projekt mitnehmen, dass Shorttrack viel mehr heißt als sich auf dem Eis schnell fortzubewegen. Es gehört so viel Technik im Training und Taktik im Wettbewerb dazu. Auch beim Shorttrack spult man nicht einfach das Trainierte ab: Wie ist das Eis, wie verhält sich die Konkurrenz, wie bin ich heute drauf? … Alles Fragen mit großem Einfluss im entscheidenden Rennen. Ich denke trotz allem, dass ich bei meiner Sportart wegen der tänzerischen Komponente besser aufgehoben bin. Es war aber eine mega bereichernde Erfahrung, danke Enni!“

Enni: „Auch danke an dich, Natalie! Mir ist einmal mehr klar geworden, dass Rollkunstlauf eine sehr kunstvolle Sportart ist. Ich selbst hatte wegen meiner Begegnung mit den Eiskunstläufern schon etwas mehr Bezug zu Rollkunstlauf, als du zu Shorttrack, aber durch das Ausprobieren habe ich mehr Respekt vor der Sache bekommen. Dennoch wäre es keine Sportart für mich, da ich das Adrenalin und eine gewisse Geschwindigkeit brauche.“

Wir beide sind uns einig: es war eine tolle Erfahrung in die Schuhe der anderen zu schlüpfen. Es gibt keine eindrücklichere Variante die Perspektive eines anderen zu verstehen, als sie selbst zu erleben. Danke an das SPORTHEILBRONN-Magazin für die Möglichkeit dazu!

Enni Wielsch 

Natalie Rothenbächer