Natalie Rothenbächer: Der Sport nach dem Leistungssport

In SPORTHEILBRONN-Ausgabe 10 hatten wir erstmals über das Rollkunstlauf-Talent Natalie Rothenbächer vom REV Heilbronn berichtet. Die damals 17-jährige war gerade Deutsche Juniorenmeisterin geworden. Aus unserem ersten Treffen von damals entstand eine Freundschaft, die bis heute Bestand hat und die Natalie zwischenzeitlich sogar zur SPORTHEILBRONN-Redakteurin machte. Als Deutsche Meisterin 2021 zierte sie auch einmal die Titelseite von Ausgabe 22. Jetzt, mit 23 Jahren in Berlin studierend, hat sich die viermalige WM-Teilnehmerin vorerst aus dem aktiven Leistungssport zurückgezogen, wie sie hier in einem sehr persönlichen Statement schreibt:

Seit nunmehr 15 Jahren hatte ich dem Rollkunstlaufen als Leistungssport die Treue gehalten, bevor ich mich diesen Frühling Studiums-bedingt dazu entschlossen habe, kürzer zu treten.

Den Bachelor in der Tasche, zog ich von Konstanz nach Berlin, um dort Schauspiel-Regie zu studieren – einen Studiengang, der weitaus mehr Zeit und Energie in Anspruch nimmt, als mein vorheriges Studium, der mich aber gleichzeitig um einiges mehr erfüllt und in meinen Interessen fördert.

Die Entscheidung lag auf der Hand, doch aus dem Bundeskader auszutreten und mich von allen Wettbewerben der Saison abzumelden, kostete mich große Überwindung, wühlte mich zugleich auf und erleichterte mich ungemein. Zum ersten Mal seit vielen Jahren war ich bei der Württembergischen Meisterschaft nicht auf der Bahn aktiv, sondern neben der Bahn. Zum ersten Mal seit vielen Jahren verfolgte ich die Deutsche Meisterschaft in Stade aus der Ferne, gleichzeitig froh, weder meinen eigenen Ansprüchen noch denen anderer gerecht werden zu müssen, aber auch traurig, nun in gewisser Weise außerhalb des engen Familienkreises der Rollkunstlauf-Community zu stehen. Wie umgehen mit diesem merkwürdigen Zwiespalt, in dem sich sehr wahrscheinlich einige Leistungssportler:innen am Ende ihrer Karriere befinden?

Noch während meiner ersten Wochen in Berlin suchte ich den Kontakt zu Rollkunstlauf-Freunden aus Berlin und trat in den Weddinger Eislauf- und Rollsport-Club e.V. ein, in dem ich nun zweimal die Woche lediglich aus Freude am Sport trainiere.
Zwar bestimmt Rollkunstlauf nun nicht mehr meinen Alltag, doch ein kleines bisschen von meinem Zuhause habe ich durch den Sport in die große Stadt Berlin mitgenommen. Teil des Vereinslebens zu sein, bekannte Gesichter zu treffen und dazu feste Zeiten in der Woche zu haben, in denen man sich verausgaben und komplett auf den eigenen Körper konzentrieren kann – all dies sind mir bekannte Qualitäten des Sports, die ich nun ungehemmt von Leistungsdruck ganz anders erleben kann.

Zu dieser neuen Perspektive auf den Sport kommt, dass ich neben meiner bisherigen Rollkunstlauf-Disziplin, dem Kürlaufen, nun auch Solotanzen trainiere – eine Disziplin, die sich technisch nicht auf Sprünge und Pirouetten, sondern auf Skating-Skills und die tänzerische Komponente konzentriert, was für mich den besonderen Reiz ausmacht.

Und sonst so? Ich kann mit Dankbarkeit sagen, dass ich mit meinem Studium in Berlin sehr glücklich bin, nicht zuletzt weil ich an einer Hochschule der performativen Künste gelandet bin, was dem Rollkunstlaufen in vielerlei Hinsicht nicht fern ist. Gerade im ersten Semester besuchte ich als Regiestudentin viele Kurse zusammen mit Schauspielenden, denen für ihre körperliche Ausbildung Angebote wie Stepptanz, Bogenschießen, Gesellschaftstänze und Fechten zur Verfügung stehen. Sport und Arbeit mit dem Körper hat sich für mich auch fernab vom Rollkunstlaufen nicht erledigt, ganz im Gegenteil.

Jetzt, wenige Monate nach meiner Entscheidung, sportlich kürzer zu treten, kann ich etwas entspannter auf den oben erwähnten Zwiespalt rund um das Karriereende im Leistungssport blicken. Denn auch wenn sich die Rolle des Sports für mich gewandelt hat, genauso die eigene Rolle innerhalb einer Sport-Community: Für mich gibt es Sport nach dem Leistungssport, ob selbst praktiziert, ob durch Trainertätigkeit, ehrenamtliches Engagement, oder auch bloß den Sportsgeist, den ich in alle meine zukünftigen Tätigkeiten mitnehme.

Auch wenn dies also alles andere als ein Abschied ist, möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Menschen zu bedanken, die mich in meiner Leistungssportkarriere unterstützt haben. Bis bald!

Eure Natalie Rothenbächer