Meet the Maschmeyers: Eine Story über Eishockey, Reisen, Lockdown und Netflix
Stell dir vor du bist für ein Dreivierteljahr im Ausland, deine temporäre Heimat ist seit Wochen im Lockdown und du sprichst die Landessprache nicht. Wie würde es dir ergehen? Genau dieser Frage sind wir auf den Grund gegangen, als wir uns mit dem kanadischen Eishockeyprofi Brock Maschmeyer (28) von den Heilbronner Falken und seiner Verlobten Chelsey Jensen (24) trafen. Bei diesem mehr als kurzweiligen gemeinsamen Schneespaziergang auf dem Jägerhaus haben wir aber auch erfahren, was ihnen an Deutschland besonders gefällt, wie sie zu den Fans der Falken stehen und was sie im Sommer in Kanada machen. Und dazu sprang für die SPORTHEILBRONN-Redaktion noch etwas heraus, was über die Geschichte der beiden hinaus geht: Chelsey ist ab sofort Teil unseres Fototeams und hat bereits für diese Ausgabe die ersten Bilder beigesteuert!
Fotos: Marcel Tschamke
Autor: Ralf Scherlinzky
Brock, du spielst inzwischen seit vier Jahren in Deutschland Eishockey und Chelsey ist dir im Sommer 2019 gefolgt. Was macht Deutschland so besonders, dass man sein gewohntes Leben aufgibt und hierher kommt?
Brock Maschmeyer: Als ich damals zum ersten Mal nach Deutschland gekommen bin, war ich geflasht, dass ich quasi jeden Tag reisen und etwas Neues sehen konnte. Du setzt dich einfach ins Auto, fährst kurz ein paar Stunden, und schon bist du in Dresden, Amsterdam oder Prag. Oder du steigst in Heilbronn in den Zug und fährst einfach so nach Frankfurt oder Berlin. Das ist in Kanada unvorstellbar. Dort musst du für alle Wege das Auto nehmen und bist erstmal fast einen Tag lang unterwegs, bis du mal was anderes siehst.
Chelsey Jensen: Brock hat mir so lange davon vorgeschwärmt, bis ich mich dann dazu durchgerungen habe, schweren Herzens meinen tollen Job in der Medienbranche zu kündigen und mit nach Deutschland zu kommen. Ich habe es aber absolut nicht bereut, denn in der letzten Saison sind wir wirklich viel gereist.
Mit dem Lockdown ist das Reisen jetzt seit November leider erstmal vorbei. Brock kann weiterhin Eishockey spielen, aber wie geht es dir, Chelsey, wenn quasi alle Freizeitbeschäftigungen verboten sind?
Chelsey Jensen: Na ja, also allzu viel gibt es für mich momentan tatsächlich nicht zu machen. Ich bin ehrlich gesagt die meiste Zeit zuhause und schaue Netflix. Da ich in Kanada mit einer kleinen Werbeagentur selbständig bin, kann ich aber auch von hier aus meine Kunden bedienen. Seit Januar mache ich nun einen Deutschkurs und besuche während der Woche jeden Abend die Schule. Jetzt verstehe ich endlich, was die Kassiererin im Supermarkt von mir will, wenn sie fragt: „Möchten Sie eine Tüte?“
Brock Maschmeyer: Beim Einkaufen treten wir bisher meist im Doppelpack auf. Jeder von uns beiden versteht ein bisschen etwas und gemeinsam finden wir dann meist heraus, ob die Verkäuferin in der Bäckerei jetzt wissen möchte, ob wir die Quittung oder eine Tüte haben möchten. Das ist manchmal recht lustig…
Chelsey Jensen: Wir wohnen ja in Heilbronn im gleichen Gebäudekomplex wie die anderen kanadischen und amerikanischen Familien von den Falken. Dort sprechen wir nur Englisch. Und da fast alle Geschäfte geschlossen sind, habe ich gar nicht so viele Gelegenheiten, um das, was ich im Deutschkurs lerne, anzuwenden. Hoffentlich ändert sich das alles bald wieder. Denn momentan ist es auch so, dass ich mir bei Kontakten, beispielsweise beim Einkaufen, nicht nur um Brock und mich Gedanken machen muss, sondern um das ganze Team. Man stelle sich vor, ich würde mich mit Covid-19 infizieren und Brock würde das Virus mit in die Kabine bringen…
Und dann hast du ja mit dem Fan-Video für die Falken ein tolles Projekt angestoßen und umgesetzt…
Chelsey Jensen: Das war wirklich eine super Sache, die mir großen Spaß gemacht hat. Ich habe in den Sozialen Medien gesehen, wie wütend die Fans während der Niederlagenserie um den Jahreswechsel waren. Gleichzeitig wusste ich von Brock, wie niedergeschlagen das Team durch den ausbleibenden Erfolg war. Kurz vor Silvester entstand dann in Facebook in der Falkenticker- Gruppe die Idee, zusammen mit den Fans ein Motivationsvideo für die Mannschaft zu machen. Es war echt beeindruckend, wie viele Videobotschaften und Fotos ich bekommen habe. Das fertige Video hat ganz schön für Aufsehen gesorgt, und die Falken haben ja dann auch gleich ein paar Spiele hintereinander gewonnen. (hier das Video anschauen)
Brock Maschmeyer: Das Video hat dem Team unglaublich gut getan. Die Tatsache, dass wir schon seit Monaten vor leeren Tribünen spielen müssen, hat uns erst wieder vor Augen geführt, wie wichtig die Fans für das Team sind. Gerade hier in Deutschland kann der Support durch die Fans Spiele entscheiden. Schon beim Einlaufen, wenn der Hallensprecher meinen Vornamen ruft und dann die ganze Halle meinen Nachnamen schreit, bekomme ich eine dicke Gänsehaut. Und jetzt ist alles total ruhig und man könnte bei den Spielen eine Stecknadel fallen hören.
Chelsey Jensen: Und wenn ich den Livestream schaue, kann ich hören, was ihr auf dem Eis redet. Ich habe dich schon öfter fluchen gehört…
Brock Maschmeyer: Oha, dann muss ich künftig aufpassen, was ich auf dem Eis sage… Aber Spaß beiseite, uns fehlen die Fans unheimlich – nicht nur bei den Spielen. Wir sind ja auch dazu angehalten, keine sozialen Kontakte außerhalb des Teams zu haben.
Was ihr von August bis April in Heilbronn macht, wissen wir jetzt. Könnt ihr uns auch einen Einblick geben, womit ihr euch in der Sommerpause in Kanada beschäftigt?
Chelsey Jensen: Ich arbeite zuhause für die Organisation der Edmonton Oilers in der NHL. Letztes Jahr hat mir Corona dabei perfekt in die Karten gespielt. Bevor ich nach Heilbronn gekommen bin, konnte ich noch den Anfang der Saison mitnehmen. Und dann hatte die NHL pausiert, bis wir wieder daheim waren. Die Playoffs haben wegen Corona im Rahmen eines Turniers ausgerechnet bei uns in Edmonton stattgefunden, so dass ich beim kompletten Turnier dabei sein durfte und sogar noch dafür bezahlt wurde. Das war sehr cool.
Was machst du bei den Oilers denn genau?
Chelsey Jensen: Ich bin Teil der „Edmonton Oilers Orange & Blue Ice Crew“. Wir sind über zehn Leute und kommen während der Werbepausen mit unseren Schneeschaufeln auf das Eis, um den feinen Schnee von der Spielfläche zu entfernen und bei Promotion-Aktionen Werbegeschenke ins Publikum zu werfen. Das mag sich komisch anhören, ist aber tatsächlich ein richtiger Job, der unheimlich viel Spaß macht. Ich kurve da mit meiner Schaufel um Leute wie Leon Draisaitl oder Connor McDavid rum und bin mittendrin, statt nur dabei. Das hat schon was.
Und Brock, du lebst bestimmt das coole Leben eines Eishockeyprofis, machst ein bisschen Krafttraining und lässt es dir gutgehen, oder…? 😉
Brock Maschmeyer: Haha, ich wünschte das wäre so. Nein, ich habe bereits 2018 zusammen mit meinem Vater eine Firma gegründet, um mich abzusichern. Meine Zeit als Eishockeyprofi ist nur begrenzt und ich gehe tagtäglich das Risiko ein, mich zu verletzen. Sollte etwas passieren, stünde ich von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts. Mein Unternehmen heißt „Brock Boards“ und wir vermieten Werbeflächen auf unseren riesigen, 6 x 3 Meter großen Plakatwänden. Meine Familie hat in Bruderheim, ungefähr 50 Kilometer nordöstlich von Edmonton, eine Farm, deren Land an mehreren Highways entlang führt. Wir haben dort damit begonnen die Plakatwände auf zwei massiven Säulen anzubringen und die Werbeflächen monatlich zu vermieten. Inzwischen stellen wir die Billboards aber auch bei unseren Kunden auf. Das passt recht gut mit der Eishockeysaison zusammen. Während ich in Heilbronn bin, ist der Boden daheim gefroren, so dass eh keine neuen Schilder aufgestellt werden können. In der Zeit sind die Werbeflächen vermietet, und wenn ich zurück komme, können wir sie an anderen Stellen aufbauen. Um Neuvermietungen während der Saison kümmert sich mein Vater.
Du sprichst von einer Farm, deren Land an mehreren Highways entlang führt. Das klingt ja riesig…
Brock Maschmeyer: Riesig ist gar kein Ausdruck! Unsere Felder haben eine Fläche von ca. 36 km², das ist rund 4 km² größer als die Fläche der Heilbronner Kernstadt. Das ist dann auch meine zweite Beschäftigung während des Sommers: Ich fahre erstmal einen Monat lang mit unserer überdimensionalen Sämaschine 12 bis 14 Stunden täglich über das Feld, immer hin und her – das ist herrlich entspannend.
Chelsey Jensen: Er hat mir immer davon vorgeschwärmt, wie toll es ist, nachts allein dort draußen zu sein. Ich bin dann tatsächlich mal nach einem Oilers-Spiel rausgefahren und musste ihn auf den großen Ländereien erstmal per GPS suchen. Als ich dann auf dem Traktor saß, hat mir alles weh getan und ich fand es sooo langweilig. Aber Brock geht darin auf. Wenn ihr ihn heute jetzt so seht, könnt ihr euch nicht vorstellen, wie er im Sommer aussieht. Da ist er ein Farmer, wie er im Buche steht.
Jetzt sind Eishockeyspieler ja oft als „Wandervögel“ bekannt, die jedes Jahr woanders spielen. Chelsey, du lernst jetzt deutsch, fotografierst seit kurzem bei den Falken und verstärkst ab sofort auch die SPORTHEILBRONN- Redaktion als Fotografin. Können wir längerfristig mit dir planen?
Chelsey Jensen: Brock hat noch einen Vertrag bis 2022 und uns gefällt es in Heilbronn so gut, dass wir möglichst lange hierbleiben möchten. Also ja, ich glaube sowohl die Falken als auch ihr könnt mit mir planen!
Deutsch-Challenge mit Brock und Chelsey
Wir haben Brock und Chelsey bezüglich ihrer Deutschkenntnisse „auf den Zahn gefühlt“ und die beiden zur – zugegebenermaßen teils unfairen – Deutsch-Challenge eingeladen. Taschentücher bereithalten, Video anschauen und herzlich lachen 😉